41. Hirntumor-Informationstag der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.
am 21. Oktober 2017 in Berlin1. Fortschritte in der NeurochirurgieAus dem Vortrag:Vorbemerkungen:Im Bereich der Operationen gibt es nichts wesentlich Neues bei der Entfernung von Hirntumoren.
Es gibt technologische Veränderungen, geänderte Konzepte.
Bei Hirntumoren hat die Operation einen hohen Stellenwert, da durch sie so viel wie möglich von dem in den Bildern sichtbaren Tumorgewebe entfernt wird.
Deshalb ist die Operation sehr wichtig.
In Berlin verteilt sich die Neurochirurgie der Charité auf drei Standorte:
- Berlin-Mitte an der Humboldt-Universität
- Virchow-Klinikum an der Technischen Universität
- Benjamin-Franklin-Klinikum an der Freien Universität
Operation mit intraoperativer Bildgebung:Das bisher übliche
OP-Setting (Lage des Patienten, Aufstellung des OP-Teams, Platzierung des Instrumententisches sowie der Monitore) wird durch die Möglichkeit der Nutzung von CT- und MRT-Geräten erweitert. Der Patient muss zuvor auch in die
Scannig Position (CT / MRT ohne Umlagerung des Patienten) gebracht werden. Dadurch wird der
Workflow (=Arbeitsablauf; Organisation der räumlichen und zeitlichen Reihenfolge von funktional, physikalisch oder technisch zusammengehörenden Arbeitsvorgängen während der Operation) aufwändiger. Hierdurch werden verbesserte OP-Ergebnisse
möglich.
Während der Operation ist der Neurochirurg nicht nur auf sein eigenes Sichtfeld angewiesen, sondern ihm kann zusätzlich die
CT-basierte intraoperative Bildgebung zur Verfügung stehen.
Die
Nadelbiopsie sowie das
CT-Angiogramm können im OP-Saal durchgeführt werden.
Das ist möglich, weil CT und MRT im OP-Saal zur Verfügung stehen und ein MRT nur noch etwa 20 min dauert. Die Geräte befinden sich in einem Nebenraum und können zum Patienten gebracht werden. Dadurch kann prä-
(vor), intra-
(während) und post-
(nach) operativ das MRT zur Kontrolle des OP-Ergebnisses genutzt werden und sofort über eine eventuelle Fortsetzung der OP entschieden werden.
Bisher musste der Patient zum CT/MRT gebracht werden, was erst nach abgeschlossener OP möglich war. Bei Feststellung einer unvollständigen Tumorentfernung war dann eine erneute OP erforderlich, die für den Patienten viel belastender war.
Man bezeichnet diesen OP-Saal als MRT-basierten Hybrid-OP (Operationssaal, der mit medizinischer Bildgebung in Form von Angiografieanlagen, Computertomographen oder Magnetresonanztomographen ausgestattet ist.)Hier sind auch intraoperativ
Kontrollen des Stoffwechsels im Tumor, Wach-Operationen sowie die
Kontrolle von Funktionsbereichen des Gehirns möglich.
Das ist nicht nur in Berlin so, sondern in ganz Deutschland.
Planung vor der Operation mit neuen funktionalen und digitalen TechnologienDurch das
Motor-Mapping (Map = Landkarte, Erstellung einer dreidimensionalen „Landkarte“ für die Funktionen des Gehirns) kann festgestellt werden, wo die Bahnen im Gehirn verlaufen, die für bestimmte Funktionen (Bewegungen, Sehen, usw.) verantwortlich sind. Dadurch werden Operationen an Stellen möglich, wo bisher keine möglich waren.
Damit einher geht eine verbesserte
Risiko-Stratifizierung (Abschätzen des Risikos, mit dem eine Erkrankung fortschreitet, zu Komplikationen oder zum Tod führt) und dadurch die konkretere Patientenaufklärung darüber vor der OP.
Zum Motor-Mapping gehört die
Navigierte transkranielle magnetische Hirnstimulation, bei der von außen mit Klebe-Elektroden die Stellen im Gehirn lokalisiert werden, die die einzelnen Organe (z.B. ein Finger) steuern.
Ein
Sprach-Mapping könnte künftig die Wach-OP ersetzen, da bereits vor der OP eine derartige Testung erfolgen kann.
Die Bilder, die durch das präoperative
(vor der OP) Mapping entstehen, sind bessere Bilder als bisher. Auf ihnen sind zusätzlich z.T. farbige Linien sichtbar, die die dünnen Bahnenbündel für die Hirnfunktionen darstellen.
Es ist sogar ein
Intraoperatives Brain-(Gehirn-)Mapping möglich. Die Stimulations-Elektroden waren früher extra, jetzt sind sie in den OP-Instrumenten, so dass die Stimulation direkt erfolgen kann. Sie geben (anhand der Stromstärken) die Entfernung von bestimmten Regionen an.
Die ALA-Technik, durch die stoffwechselaktive Tumorbereiche während der Operation hell leuchten, kann mit „Fluorescein“ kombiniert werden, um zu erkennen, wo operiert werden muss.
Das wird künftig auch bei Meningeomen eingesetzt.
Die Informationen, die vorher erlangt wurden, werden in das Operations-Mikroskop hinein gespielt.
Das hat den Vorteil, dass die Blickrichtung des Operateurs nicht mehr zwischen dem Mikroskop und dem Bildschirm wechseln muss. Das ist eine neue Mikroskop-Generation, die einen besseren Blick ermöglicht. Die Hände des Chirurgen bleiben beim Patienten im Operationsgebiet.
Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion: (aus: www.hirntumorhilfe.de)Frage:
Wann ist das Einholen einer zweiten Meinung sinnvoll?Antwort:
Grundsätzlich kann man sagen, das Einholen einer Zweitmeinung ist nichts Unanständiges und steht Ihnen als Patient zu. Ich möchte Sie ermutigen, diesen Schritt zu gehen, wenn Sie weitere Informationen für Ihre Therapieentscheidung benötigen.
Frage:
Wie gut sind die neuroonkologischen Forschungszentren miteinander vernetzt?Antwort:
Ich glaube, es gibt im Allgemeinen heute eine gute Vernetzung zwischen Klinikern und Forschern. Aber es ist ein weiter Weg, bis etwas Neues in die Klinik kommt. Nicht jede Klinik kann an sämtlichen Ansätzen forschen und nicht jede Forschung erhält die notwendige Unterstützung. Vor diesem Hintergrund ist der Austausch zwischen den an der Forschung Beteiligten sehr wichtig.
Frage:
Können Fluoreszenz-gestützte Operationsverfahren auch bei Meningeomen eingesetzt werden?Antwort:
Diese Technik funktioniert auch bei Meningeomen, ist bei diesen Tumoren allerdings noch nicht so gut erforscht. Daran wird gearbeitet.
Frage:
Ist der kombinierte Einsatz von Temozolomid und CCNU auch im Rezidivfall möglich?Antwort:
Es ist denkbar, dass Patienten mit methyliertem MGMT-Promoter, die zuvor bereits über einen längeren Zeitraum auf eine Chemotherapie angesprochen haben, im Rezidivfall von einer solchen kombinierten Therapie profitieren. Die Voraussetzungen müssen aber in jedem Fall individuell geprüft werden.
KaSy Aus den Tagungsunterlagen der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.:Informationen zum Thema (Quelle:
www.hirntumorhilfe.de)
Operative Entfernung von HirntumorenDie Neurochirurgie umfasst die Diagnose und operative Behandlung von Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen des Zentralen Nervensystems (ZNS). Je nach Lage und Größe des Hirntumors sowie nach Zustand und Symptomen des Patienten kann ein Hirntumor weitestgehend entfernt oder auch nur teilentfernt werden. Mitunter ist die neurochirurgische Behandlung gar nicht möglich, der Tumor also inoperabel. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Tumor direkt in funktionstragenden Arealen liegt, die durch eine Operation stark beeinträchtigt oder sogar zerstört werden würden.
Für ein optimales Ergebnis des neurochirurgischen Eingriffes bei gleichzeitigem Erhalt aller Funktionen ist daher eine genaue Lokalisation des zu operierenden Tumors und seiner Lage in Bezug auf wichtige Hirnareale notwendig. Hierfür stehen unterschiedliche bildgebende Verfahren wie MRT oder CT zur Verfügung. Diese Verfahren können vor, falls notwendig aber auch während der Operation eingesetzt werden. Bei manchen Hirntumoren kann auch ein intraoperatives Sprachmonitoring, die Operation unter 5-ALA oder die navigierte Hirnstimulation sinnvoll sein.
Stellenwert der Neurochirurgie in der HirntumortherapieDer neurochirurgische Eingriff als erste Säule der neuroonkologischen Therapie hat das Ziel einer sicheren und möglichst umfassenden Entfernung (Resektion) des Tumors. Die Auswertung von großen Datensätzen über einen Zeitraum von zehn Jahren hat gezeigt, dass Patienten, deren sichtbarer Tumor nahezu komplett entfernt werden konnte (man spricht dann von einer „gross total resection“, GTR), länger überleben als Patienten, bei denen dies nicht möglich war. Das Ausmaß der Resektion bzw. die Größe des verbleibenden Tumors exakt zu bestimmen, stellt mitunter eine große Herausforderung dar, da der weitere Therapieverlauf maßgeblich davon beeinflusst wird.
Die Neurochirurgie spielt aber auch über die Tumorresektion hinaus eine bedeutende Rolle. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Medikament in den Liquorraum, ins Hirngewebe oder direkt in den verbleibenden Tumor injiziert wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn spezifische (onkolytische) Viren gegen den Tumor eingebracht werden. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von Kathetersystemen, über die ein Chemotherapeutikum direkt ins Zielgewebe infundiert werden kann.
Intraoperatives SprachmonitoringDas intraoperative Sprachmonitoring kommt bei Hirntumoroperationen in der sprachdominanten Hemisphäre zum Einsatz, um sprachrelevante Areale zu identifizieren und beim chirurgischen Eingriff zu schonen. Hierbei ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Neurochirurgen, Anästhesisten und Logopäden erforderlich. Um die für die Sprache wichtigen Bereiche im Hirn zu lokalisieren, führen die Neurochirurgen zu Beginn der Operation am noch wachen Patienten das Monitoring durch. Dabei werden Regionen, in denen die motorischen
(Ich meine, das Wort „motorisch“ gehört hier nicht hin. KaSy) Sprachzentren vermutet werden, elektrisch stimuliert, während der Patient einfache Dinge benennen muss. Erst wenn die Sprachzentren auf diese Weise identifiziert wurden, beginnt der Operateur mit der Entfernung des Tumors. Da die Stimulationen direkt auf der Oberfläche des Gehirns durchgeführt werden, vergrößert das Sprachmonitoring das Ausmaß und die Effektivität des neurochirurgischen Eingriffs.
(Ich meine, dass das Sprachmonitoring nicht am noch wachen Patienten erfolgt, sondern nachdem das Operationsgebiet erreicht wurde, wird die Narkose ausgeleitet. Jetzt spürt er nichts, da das Gehirn selbst über keine Schmerzrezeptoren verfügt. Der Logopäde, der bereits vor der Operation mit dem Patienten gründlich gesprochen hat, stellt jetzt die Fragen wie oben beschrieben. Währenddessen operiert der Chirurg weiter, bis der Logopäde signalisiert, dass der Patient nicht mehr normal reagiert. Anschließend wird der Patient wieder in Narkose versetzt und die Operation wird abgeschlossen.
Der Referent beschrieb in seinem Vortrag Möglichkeiten, die diese „Wach-Operation“ künftig überflüssig machen könnten.
KaSy)Operation mit 5-AminolävulinsäureUm diffus wachsende, schwer vom umliegenden gesunden Hirngewebe abgrenzbare maligne Gliome
(laut dem Referenten künftig auch Meningeome / KaSy) möglichst radikal entfernen zu können, kann die Resektion unter der Gabe von 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) sinnvoll sein. Hierbei muss der Patient drei Stunden vor dem neurochirurgischen Eingriff eine Lösung aus 5-ALA trinken. Durch einen Enzymdefekt in der Tumorzelle reichert sich die Substanz selektiv hauptsächlich dort an. Während der Operation kann der Neurochirurg dann ein Blaulicht zuschalten, das die Tumorzellen in rot-violetter Farbe fluoreszieren lässt.
Der klinische Wert des 5-ALA-Verfahrens wurde in einer internationalen, randomisierten, kontrollierten Studie untersucht. Diese konnte zeigen, dass unter der Gabe von 5-ALA doppelt so viele hirneigene Tumoren radiologisch
(Ich meine, es sollte nicht „radiologisch“, sondern „neurochirurgisch“ heißen. KaSy) komplett entfernt wurden und dementsprechend weniger Fälle mit einem postoperativen Resttumor auftraten (35 % unter 5-ALA vs. 50 – 70 % ohne 5-ALA). Dies spiegelte sich auch in der Wirksamkeit der neurochirurgischen Therapie wider: Konnte der Tumor relativ vollständig entfernt werden, dann verlängerte sich die durchschnittliche Überlebenszeit signifikant. (Stummer et al. Lancet Oncol 2006; 7: 392-401).
Navigierte HirnstimulationDie navigierte Hirnstimulation (Navigated Brain Stimulation, Abk. NBS) ist ein Verfahren zur Beurteilung der exakten Lokalisation des primären motorischen Kortex. Mit der Methode kann bereits vor der Operation eine individuelle Karte des Bewegungszentrums erstellt werden.
Um einen Hirntumor zu operieren, ist es bislang gängige Praxis, die umliegenden Hirnregionen während des Eingriffs zu reizen. Erfolgt darauf eine Reaktion des Patienten, weiß der Chirurg, wo sich Regionen für Sprache und Bewegung befinden. Die Lage dieser Areale kann sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Dadurch erfährt der behandelnde Arzt erst während der Operation, wo die kritischen Gebiete angesiedelt sind.
Im Vergleich dazu kann der Neurochirurg mit Hilfe der navigierten Hirnstimulation schon vor der Operation Informationen über wichtige Areale sammeln und die Operationsstrategie optimieren. Das NBS-System stellt die Standard-MRT-Bilder vom Gehirn des Patienten mithilfe einer Kamera und am Patienten angebrachter Fixpunkte in 3D dar.
Durch die Stimulation mit einer Magnetspule wird das Bewegungszentrum millimetergenau lokalisiert. Da die Daten aus dem NBS-System in das Neuronavigationsgerät und das Operationsmikroskop eingespielt werden können, stehen sie auch während des neurochirurgischen Eingriffs zur Verfügung. Im Vergleich zur direkten Stimulation des Kortex während der Operation kann Operationszeit eingespart und das Behandlungsergebnis möglicherweise optimiert werden. Derzeit laufen Studien zur Anwendung des NBS auch für Operationen im Sprachzentrum und anderen funktionell wichtigen Arealen.
(Aus den Tagungsunterlagen der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.; Quelle:
www.hirntumorhilfe.de)
KaSy (kursiv gedruckte Textteile von KaSy)