HirnTumor-Forum

Autor Thema: Wenn auch die Psyche Krebs hat....  (Gelesen 7449 mal)

Offline Maulwurf71

  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 18
    • Profil anzeigen
Wenn auch die Psyche Krebs hat....
« am: 12. Juni 2017, 10:10:56 »
Hallo zusammen,
ich bin weiblich, 46 Jahre jung, und habe seit Oktober letzten Jahres ein Glioblastom. Dies konnte in einer OP zu 90 % entfernt werden. Der Rest sollte weg gestrahlt werden. Das scheint funktioniert zu haben. Nach dem MRT nach 7 Monaten nach der OP war nichts mehr von einem Tumor zu sehen. Ich mache auch noch die TTF Therapie.
Nachdem guten MRT Ergebnis müsste ich eigentlich total glücklich sein. Laut meiner Ärztin kommt es sehr selten vor dass ein verbliebener Resttumor verschwindet. Zumindest auf dem MRT. Aber irgendwie bin ich dadurch in ein noch tieferes psychisches Loch gefallen. Klingt unlogisch, ist aber so. Weil nun die Fallhöhe hoch ist. Wenn jetzt doch noch was schief geht und ich freue mich jetzt so sehr über das gute Ergebnis, dann bin ich doppelt enttäuscht. Ihr merkt, das Schicksal hat es nicht leicht mit mir. Ich mache mir also selber das Leben schwer. Aber ich hänge einfach gerade in einer psychischen Falle fest.

 Jeden Tag denke ich an meine Krankheit und es fällt mir schwer das Leben zu genießen. Obwohl ich auch sagen muss, dass mir die positiven Verläufe hier im Forum wirklich gut tuen und mir zeigen dass es nicht zwingend ein Todesurteil sein muss, auch wenn die Chancen auf ein langes Leben gering sind.

Ein herzliches Dankeschön an alle Langzeitüberlebenden, die uns an ihrer Geschichte teilhaben lassen. Das sind meine Mutmacher!
Auf der Suche nach dem “Warum“ ein “Egal“ gefunden

Offline haijaa

  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 236
    • Profil anzeigen
Antw:Wenn auch die Psyche Krebs hat....
« Antwort #1 am: 12. Juni 2017, 11:29:35 »
Hallo,
klingt ein bisschen so, als würdest du dich zusätzlich fertig machen, weil du dich nicht freuen kannst?

Es ist bekannt, dass TraumaÜberlebende, dann wenn sie in ruhigere Fahrwasser kommen, in tiefe psychische Löcher fallen, weil erst dann die Psyche in der Lage ist das Trauma zu verarbeiten. Vorher herrscht ein "Funktionieren-müssen-Not-Programm".
Es ist daher völlig "normal" für DEINE Situation.

Es kommt noch dazu, dass du nicht ganz aus "der Sache" draußen bist... da ist es doppelt schwer für deine Seele.
Gib dir und deiner Seele vorallem Zeit... ihr findet einen Weg damit umzugehen.
Einen hast du ja schon gefunden: Die Berichte als Mutmacher :)

Zitat
und es fällt mir schwer das Leben zu genießen
mir hat mal geholfen, meine "Wüstensituation" anzunehmen, die genießt man nicht-zumindest nicht wenn man unfreiwillig in der Wüste ist...
man geht nur WEITER... ich habe mir dann auf ein post-it "weitergehen" geschrieben, damit ich  mich von zeit zu zeit erinnere ... und bin weitergegangen...jetzt bin ich schon in besseren Gefilden... vom gelobten Land (des genießens) noch ein gutes Stück entfernt...



« Letzte Änderung: 12. Juni 2017, 11:36:35 von haijaa »

Offline KaSy

  • Mitglied Forum
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 2715
  • Ich gebe niemals auf!
    • Profil anzeigen
Antw:Wenn auch die Psyche Krebs hat....
« Antwort #2 am: 12. Juni 2017, 23:54:17 »
Liebe Maulwurf71,
ich kann das total nachvollziehen.
Die Krankheit scheint vorbei zu sein, man fühlt sich eigentlich nach langer Zeit wieder gut, organisch gut.
Und die Psyche spielt "Scheibe".
Es geht nichts mehr.

Ja, immer "weitergehen" ... wie haijaa schreibt.
"Niemals aufgeben" steht bei mir nicht nur hier im Forum.

Aber welche Sprüche auch immer, sie sind wirklich gut, für verschiedene Situationen habe ich verschiedene überall rumhängen ...
Und doch helfen sie nicht immer.
Man sieht sie manchmal nicht mehr, weil man gar nichts sieht.
(Ich habe Blumen gepflanzt und kann mich nicht an ihnen freuen. Die Rosen blühen so sehr schön und ich nehme sie nicht wahr.)
Weil man einfach nicht mehr kann.
Ich versuche dann, "etwas anderes zu tun" oder "noch etwas anderes" und wenn das mich nicht zum "Weitergehen" bringt, dann weine ich oder schlage auf den Boxsack oder eine Trommel oder lege mich hin.
Minuten, Stunden, manchmal Tage kann das dauern.
Ich hasse mich manchmal in diesen Situationen, aber das muss ich nicht, weil ich nichts dafür kann, weil es in dieser abartigen Situation nur abartige Möglichkeiten gibt, damit umzugehen.
Und ich bin froh, wenn ich dann niemandem begegne, ich gehe nicht ans Telefon, mache die Tür nicht auf. (Naja, ich gucke schon, wer dran ist oder vor der Tür steht, vielleicht tut die Person mir gut.)

Irgendwann ist es vorbei.
Nicht einfach nach und nach besser, es ist einfach wieder gut.

Es ist sehr schwer, das für sich zu akzeptieren.
Irgendwann geht es.
Aber es anderen Menschen verständlich zu machen, das ist ... kaum erklärbar ...

Aber dann geht es weiter.

Und man schätzt das Leben wieder und weiß, dass es zu schön ist, um es aufzugeben.

Du wirst den Duft der Blumen auch irgendwann wieder wahrnehmen und merken - Das Leben ist schön.

KaSy

Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline Maulwurf71

  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 18
    • Profil anzeigen
Antw:Wenn auch die Psyche Krebs hat....
« Antwort #3 am: 13. Juni 2017, 10:20:26 »
Vielen lieben Dank für die Antworten. Es tut gut mit jemanden darüber zu reden / schreiben der weiß was man fühlt. Für meine Umwelt, also für meine gesunden Freunde, ist es nicht nachvollziehbar. Die denken dass ich nach dem guten MRT total glücklich bin und mein Leben so wie vorher ist. So habe ich es mir auch gewünscht. Aber leider bin ich davon noch sehr weit entfernt.

 Es gibt Augenblicke oder mal Stunden in denen ich mich wieder selber fühle und ein Glücksgefühl in mir aufkommt. Für diese kleinen Augenblicke lebe ich noch. Auch versuche ich mich generell am Riemen zu reißen, da mein Mann immer so arg mit mir leidet und ich sehe wie es ihm schlecht geht wenn es mir schlecht geht. Und wenn es meinen Mann schlecht geht, geht es mir auch schlecht, haha, super Kreislauf . Aber da muss ich einfach einen Weg für mich finden und auch mal professionelle Hilfe von außen annehmen, denke ich. Ich dachte ich schaffe es ohne, aber da habe ich mich wohl mal getäuscht.

Für mich ist am Krebs mittlerweile das seelische schlimmer als das Körperliche und das hätte ich früher nie gedacht!
Meine ganze Umwelt sagt in einer Tour zu mir wie stark ich bin! Geschissen drauf! Sorry, ist aber so. Diese ganzen Floskeln machen mich derzeit auch wahnsinnig. Immer dieses" das schaffst du schon-du bist ja stark" und dann steigen Sie in Ihr Auto und fahren heim und haben ihr Leben. Natürlich können Sie mir nicht helfen aber irgendwie macht es mich trotzdem wütend und ich kann es nicht in Worte fassen.

Aber ich habe mir fest vorgenommen mich in mein Leben zurück zu kämpfen!

Lieber Gruß von der Maulwürfin :-)
Auf der Suche nach dem “Warum“ ein “Egal“ gefunden

 



SMF 2.0.19 | SMF © 2022, Simple Machines
Hirntumor Forum © 1996-2022 hirntumor.de
Impressum | Datenschutzerklärung