HirnTumor-Forum

Autor Thema: Wie geht's weiter?  (Gelesen 12284 mal)

hillibritt

  • Gast
Wie geht's weiter?
« am: 21. April 2008, 14:08:12 »
Hallo,

ich bin neu hier im Forum und suche Unterstützung in einer für mich und meine Familie sehr aufreibenden Zeit: Bei meiner Mutter wurde ein Glioblastom operativ entfernt, doch lest selbst:

Am 10.03.08 wurde meine Mutter mit Verdacht auf Schlaganfall in die Föhrenbachklinik in Bedburg-Hau eingeliefert. Sie hatte extreme Sprachschwierigkeiten, jedoch keine Bewegungseinschränkungen. Ebenso klagte sie seit einigen Wochen über nächtliche Kopfschmerzen. Am 11.03.08 – nach einem CT – kam dann die Hiobsbotschaft: „Etwas Raumfüllendes im Gehirn – sehr wahrscheinlich ein Tumor!“

Einen genaueren Aufschluss über Beschaffenheit des „Raumfüllers“ sollte dann in Klinikum Krefeld ein MRT und eine Biopsie bringen. Dort hieß es dann: „Ja, es ist ein Tumor, der  liegt aber so, dass er komplett entfernt werden kann!“ Für meine Mutter war es erst ein Schock. Sie dachte, mit 2-3 Tabletten wäre das Thema aus der Welt. Ich habe sie dann davon überzeugen können, dass die Nachricht über die Möglichkeit der OP gut sei.

Also: ca. 3-stündige OP am 03.04.08 und alles lief glatt. Sie kam planmäßig für eine Nacht auf die Intensivstation zu Überwachung, das Kontroll-CT war in Ordung und so konnte Sie am Vormittag des 04.04.08 umziehen in ihr altes Zimmer. In den Tage darauf war sie fast die Alte: Sprach hervorragend (hier und da fehlten noch einige Vokabeln – aber im Wesentliche viel besser als vor der OP), freute sich auf unseren Besuch usw. usw.

Dann kam der Einbruch: Am Freitag den 11.04.08 wurde uns zunächst mitgeteilt, sie können am Montag nach Hause und werde zur ambulanten Bestrahlung angemeldet. (Übrigens: Der Laborbefund lag noch immer nicht vor!). Freitagnachmittag ging dann plötzlich gar nicht mehr:  Keine Sprache, kein Interesse, kein Essen – einfach gar nichts mehr! Die Ärzte waren – wie eigentlich ständig in Krefeld – gar nicht zu erreichen, selbst telefonisch nicht. Vom Pfleger bekam ich dann die patzige Antwort: „Ja natürlich wird sie am Montag entlassen. Für den Rest ist der Hausarzt zuständig.“ Am Sonntag wurden mein Vater und ich doch dann mal zu Gespräch mit einem der Ärzte zitiert. Der begann mit den Worten (wie gesagt: ein Laborergebnis lag uns bis dato noch nicht vor!): „Ach ist gar nichts Schlimmes. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir Ihre Mutter besser wieder zurück nach Bedburg-Hau verlegen.“ Die Biopsie hätte gezeigt, dass es sich um einen aggressiv-schnell wachsenden Tumor handle. Auf meine Nachfrage, warum denn Biopsie, wir dachten der Tumor sei entfernt worden, eröffnete man uns, dass immer mikroskopische Restmengen verbleiben würden und so also nur von einer erweiterten Biopsie und nicht von Entfernung die Rede sein könne. Man wolle nun die Patientin nicht durch ambulante Therapien mehr quälen als nötig.

Also, am 16.04.08 wurde sie im desolaten Zustand zurück nach Bedburg-Hau gebracht: Ein riesiges Ödem hatte sich gebildet, das an allen Ecken und Kanten im Kopf drückte. Abends wurde uns dann mitgeteilt, dass man noch nicht 100% sicher sei (wg. des Ödems), aber dass wahrscheinlich der Tumor in den 2 Wochen seit der OP wieder extrem gewachsen sei. Unterlagen aus Krefeld lagen – nebenbei bemerkt – zu dem Zeitpunkt noch nicht vor. Wir sollten in den nächsten Wochen mit dem Schlimmsten rechnen. Wahrscheinlich wäre auch die Wirkung von Bestrahlung nur von sehr kurzer Dauer. Am Freitag lagen in Bedburg-Hau dann die Laborergebnisse vor: Glioblastom. Und somit keine Verbesserung der Prognose.

Durch das schnelle Eingreifen in Bedburg-Hau ist meine Mutter seit Freitag auch wieder recht guter Dinge und sieht der Bestrahlung, die jetzt doch stationär in Bocholt gemacht werden soll, positiv entgegen. Sie isst wieder richtig und zeigt Mut. Allerdings haben wir ihr die Diagnose noch nicht mitgeteilt, da sie halt wie beschrieben alles andere als aufnahmefähig war.

In der letzten Woche, da alles so schlecht aussah, dachten wir (so hart es klingt): Hoffentlich muss sie nicht so lange leiden! Doch nun sieht für sie die Welt wieder besser aus und sie schaut positiv in die Zukunft.

Hat jemand Erfahrung, wie wir als Angehörige mit der Situation umgehen können? Sollen wir die Diagnose zunächst noch für uns behalten? Zur Info: Meine Mutter war schon immer sehr labil. Wir machen uns Sorgen, dass sie die Nachricht nicht verkraften würde!


Ulrich

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #1 am: 21. April 2008, 15:21:34 »

Hat jemand Erfahrung, wie wir als Angehörige mit der Situation umgehen können? Sollen wir die Diagnose zunächst noch für uns behalten? Zur Info: Meine Mutter war schon immer sehr labil. Wir machen uns Sorgen, dass sie die Nachricht nicht verkraften würde!

Du kannst ein paar andere Beiträge zum Thema durchlesen, diese Frage wurde schon öfter diskutiert.

http://www.mc600.de/forum/index.php?board=22;action=display;threadid=2014

Wie Ihr damit umgehen sollt / könnt / müßt, das ist Eure Sache, aber ein paar Dinge möchte ich klarstellen:

• Man darf niemand belügen. In so einer Extremsituation erst recht nicht. Auf wen soll ich mich denn verlassen können, nachdem ich (als Patient) mit Todesängsten konfrontiert werde? Doch wenigstens auf meine Kinder... Wenn Deine Mutter konkret und ausdrücklich frägt, wie es um sie steht, dann soll sie auch eine klare Antwort bekommen. Wenn sie nicht so deutlich frägt, dann muß man ihr die Wahrheit auch nicht aufdrängen. Es gibt unterschiedliche Mnschentypen, die einen wollen es genau wissen, egal, wie die Diagnose aussieht (ich bin so ein Typ), die anderen stecken lieber "den Kopf in den Sand". Und vielleicht gibt es auch noch Zwischentypen. Das muß man "abtasten".

• Es sollte nicht die Aufgabe der Angehörigen sein, dem Patienten die Diagnose beizubringen. Die Ärzte sollen sich nicht "drücken", auch wenn die meisten Neurochirurgen (die ich kenne) keine großen "Helden" in Psychologie sind, es ist ihr Job, überlaßt das dem Arzt.

• Die Angehörigen sind mit so einer Diagnose genauso "herausgefordert", mit Existenzängsten konfrontiert wie der / die Betroffene. Jeder braucht auf seine Weise Hilfe, unser Forum kann vielleicht einen kleinen Teil beitragen.

hillibritt

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #2 am: 21. April 2008, 15:47:43 »
Hallo Ulrich,

ich danke Dir sehr für Deine Einschätzung! Ich sehe es auch so, dass gerade in solchen Situationen Feingefühl gefragt ist. Aber nach der Vorgeschichte möchten wir hier doch den Ärzten nicht zu sehr das Ruder in die Hand geben. Wie gesagt: Meine Mutter ist sehr labil und wir machen uns Sorgen, dass sie derzeit mit der Diagnose schlicht und ergreifend nicht klar kommt.

Ich gebe Dir natürlich Recht, dass sie über die Diagnose informiert sein muss!

Wie gesagt, ich bin noch relativ im Anfangsstadion was mein Wissen betrifft. Klar habe ich gelernt, dass die Krankheit früher oder manchmal auch später tötlich verläuft. Wie ist Deine Einschätzung was die Bestrahlung betrifft? Kann von Beginn eigentlich abgesehen werden, ob eine Verbesserung erreicht werden kann, oder kann ein Neurologe anhand der Diagnose bereits feststellen, dass "Alles nichts mehr bringt"?

Offline heifen

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Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #3 am: 21. April 2008, 16:19:45 »
hallo macci
gebe ulrich voll recht...wie labil oder stark deine mutter ist, weisst du nicht...vielleicht ueberrascht sie euch mit einem kampfgeist, den ihr nicht erwartet...aber da es erstlich um sie geht, muss sie entscheiden, wie sie mit ihrer krankheit umgehen will, das muss und darf nur sie selbst entscheiden...ihr werdet ihr dann beistehen, was fuer eine haltung sie auch annimmt...nicht kritisieren, nur dasein...ich glaube, das ist das beste, was ihr fuer sie tun koennt
bacio
heifen

Ulrich

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #4 am: 21. April 2008, 17:38:52 »
Wie ist Deine Einschätzung was die Bestrahlung betrifft? Kann von Beginn eigentlich abgesehen werden, ob eine Verbesserung erreicht werden kann, oder kann ein Neurologe anhand der Diagnose bereits feststellen, dass "Alles nichts mehr bringt"?

Darauf ist schwierig zu antworten. Sicher kann ein Neurochirurg oder Neurologe anhand der MRT-Bilder sagen, diese oder jene Lage des Tumors ist mehr oder weniger ungünstig. Aber was bedeutet das für den Einzelfall?

Ich hatte einen Kollegen (mit dem ich einige Zeit das Büro teilte), der hatte ein Glioblastom am Hirnstamm. Er liess gar nichts machen, keine OP, keine Bestrahlung. Er starb nach einem halben Jahr.

Was die Bestrahlung anbetrifft, es gibt da zwei Ansätze, einen kurativen (also "heilenden") bzw. einen palliativen (also "lindernden"). Da mußt Du Dich halt informieren.

Zu der Frage im ersten Beitrag ("wie sollen wir es ihr beibringen") noch ein Hinweis (auch wenn Dir vielleicht jetzt nicht danach ist, vielleicht interessiert es jemand anders?). Ein Filmtipp: In dem Film "Kirschblüten - Hanami" wird so eine Situation geschildert, eine Frau erfährt von drei Ärzten, daß ihr Mann unheilbar krank ist, sie soll es ihm beibringen. Sie versucht, ihn noch zu allerlei Aktivitäten zu animieren, die Kinder zu besuchen, ans Meer zu fahren, letztlich stirbt sie vor ihm... Es war (für mich jedenfalls) ein ganz anrührender Film. http://www.kirschblueten-film.de/

Ich weiß, ich weiß, das war jetzt "off-topic".

Akya

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #5 am: 21. April 2008, 18:00:36 »
hallo macci

ich kann die Beiträge von Ulrich und heiffen nur bestätigen. Ich kenne beide Seiten, habe die Situation als Angehörige (Tochter) erlebt und jetzt erlebe ich sie als Patientin.

Meine Mutter war, wie Ulrich es ausdrückt, der Typ "Kopf in den Sand", nur nicht darüber nachdenken oder reden.

Ich will alles wissen, egal wie das Ergebnis lautet. Aber dann weiss ich, wo ich stehe, kann mich mit der Situation auseinandersetzen und sie verarbeiten und ich kann entscheiden, was für mich das beste ist, natürlich immer im Team mit der Familie und den Ärzten. Ich rede auch mit meinen Freunden offen darüber. Es hilft mir für die Verarbeitung und es nimmt meinem Umfeld die Hilflosigkeit, wie sie einem Mensch mit solch einer Krankheit begegnen sollen.
Du siehst: 2 Menschen, sogar in einer Familie und zwei ganz verschiedene Verhalten.

Die Diagnose, Infos über verschiedene Möglichkeiten von Therapien etc., muss ganz klar von den Ärzten kommen. Es sind einfach Tatsachen, die auf eine menschliche, aber sachliche Weise herüber kommen müssen. Wie der Betroffene reagiert, ist nicht vorhersehbar. Die Angehörigen, d.h. ihr seid dann da, um eure Mutter aufzufangen, die Krankheit mit ihr zu tragen, sie im Kampf dagegen zu unterstützen, aber ohne sie zu irgend etwas (Therapie, etc.) zu drängen. Entscheiden muss sie selbst.

Und noch etwas:
niemand kann sagen, ob(wie du es nennst) "alles nichts mehr bringt". Kein Arzt ist Hellseher. Es ist nichts voraussehbar, deshalb muss man den Kampf ansagen!
"Wer nicht kämpft, hat schon verloren!"

Ich wünsche euch allen viel Kraft, um mit dieser neuen Situation umgehen zu können.

Gruss Akya

hillibritt

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #6 am: 22. April 2008, 09:51:39 »
Hallo,
ich danke Euch allen für die aufmunternden Worte!
Ich habe gestern noch mal mit der Ärztin gesprochen. Sie sagte mir, dass sich die Lage im Vergleich zur letzten Woche erheblich gebessert habe, weswegen man sich doch entschlossen habe, eine Bestrahlung durchzuführen. Ihr Zustand sei in der letzten Woche auf Grund des Ödems sehr bedrohlich gewesen. Erstaunlich, dabei kam sie schließlich aus einer Klinik!?!?!?
Meine Mutter wird also heute nach Bocholt verlegt (erst mal stationär).
Ich denke, dass ich - sobald sie dort eingeliefert ist - Kontakt mit den Ärzten aufnehme und mir dort nochmal alles erklären lasse: Ich fühle mich vom Klinikum Krefeld absolut schlecht informiert. Mittlerweile traue ich auch dem Labor- und OP-Bericht nicht mehr wirklich!
Vielleicht ist es ja ein Strohhalm, an den ich mich klammere! Dennoch fehlt mir zur Zeit wirklich noch der Durchblick!

Akya

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #7 am: 22. April 2008, 12:10:56 »
Vielleicht ist es ja ein Strohhalm, an den ich mich klammere!
Hallo Macci

Wir klammern uns hier alle an einen Strohalm, sonst wären wir schon lange untergegangen. Und manchmal wird aus einem Strohhalm eine Pflanze, an der die/der eine oder andere hochklettern und zum Ufer gelangen kann, wo man noch eine ganze zeitlang, oft Jahre leben kann. Sorry, aber ich denke immer in Bildern. ;)

Gestern hast du noch geschrieben "Kann von Beginn eigentlich abgesehen werden, ob eine Verbesserung erreicht werden kann, oder kann ein Neurologe anhand der Diagnose bereits feststellen, dass "Alles nichts mehr bringt"?" - und heute geht es deiner Mutter viel besser. Es ist schön das lesen. :) Du siehst, die Ärzte können auch nur Prognosen machen. Manchmal haben sie damit Recht, in vielen Fällen kommt es aber doch ganz anders. Wenn man keinen Sinn darin sähe, würde man auch keine Bestrahlung in Erwägung ziehen.

Also nie denken, macht es noch Sinn? Immer am Strohalm (Hoffnung) festhalten!

Noch ein Tip:
lass dir in der neuen Klinik alles bis ins Detail erklären und frage alles, wenn nötig hundert Mal dasselbe, bis es für dich klar ist. Und bestehe auf die Erläuterung der Aufnahmen! Aller Aufnahmen, vor und nach der OP!

Gruss Akya

hillibritt

  • Gast
Re:Wie geht's weiter?
« Antwort #8 am: 22. April 2008, 14:49:07 »
Hallo Akya,

mir gefällt Deine Bildersprache sehr gut und ja, ich glaube ich denke zu negativ. Nach der Diagnose hatte ich wahrscheinlich schon zu sehr abgeschlossen. Ich werde mich bessern!  ;)

Bei dem Telefonat gestern mit der Ärztin wurde ich zwar nochmals darauf hingewiesen, dass es meiner Mutter wieder viel besser gehe, jedoch der maligne Tumor natürlich nach wie vor da sei. Ich bin jedenfalls froh, dass was getan werden kann – wie auch immer es jetzt weitergeht. Meine Hoffnungen liegen in der Kompetenz der Radiologen und Onkologen in Bocholt. Ich werde so schnell wie möglich Kontakt aufnehmen, um hier auf dem Laufenden zu bleiben!

Danke fürs Erste für Deine netten Worte - ich werde berichten, sobald es Neuigkeiten gibt! Nachfragen werde ich diesmal ganz bestimmt intensiver als vorher - nach der Erfahrung in Krefeld!!!!!

 



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