HirnTumor-Forum

Autor Thema: Epilepsie und Beruhigungsmittel - Erfahrungsaustausch  (Gelesen 69033 mal)

Johanna Teig

  • Gast
Epilepsie und Beruhigungsmittel - Erfahrungsaustausch
« am: 01. Juli 2004, 13:14:19 »
Benzodiazepine

Benzodiazepine sind eine spezielle Sorte von "Schlafmitteln", die zu den "Tranquilizern" gehören, glaube ich.

Da ich selber schon öfter welche genommen habe, will ich hier mal die Mittel nennen und meine Erfahrungen beschreiben. Es dürften die am häufigsten verschriebenen Medikamente sein. Natürlich sollte man die Einnahme mit dem Arzt absprechen.

Ich versuche die Einnahme zu vermeiden und habe ja auch nicht danach geschrien, sie verschrieben zu bekommen, aber aufgrund häufiger Wechsel der Neurologen sammelt man halt seine Erfahrungen. Derzeit nehme ich nur Valium (Diazepam), wenn ich nachts mit einem leichten Anfall aufwache, da ich derzeit das Anfallsmedikament umstelle.

Besondere Hinweise:

- Suchtgefahr:
Benzodiazepine machen schnell und auch in kleiner Dosis abhängig. Es ist, vor allem bei älteren Menschen, eine Abhängigkeit von niedrigen Dosen ziemlich verbreitet. Vor allem Lexotanil, das von Ärzten oft bedenkenlos über einen längeren Zeitraum verschrieben wird, ist hier zu nennen. - Ich versuche, das für mich so zu lösen, dass ich es auf keinen Fall länger als 3 Tage nehme und nur die geringste Dosis, die in meinem Fall wirksam ist.

- Wirksamkeit gegen Anfälle:
Bei aller Suchtgefahr halte ich es trotzdem für wichtig, einen Anfall zu unterbrechen (auch einen leichten) und etwas zu nehmen. Bei mir äußert sich das oft in nächtlichen Alpträumen, ich wache auf, der Kopf surrt und die OP-Stelle ist heiß. Würde ich nichts nehmen, geht die Sache ein paar Minuten nach den Einschlafen wieder los. Ich nehme dann 2,5 oder 5 mg Diazepam (Valium). Siehe aber Schlafqualität unten. - Die Lösung ist, in so einem Fall die Anfallsmedikamente höher zu dosieren oder auf ein anderes Medikament umzustellen, so dass der Fall gar nicht erst eintritt. Es ist keine Lösung, jeden Tag Benzodiazepine zu nehmen. Man sollte aber eine geringe Menge zu Hause haben, am besten nur 1-2 Tabletten.
Lexotanil (Bromazepam) hat mir gegen die Anfälle nicht geholfen.

- Wirkdauer:
  Ich schätze nach meiner Erfahrung so ca. 5 Stunden bei 5 mg Valium (Diazepam) und Frisium (Clobazepam).  Tavor (Lorazepam) wirkt wesentlich kürzer, so ca. 1-2 Stunden. Daher beeinträchtigt es den Schlaf auch nicht so sehr.
Die Wirkdauer ist bei Frauen höher als bei Männern (finde leider gerade keinen Link dazu).

- Beeinträchtigung der Schlafqualität:
Wenn ich nicht geschlafen hätte, wäre es kaum besser. Ich bin total zerschlagen am Morgen. Tavor schneidet da etwas besser ab.

- Entzug:
Ich habe mal Lexotanil (Bromazepam) ein paar Tage genommen, wusste damals nicht, was es ist. Ich hatte beim Absetzen eine sehr depressive Stimmung. Ein schneller Entzug kann Anfälle auslösen, aber dazu habe ich wohl zu geringe Dosen genommen.

- Verträglichkeit mit Epi-Medis:
Die meisten Benzodiazepine vertragen sich mit den meisten Anfallsmedikamenten, aber nicht mit allen. Den Beipackzettel selber lesen und beachten. Frisium (Clobazepam) verträgt sich zum Beispiel nicht mit Valproinsäure.

- Beeinträchtigung der Wachheit:
Die meisten Benzodiazepine machen müde, auf jeden Fall Valium (Diazepam), Lexotanil (Bromazepam) und Tavor (Lorazepam). Frisium (Clobazepam) ist lt. meinem Apotheker ein Tages-Tranquilizer und macht meiner Erfahrung nach nicht müde, es sei denn, man ist sowieso übernächtigt.

Liste der am häufigsten verschriebenen Mittel:

Handelsname  Wirkstoff
Valium             Diazepam
Lexotanil         Bromazepam
Frisium            Clobazepam
Tavor              Lorazepam


« Letzte Änderung: 22. Juni 2010, 20:50:15 von Bluebird »

Weltegast

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #1 am: 02. Juli 2004, 06:06:09 »
Hallo Johanna,

wie immer ein sehr informativer Beitrag. Vielen Dank.

Nur zum besseren Verständnis: Du nimmst keine vorbeugenden Antiepileptika?

Meiner Frau wurden vor und nach der OP im Dezember erst Tegretal und dann - in der Freiheit sozusagen - Carbamazepin verordnet. 3 x 200 mg täglich. Die Notwendigkeit dieser Verordnung wurde nie in Frage gestellt. Jetzt stören die Nebenwirkungen (Müdigkeit und vor allem Sehstörungen) doch sehr. Wir würden dieses Medikament gerne absetzen oder reduzieren. Welcher Arzt könnte dieses entscheiden ? Onkologe, Neurologe? Einen Anfall gab es nur vor der OP. Als Folge dieses Anfalls wurde der Tumor entdeckt.

Ulrich

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #2 am: 02. Juli 2004, 08:03:00 »
Der richtige Ansprechpartner ist ein Neurologe, möglichst einer, der sich mit Epilepsie auskennt.

Auf dem Hirntumor-Tag in Berlin wurde genau vor der Situation, die Du beschreibst, "gewarnt". Anti-Epileptika, die vor einer Op. genommen werden mußten, sind nach der Op, wenn die Ursache "entfernt" wurde, einfach überflüssig.

Mehr Informationen gibt es auch noch hier:
http://www.mc600.de/forum/index.php?board=11;action=display;threadid=563

Anti-Epileptika muß man ausschleichen!!!!


Weltegast

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #3 am: 02. Juli 2004, 08:26:58 »
Vielen Dank für diese Auskunft Ulrich.

Ausschleichen. Gibt es dafür auch ungefähre Werte? So etwa 100 mg/Tag/Woche?

Weltegast

Ulrich

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #4 am: 02. Juli 2004, 09:06:19 »
Das weiß ich auch nicht, da gibt es Berufenere als mich im Forum. Frag' einen Neurologen.

Es gibt eine Übersicht über Neurologen, die sich spezialisiert haben auf Epilepsie. Ich such' sie noch raus.

Die von mir zitierte Information vom Hirntumor-Kongreß in Berlin im April 04 bezog sich auf die Aussage eines Dr. Merschhemke (ich hoffe, das ist richtig geschrieben) vom Epilepsiezentrum Berlin-Brandenburg, Herzbergstr. 79, 10362 Berlin. http://www.ezbb.de

Also den Weg nach Berlin wäre mir die Sache wert.

felipe

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #5 am: 02. Juli 2004, 10:05:33 »
also ich habs nach der Op jetzt, als ich mich spürbar besser gefühlt habe, selbst ganz langsam reduziert.
Nicht zu empfehlen, unbedingt einen Arzt konsulitieren.

Wenn man seinen Körper spürt, dann tastet man sich da schon heraus.

Für mich war Epilepsie etwas, das man steuern kann- hat mir keiner glauben wollen. Wenn halt der Druck im Topf mal zu groß war, ist er halt abgehoben. Würde man seine Energie (chi) gut steuern können und die Schädigung im Hirn nicht zu groß ist, dann kommt es nicht dazu.
Sonst ist halt eine "Entstpannung" notwendig.

lg

Wolfgang

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #6 am: 02. Juli 2004, 10:14:48 »
Hallo,

es ist in höchstem Maße gefährlich Antiepileptika ohne Absprache mit einem Neurologen/Epileptologen abzusetzen. Er muss auch die ursächliche Erkrankung genauestens kennen. Wenn das nicht beachtet wird, können schwerwiegende Komplikationen auftreten: Kollaps, Depression etc.
Der Arzt heißt Dr. Martin Merschhemke. Er arbeitet im http://www.epilepsie-zentrum-berlin.de
Die Ambulanz in Berlin hat aber Wartezeiten von bis zu 3 Monaten. Es gibt aber mehr Zentren und Epileptologen in Deutschland
http://www.izepilepsie.de
Meine Frau hat am 8. Juli einen Termin in der o.g. Ambulanz. Es soll abgeklärt werden, ob ihre Anfälle (bisher 3, 1 generalisierter und zwei fokale) mit Reduktion von Cortison, Folgen von Bestrahlung oder einer symptomatische Erkrankung aufgrund des Tumors (Glioblastom) zu tun haben.

Gruß

Wolfgang


felipe

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #7 am: 02. Juli 2004, 15:21:03 »
Hallo Wolfgang,

deswegen hab ich auch empfohlen, unbedingt mit einem Arzt zu sprechen.

Ich persönlich hab mir da immer selbst einiges gecheckt. Ich bin sehr gut informiert, manchmal spring ich dann halt einfach drüber (auch über die Angst), sonst wär ich persönlich aus dem Behandlungsszenario nicht rausgekommen bzw. erfolgreich geflohen.
Bei mir haben sie noch nichts bestrahlt oder sonst was gemacht, obwohl sie das 97 unbedingt wollten. Laut der Ärzte damals sollte ich nur mehr wenige Jahre leben. Genau diese wenigen  Jahre später mußten mir die selben Ärzte wieder rechtgeben. Sie hatten mich tot geglaubt, aber da stand ich dann frisch und munter.

Ich mache selbst viel h15 etc.. Bei mir wurde der Tumor rückgestuft.

Ich mache schon eine Zeitlang einen Paragleitkurs.

Ich werde nie eine "aggressive" Behandlung machen.
Ich fühle mit allen Betroffenen, denen es nicht gut geht, oft hilft eine Bestrahlung auch.


lg

oliverL

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #8 am: 02. Juli 2004, 20:59:50 »
Hallo,

klar kann der Tumor Ursache für eine Epi sein, wie bei mir. Im Allgemeinen spricht man nach einem Anfall auch noch nicht von einer Epi.
 Aber, aber bei einer OP werden auch Narben hinterlassen und diese können  weiterhin Anfallsauslöser sein. So ist die Ursache dann doch nicht so ganz beseitigt.  Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.


Die Epi kam bei mir sechs Monate nach der OP wieder und hat sich seitdem fest gesetzt. Das ist wirklich sche.... aber im Augenblick nicht zu ändern. Das heißt nicht, das ich nichts neben den Tabletten gegen meine Epi tue, aber die Tabletten sind bei mir einfach notwendig.

Wie ich immer sag ist eine Epi mehr als nur ein körperlicher Defekt. Die Pysche hat da doch immer etwas mit zu reden.


Beim Ausschleichen oder dem Versuch dies zu tun sollte man wirklich einen Fachmann fragen und nicht jeder Neurologe ist da einer. Eine Liste hat die Deutsche Epilepsievereinigung auf ihrer Seite.

Ich hatte Glück und die Klinik in der ich operiert wurde hat auch eine Neurologie und dort eine EpiAmbulance, was neben den großen Einrichtungen (Kork, Betelh, Bonn) eine gute Alternative sein kann.

Liebe Grüße
Oliver

Johanna Teig

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #9 am: 02. Juli 2004, 22:53:12 »
Doch, ich nehme schon Antiepileptika seit OP 2001, war aber auf eine sehr geringe Dosis unten. Jetzt ist mein Rezidiv etwas gewachsen leider, und das hat man gemerkt, also musste ich mehr nehmen, bin aber gleich auf ein anderes Medikament umgestiegen.

Oft hilft die Reduktion der Medikamente schon, um die meisten Nebenwirkungen fast völlig zum Verschwinden zu bringen. Zum Beispiel wurden bei mir die Leberwerte gleich deutlich besser nach Reduktion.

Das alte Medikament (Phenhydan) kannte ich, da wusste ich genau, welche Dosis wie wirkt, bei dem neuen (Valproinsäure) würde ich mich das jetzt nicht trauen, selber zu ändern.

Mein Neurochirurg hat gesagt, ich muss die Medikamente nach OP mindestens 1 Jahr nehmen. Ich halte das (in vernünftiger Dosierung) für ok, denn er hat es glaubhaft so begründet, dass der Kopf die Anfälle erst wieder "verlernen" muss und das braucht Zeit.

Übrigens hängt der Spiegel im Blut, den man mit einer bestimmten Dosis erreicht, sehr von der Person ab. Man muss meiner Info nach daher IMMER nach einer Weile den Blutspiegel überprüfen lassen (macht mein Hausarzt). Was für den einen zu wenig ist, kann für den anderen zu viel sein.

Weltegast

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #10 am: 03. Juli 2004, 08:08:28 »
Vielen Dank euch allen.

Nächste Woche haben wir einen Termin bei ein Arzt der Epi-Liste. Vielleicht hilft's ja.

Was mich wütend macht, ist der Umstand, dass keiner der beteiligten Ärzte auch nur ansatzweise Sinn und Menge dieser Medikamente hinterfrägt. Von einer Überprüfung des Blutspiegels (auf was wird der überprüft?) höre ich hier erstmalig.

Eine versuchsweise Reduzierung der Tagesmenge um 100 mg zeigt schon erste Fortschritte.

Weltegast

Offline Rosita

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Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #11 am: 03. Juli 2004, 21:21:53 »
Hallo Weltegast,
das was du da beschreibst bei deiner Frau war bei mir nicht anders. Ich nehm auch carbamazepin, musste nach der op auch 3x200mg nehmen und mein Neurologe machte einen Medikamenten spiegel und stellte fest das ich zu hoch dosiert war, er setzte mich auf 2x 200mg retart herunter und jetzt gehts mir wieder gut was die nebenwirkungen angeht. Ich merke aber immer noch wenn sich ein anfall einstellt der gottsei dank durch das carbamazepin unterdrückt wird.
Icu lasse alle drei monate ein EEG schreiben und meinen Medikamenten spiegel bestimmen, so kann ich mit meinem Neurologen besser die dosies abstimmen und es ist einfacher umzustellen.

LG milli
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Ulrich

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #12 am: 04. Juli 2004, 00:37:06 »
Von einer Überprüfung des Blutspiegels (auf was wird der überprüft?) höre ich hier erstmalig.

Die Bestimmung des "Spiegels" ist aber Stand der Technik. Stell' Dir das so vor: Hast Du zu wenig von dem Zeug, dann wirkt es nicht. Hast Du zu viel davon, dann steigen ja auch die Nebenwirkungen.

Nur wenn Du im richtigen therapeutischen Fenster bist, also nicht zu wenig und nicht zu viel im Blut (deshalb der Blutspiegel des Medikamentes!!) hast, dann bist Du optimal versorgt.

Das hängt dann wieder von der Konstitution ab (dünn, dick) etc.

Weltegast

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #13 am: 04. Juli 2004, 08:33:07 »
Die Bestimmung des "Spiegels" ist aber Stand der Technik....

Dankeschön für deine Antwort. Ist mir schon klar, wofür solch eine Bestimmung gut ist. Nur, wenn dieser "Stand der Technik" ist, warum wird er dann nicht generell gemacht?

Natürlich weiß ich, dass du diese Frage nicht beantworten kannst. Aber wer veranlasst solche Maßnahmen? Unser Ansprechpartner ist momentan der Onkologe/Hausarzt. Er verschreibt auch ohne Murren Riesenpackungen Carbamazepin.

Weltegast

Ulrich

  • Gast
Re:Valium, Tavor, Frisium und Konsorten
« Antwort #14 am: 04. Juli 2004, 08:55:07 »
Wie ich schon oben schrieb, gibt es Neurologen mit Spezialgebiet Epilepsie. Also so jemand sollte sich schon um den "Spiegel" kümmern. Vielleicht Hausarzt?

Onkologe eher nicht. Dem wäre das zu trivial.

 



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