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Kummerecke / Re:Das Glück der anderen
« am: 21. September 2012, 08:45:22 »
Hallo Leute,
ich hab schon länger nicht mehr geschrieben. Meiner Mama geht es graduell immer schlechter. Gott sei Dank ist sie noch ansprechbar und auch bei Bewusstsein. Das Gehen macht mittlerweile immer mehr Schwierigkeiten. Durch das Kortison degeneriert die Muskulatur weiterhin. Wir versuchen wieder die derzeit 16 mg/d auszuschleichen. Beim ersten mal hatte sie schwere Kopfschmerzen und wir fuhren mit der Kortisongabe fort. Aktuell wird die Low-Dose-Therapie mit Themodal fortgeführt. Das Rezidiv des Glioblastoms wächst zum Glück nur sehr langsam. Zwei Jahre und einen Monat ist es nun her, dass sie am morgen unvermittelt umgefallen ist. Seitdem ist die Welt nicht mehr das, was sie einmal war. Ich habe mir vorgestern mit meiner Freundin zum ersten mal Fotos aus meiner Jugend angeschaut. Meine Mutter auf den Fotos zu sehen hat mich fertig gemacht. Sie war schlank und jung. Auf den Fotos lächelt ist. Steht da. Aufrecht. Heute kann sie kaum mehr die 50 m auf die andere Straßenseite laufen, wenn wir sie in unsere Wohnung bringen. Gepflegt wird sie derzeit bei meiner Oma.
Mein Bruder wurde vor anderthalb Jahren mit seinem Studium fertig. Seitdem pflegt er aufopferungsvoll meine Mutter. Ich sitze hier 250 km entfernt und arbeite. Jedes Wochenende fahr ich zu ihr und versuche meinem Bruder etwas beizustehen, für ihn und meine Mutter da zu sein. Der arme Junge ist nun langsam am Ende seiner Kraft. Er hockt jeden Tag mit meinen manchmal sehr schwierigen Großeltern auf einem Haufen und kümmert sich auf herzzerreißend liebevolle Art um unsere Mama. Dies werde ich nie zurückzahlen können. Er hat sich die ganze Zeit nie beklagt. Nur langsam geht auch ihm die Puste aus. Natürlich geht es auch mir nicht gut. Aber im Vergleich zu ihm habe ich ja zumindest noch die Arbeit als Ausgleich und kann unter der Woche tun, was ich will.
Wir dachten alle, dass die Prognosewerte für die ihr verbleibende Zeit stimmen. Zum Glück geht es ihr noch recht gut und sie ist bei uns. Allerdings müssen wir unseren Alltag organisieren, damit auch mein Bruder und ich unser Leben fortführen können. Es klingt vielleicht komisch, aber die Krankheit meiner Mutter habe ich bereits verarbeitet. Ich habe sie akzeptiert und mache mir keine Illusionen. Aber dass das Leben meines 25 Jahre alten Bruders dadurch auf so negative Art und Weise durcheinandergeworfen wird, macht mir noch größere Sorgen.
Mein Vater ist 55 und noch weit von der Rente entfernt. Was mir und meinem Bruder sauer aufstößt, ist, dass er eigentlich mehr bei ihr sein sollte. Er wird auch nicht fertig damit. Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit ihm. Er sagt, wenn es nicht mehr anders geht wird er kündigen und sich Vollzeit um sie kümmern. Die Machtlosigkeit und Hilflosigkeit ist so schlimm. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Am liebsten würde ich selbst kündigen und mich um sie kümmern. Ich kann es aber nicht. Ich habe vor so vielem Angst. Was sollen wir tun, wenn sie in die präfinale Phase kommt? Wird sie leiden? Wird sie Schmerzen haben? Muss ich als Sohn nicht ständig bei mir sein? Bin ich nicht egoistisch, wenn ich es meinem Bruder zumute, dass er sie pflegt. Ich wache mit einem schlechten Gewissen auf und gehe mit einem schlechten Gewissen ins Bett.
Ich habe diese Thema mit dem Titel " Das Glück der anderen" gestartet. Als ich auf die Fotos gesehen habe, wurde mir klar, dass ich selber glücklich war. Allerdings war ich mir dieses Glückes erst bewusst, als die Krankheit meiner Mama in unserem Leben einschlug.
Euch allen meine besten Wünsche und Gebete
evlat
ich hab schon länger nicht mehr geschrieben. Meiner Mama geht es graduell immer schlechter. Gott sei Dank ist sie noch ansprechbar und auch bei Bewusstsein. Das Gehen macht mittlerweile immer mehr Schwierigkeiten. Durch das Kortison degeneriert die Muskulatur weiterhin. Wir versuchen wieder die derzeit 16 mg/d auszuschleichen. Beim ersten mal hatte sie schwere Kopfschmerzen und wir fuhren mit der Kortisongabe fort. Aktuell wird die Low-Dose-Therapie mit Themodal fortgeführt. Das Rezidiv des Glioblastoms wächst zum Glück nur sehr langsam. Zwei Jahre und einen Monat ist es nun her, dass sie am morgen unvermittelt umgefallen ist. Seitdem ist die Welt nicht mehr das, was sie einmal war. Ich habe mir vorgestern mit meiner Freundin zum ersten mal Fotos aus meiner Jugend angeschaut. Meine Mutter auf den Fotos zu sehen hat mich fertig gemacht. Sie war schlank und jung. Auf den Fotos lächelt ist. Steht da. Aufrecht. Heute kann sie kaum mehr die 50 m auf die andere Straßenseite laufen, wenn wir sie in unsere Wohnung bringen. Gepflegt wird sie derzeit bei meiner Oma.
Mein Bruder wurde vor anderthalb Jahren mit seinem Studium fertig. Seitdem pflegt er aufopferungsvoll meine Mutter. Ich sitze hier 250 km entfernt und arbeite. Jedes Wochenende fahr ich zu ihr und versuche meinem Bruder etwas beizustehen, für ihn und meine Mutter da zu sein. Der arme Junge ist nun langsam am Ende seiner Kraft. Er hockt jeden Tag mit meinen manchmal sehr schwierigen Großeltern auf einem Haufen und kümmert sich auf herzzerreißend liebevolle Art um unsere Mama. Dies werde ich nie zurückzahlen können. Er hat sich die ganze Zeit nie beklagt. Nur langsam geht auch ihm die Puste aus. Natürlich geht es auch mir nicht gut. Aber im Vergleich zu ihm habe ich ja zumindest noch die Arbeit als Ausgleich und kann unter der Woche tun, was ich will.
Wir dachten alle, dass die Prognosewerte für die ihr verbleibende Zeit stimmen. Zum Glück geht es ihr noch recht gut und sie ist bei uns. Allerdings müssen wir unseren Alltag organisieren, damit auch mein Bruder und ich unser Leben fortführen können. Es klingt vielleicht komisch, aber die Krankheit meiner Mutter habe ich bereits verarbeitet. Ich habe sie akzeptiert und mache mir keine Illusionen. Aber dass das Leben meines 25 Jahre alten Bruders dadurch auf so negative Art und Weise durcheinandergeworfen wird, macht mir noch größere Sorgen.
Mein Vater ist 55 und noch weit von der Rente entfernt. Was mir und meinem Bruder sauer aufstößt, ist, dass er eigentlich mehr bei ihr sein sollte. Er wird auch nicht fertig damit. Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit ihm. Er sagt, wenn es nicht mehr anders geht wird er kündigen und sich Vollzeit um sie kümmern. Die Machtlosigkeit und Hilflosigkeit ist so schlimm. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Am liebsten würde ich selbst kündigen und mich um sie kümmern. Ich kann es aber nicht. Ich habe vor so vielem Angst. Was sollen wir tun, wenn sie in die präfinale Phase kommt? Wird sie leiden? Wird sie Schmerzen haben? Muss ich als Sohn nicht ständig bei mir sein? Bin ich nicht egoistisch, wenn ich es meinem Bruder zumute, dass er sie pflegt. Ich wache mit einem schlechten Gewissen auf und gehe mit einem schlechten Gewissen ins Bett.
Ich habe diese Thema mit dem Titel " Das Glück der anderen" gestartet. Als ich auf die Fotos gesehen habe, wurde mir klar, dass ich selber glücklich war. Allerdings war ich mir dieses Glückes erst bewusst, als die Krankheit meiner Mama in unserem Leben einschlug.
Euch allen meine besten Wünsche und Gebete
evlat