HirnTumor-Forum

Autor Thema: Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore  (Gelesen 13139 mal)

Johanna Teig

  • Gast
Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« am: 07. April 2004, 15:19:46 »
Ulrichs Bemerkung mit den Friseuren hat mich auf die Idee gebracht, dazu doch einmal die Literatur zu durchsuchen.

Zuerst einmal die Ergebnisse für Gliome (Astrozytome, Oligodendrogliome, Glioblastome), denn da gibt es am meisten.

Auflistung der jeweils betroffenen Berufsgrupen

US Studie von 2000:
- Ärzte und Chirurgen
- Künstler
- Arbeiter in Gießereien und Schmelzereien
- Arbeiter in der Öl- und Erdgasindustrie
- Maler

Eine kanadische Studie über magnetische Felder und Gliome sieht einen signifikanten Zusammenhang zwischen Feldstärke+Aussetzungsdauer speziell für Glioblastom. Das würde insbesondere auch das (in anderen Foren mal angesprochene) Risiko für Mitarbeiter der S-Bahn erklären, denn dort sind die Feldstärken sehr hoch. Es würde natürlich auch Menschen betreffen, die direkt über einer S-Bahn-Linie wohnen.
(Ich will hier keine Panik verbreiten. Wenn die Feldstärke hoch ist, dann merkt man das auch, z.B. weil der Computermonitor jedesmal deutlich reagiert, wenn eine Bahn vorbeifährt.)

Schwedische Studie 2002
- Arbeiter mit Kontakt zu Arsen, Quecksilber und Petroleum

Schwedische Studie über Arbeiter in der Papierindustrie
- nur die Arbeiter, die an der Pulpe (Brei) arbeiten

US Studie 2003
- Fleischer und Fleischschneider
- Computerprogrammierer und -Analysten
- Elektriker
- Farmer und Farmarbeiter
- und andere

Ich habe aber nichts über Friseurinnen gefunden.
« Letzte Änderung: 07. April 2004, 15:20:57 von Johanna »

Jens

  • Gast
Re:Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« Antwort #1 am: 07. April 2004, 17:02:41 »
Hallo Johanna,

mit deiner recherche hast du gezeigt welche aussagen verschiedene statistiken bieten. (traue keiner statistik die du nicht selbst gefälscht hast) hier werden viele arbeitsbereiche als risikogruppen definiert. wenn man sich daran orientieren würde, blieben nur wenige berufe übrig. außerdem sind in der ersten studie auch ärzte und chirurgen genannt, und was machen wir dann?
also wirklich sollen wir dann auch keine s-bahn mehr fahren. mag ja sein das einige sachen "gefählicher" sind als andere aber insgesamt betrachtet kommt man kaum umhinn wenn man sich frei in der welt bewegt, oder isst: vgl. neue diskussion über rußige rückstände an fleisch usw. beim braten.
ich bin mir sicher das eine vielzahl von faktoren karzinogene wirkung haben, wenn es einen beruhigt kann man ja vom haare färben abstand nehmen.
ich hoffe ihr verzeiht mir meinen sarkasmus. ich nehme wirklich alle themen im forum ernst aber alle statistiken und studien sind mit vorsicht zu genießen.
bedenkt: aussagen über die lebenserwartung mit einer bestimmten tumorart ist auch "nur" eine statistik.

liebe grüße
Jens

Ulrich

  • Gast
Re:Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« Antwort #2 am: 07. April 2004, 20:46:00 »
Bitte keine unfairen Angriffe.

Die Statistiken, die Johanna recherchiert hat, sind von (wie mir scheint) seriösen wissenschaftlichen Institutionen und nicht von obskuren parapsychologischen Grüppchen.

So lange alle Welt im Dunkeln tappt über die Entstehung von Hirntumoren und immer nur "genetisch" argumentiert wird, bin ich froh, wenn sich jemand (in diesem Fall Johanna) daran macht, an den Wurzeln zu bohren und Informationen zusammen zu tragen.

Es sind Anhaltspunkte, die man verfolgen sollte. Vielleicht ist es "warme Luft", wer weiß. Aber eine so pauschale Verurteilung: "traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast", das geht mir doch sehr gegen den Strich.

Du hast kein inhaltliches Argument gegen auch nur eine einzige der zitierten Publiktionen gebracht. Hast Du nur die Abstracts oder auch die ganzen Publikationen gelesen? Bist Du Statistiker? Mit welchem wissenschaftlichen Background argumentierst Du?

Wir sind gespannt.

Jens

  • Gast
Re:Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« Antwort #3 am: 08. April 2004, 14:48:20 »
Hallo Johanna, hallo Ulrich,

sorry das ihr euch angegriffen fühlt. das war nicht meine absicht.
nein ich bin kein statistiker aber ich hab BWL studiert und habe da oft genug feststellen müssen das statistiken manipulierbar sind.
es stellt sich immer die frage mit welchem verfahren die signifikanten zusammenhänge zwischen ursache und wirkung ermittelt werden. außerdem hängt es auch daran wieviel leute befragt wurden, oder ob es eine einmalige oder eine wiederholte untersuchung war.

da du darauf hingewiesen hast das es sich um seriöse institute handelt möchte ich an dieser stelle keine bösartige absichten unterstellen. schließlich möchte man die ergebnisse sinnvoll nutzen.

meine aussage war lediglich: bei statistiken handelt es sich um mathematische verfahren, die ihren relgen folgen (folgen müssen) und aus diesem grund auch keine fehlerfreien ergebnisse erzielen können.
(Ich habe ja extra geschrieben das es eine sarkastische bemerkung war.)

ich möchte aber auch nicht alle statistiken von grund auf anzweifeln.
ich hab mir nun die studie etwas genauer angeschaut. Da hattest du wohl recht bevor man motzt sollte man mal
explizit auf die beispiele eingehen. Jetzt meine meinung dazu:

US studie: hier weist das institut direkt auf die möglichen und wahrscheinlichen fehler der erhebung hin.
Zitat: "Despite study limitations, including small numbers for many of the occupational groups, a high percentage of proxy respondents among cases, and lack of specific exposure information, associations were observed for several occupations previously reported to be at higher risk for brain tumors generally and gliomas specifically.";
Zudem wurde bei allen studien ein relativ niedriges signifikanzniveau zugrunde gelegt. (95 %).

Jetzt zu den ergebnissen: (wenn ich alles richtig verstanden habe, kann sein das mir aufgrund der tatsache das der artikel auf englisch war, ein fehler unterlaufen ist)

Odds ratio:
Die Odds und Odds Ratio sind eine Möglichkeit, Anteilswerte in Kreuztabellen auszudrücken und zu vergleichen. Man kann "Odds" mit "Chancen" und "Odds Ratio" mit "relative Chancen" übersetzen, es hat sich aber (bislang) auch in der deutschen Sprache eher der englische Begriff eingebürgert.

Die Odds Ratio ist nun ein Maß für die Stärke des Unterschieds zwischen zwei Gruppen (hier: zwischen patienten mit und patienten ohne Tumor je berufgruppe)   Die Odds Ratio kann daher als Zusammenhangsmaß aufgefaßt werden. Eine O.R. von 1 bedeutet, dass es keinen Unterschied in den Odds gibt, ist die O.R. >1, sind die Odds der ersten Gruppe größer, ist sie <1, sind sie kleiner als die der zweiten Gruppe.

hier ein Beispiel:

odds: patienten die lange in dem beruf arbeiten
   patienten die nicht in dem beruf arbeiten
kreuztabelle entsteht durch die anteile der erhebung bezüglich der auftretenden krankheit

Tumor   Arbeitet im Beruf   Arbeitet nicht im Beruf
Nein   40 %                              70 %
Ja   60 %                              30 %

Bsp:
Wahrscheinlichkeit keinen tumor zu bekommen wenn man in dem beruf arbeitet beträgt 40 : 60 =  0,66666
Oder die wahrscheinlichkeit einen tumor zu bekommen wenn man in diesem Beruf arbeitet beträgt (60 : 40) = 1,5

Wahrscheinlichkeit keinen tumor zu bekommen wenn man nicht in dem beruf arbeitet beträgt 70 : 30 = 2,3333
Oder die wahrscheinlichkeit einen tumor zu bekommen wenn man nicht in diesem Beruf arbeitet beträgt (30 : 70) = 0,43

1,5/0,43 = 3,5 d.h die wahrscheinlichkeit einen tumor zu bekommen wenn man in diesem beruf arbeitet als wenn man nicht dort arbeitet ist 3,5 mal höher.

1. examiners, graders, and testers (OR = 1.5; 95% CL: 0.8, 2.7)
hier bedeutet das: die wahrscheinlichkeit einen tumor zu bekommen liegt 1,5 mal höher als wenn man kein &#8222;
examiners, graders, and testers&#8220; ist.

Soviel zu den methoden.. der faktor 1.5 bei einem signifikanzniveau von 95 % bei geringer erhebungszahl.
Sie weisen außerdem darauf hin das es sich hier nur um einen ansatz handelt der weiterentwickelt werden soll. Aus diesen gründen bin ich von den ergebnissen der studie nicht 100%ig überzeugt und würde mich nicht auf diese stützen.

Ich hoffe das ich diesmal meine kritik ein bisschen besser dargelegt hab.
Und noch mal sorry für den etwas flapsige beitrag.

Lieber gruß
Jens
« Letzte Änderung: 08. April 2004, 18:50:33 von Ulrich »

Ulrich

  • Gast
Re:Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« Antwort #4 am: 08. April 2004, 18:53:27 »
Tja, genau so stelle ich mir eine fruchtbare Auseinandersetzung vor. Das ist richtig wohltuend.

Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich hab' was gelernt. Odds hielt ich seither für so etwas wie Wetten...

Wie ich schon schrieb: "vielleicht ist es heiße Luft". Aber wir, die wir betroffen sind oder auch "nur" Angehörige, wir sind halt wirklich sensibilisiert.

Wir bleiben dran.

Johanna Teig

  • Gast
Re:Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« Antwort #5 am: 24. April 2004, 17:53:23 »
Hi Jens,

wie schon gemailt, erst mal vielen Dank für deinen Beitrag. Konstruktive Kritik wie diese ist immer erwünscht. Danke auch für deine Erklärung der Odds Ratio. Werde es weiterverwenden.

Ich verstehe deine Skepsis gegen Argumentationen wie "dies macht krank" und "das macht krank" durchaus. Erinnert mich daran, dass mich neulich in der Fußgängerzone eine bekannte religiöse Gruppe mit einem Flugblatt über Nahrungsmittelzusätze ködern wollte. - So ist das aber nicht gemeint.

Umgekehrt ist es aber auch so, dass diejenigen, die jede Diskussion von Ursachen ablehnen (und da bist du jetzt nicht gemeint), irrational an einer Schicksalsschlag-These festhalten, die so interpretiert wird, dass es zu einem Tabu gemacht wird, nach Ursachen zu suchen. Die Klinikärzte unterstützen diese Haltung im allgemeinen.

Passend dazu sind alle angebotenen Therapien natürlich auch nicht ursachenbezogen, sondern symptombezogen.

Ich würde gerne dazu beitragen, diese Haltung aufzuweichen und die Diskussion in eine andere Richtung weiterbringen: zu einem Krankheitsmodell, das wissenschaftlich fundiert ist.

Dazu muss man eben erst mal schauen, was gibt es für Studien. Da ist der Bereich Ernährung, wo es nicht nur Studien, sondern sogar schon Metastudien über diese gibt. Die Informationen darüber, welche Substanzen bestimmte Gehirntumore fördern könnten, sind deshalb so wichtig, weil man daraus auf den gestörten Teil des Stoffwechsels rückschließen könnte (mit entsprechender Ausbildung, die ich nicht habe).

Bei mir reicht es leider nur zu einer vagen Vermutung in Richtung Fettstoffwechsel. Wenn jemand z.B. Tankwart war und jahrelang Benzindämpfe eingeatmet hat und dann an einem GBM erkrankt, dann scheint es mir (auf Basis meiner persönlichen Kontakte und Recherchen) sehr unwahrscheinlich, dass die Exposition und die Krankheit nichts miteinander zu tun haben.

Was mich auch immer wieder verwundert, ist, dass gerade diejenigen, die jede Ursachensuche ablehnen, am meisten an eine überzogene Wirksamkeit von kleinen Dosen irgendwelcher Vitamine glauben (soll nicht heissen, dass ich gegen Vitamineinnahme bin, nehme selber welche, erwarte aber nicht zuviel davon).

Ich fand besonders gut deine Aussage über Lebenserwartung. Bin schon 1989 von einem Professor mit den erstaunten Worten begrüßt worden, er hätte nicht geglaubt, dass ich noch lebe. Glaubt man den Statistiken über maligne Meningeome, hat er recht. Kann nur sagen: Es lebt sich hervorragend mit einer Lebenserwartung von -15 Jahren. Insofern bringen mich Statistiken nur zum Grinsen (hoffentlich noch lange, klopf auf Holz). DAS ist jetzt kein Widerspruch dazu, dass ich Statistiken anführe, sondern passt genau dazu: Ohne Krankheitsmodell ist doch jede Vorhersage völlig sinnlos.

Ein positives Beispiel für Krankheitsbewältigung ist für mich:
http://carbon.cudenver.edu/~bstith/loren.htm
Dort geht es zwar nicht um Gehirntumore, der Punkt ist die Art, wie die Eltern des Jungen an die Krankheit herangegangen sind.

Deine Skepsis bzgl. der einen Studie ist teilweise verständlich. Daher muss man sich eben mehrere Studien ansehen und vergleichen. Das ist teilweise schwierig, weil die Jobs, die es gibt, und die Bedingungen, die dort herrschen, von Land zu Land sehr unterschiedlich sein können. Das ist beim Thema Ernährung genauso.

Zu der US-Studie: Das "niedrige" Signifikanzniveau ergibt sich wohl aus der Anzahl der Testpersonen, oder missverstehe ich da etwas?
Sorry übrigens, dass die Info etwas knapp und daher auch missverständlich ist. Ich wollte einfach mal einen Anfang machen und sammeln, was es alles so gibt, zu mehr bin ich noch nicht gekommen.

Sag doch mal, ob du meine Einstellung so gesehen teilst. Auf welcher Grundlage triffst du deine Entscheidungen?

(siehe Forumsmotto)

Johanna

Jens

  • Gast
Re:Berufsgruppen mit höherem Risiko für Hirntumore
« Antwort #6 am: 26. April 2004, 14:43:19 »
Hallo Johanna,

du hast absolut recht schicksalsergebenheit ist mit sicherheit keine gute idee. und es wird mehr symthombehandlung durchgefürt als ursachenkämpfung. allerdings darf man nicht vergessen gute behandelde ärzte kämpfen mit aller kraft gegen diese schwere erkrankung, daher fehlt die zeit für ursachenforschung. diese wird an forschungsinstituten geleistet, zB DKFZ.

wir müssen darauf bauen das ärzte nur die neusten und geeignetsten behandlungsmethoden einsetzen.
In der forschung sind statistiken absolut notwendig. Bei sinnvollem einsatz lassen sich rückschlüsse ziehen und
Neue erkenntnisse gewinnen.
Ich selber glaube auch nicht daran das die krankheit auf einen faktor zurückzuführen ist, sondern mehrere ursachen hat. Letztendlich geht es in der Gegenwart um das wohlbefinden des patienten und die lebensqualität die auch in zukunft erhalten bleiben soll. Jeder muß daher selbst entscheiden was als mögliche ursachen in fragen kommen und die lebensweise und die innere einstellung daran anzupassen.

Ich habe mehr an meiner persönlichen einstellung gearbeitet (kam zT auch von alleine) als an meiner physischen verfassung, da es mir zZ körperlich relativ gut geht.
Ich habe beispielweise meine karriereambitionen zurückgeschraubt, meine freizeit ist mir zu wichtig und längere
Entspannungspausen nötig. Mit sicherheit könnte ich noch einiges mehr machen, allerdings fehlt mir dann doch die letzte Konsequenz. Hört sich wahrscheinlich nicht besonders gescheit an aber ich möchte auch richtig am leben teilhaben.(wg meiner epipepsie soll ich wenig fern sehen nicht am computer arbeiten und kein Stroboskoplicht ansehen, dann dürfte ich nicht in die disco u. müsste meinen job kündigen) Schließlich möchte ich nicht jede minute an meinen tumor erinnert werden. Die großen &#8222;gefahren&#8220; und leichtsinnigkeit lasse ich natürlich nicht außer acht.

Noch mal zu den statistiken:
Unter signifikanzniveau versteht man die irrtumswahrscheinlichkeit.
Die anzahl der befragten (untersuchten) patienten ist die stichtprobengröße von der auf die verteilung in der grundgesamtheit geschlossen wird.

Vgl. www.uni-bielefeld.de
Hat ganz gute seiten zur erklärung um statistiken besser zu verstehen.
(oder google: stichwort signifikanzniveau)

Liebe grüße
Jens

 



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