HirnTumor-Forum

Autor Thema: Langer Leidensweg (Neurinom)  (Gelesen 13977 mal)

Juergen001

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Langer Leidensweg (Neurinom)
« am: 05. Januar 2008, 16:00:50 »
Liebe Forenmitglieder, -

zuerst einmal ein gutes Neues Jahr und vor allem Gesundheit.

Puh, ich weiss nicht so recht wie ich anfangen soll. Erst einmal bin ich froh, dieses Forum gefunden zu haben, denn es ist sicherlich gut, sich auszutauschen und Ratschläge zu bekommen.

Mein Name ist Juergen und ich bin knapp 49 Jahre jung. Seit mehreren Jahren quäle ich mich mehr schlecht als recht durch den Alltag. Starker Tinitus und Höraussetzer rechts, Drehschwindel, morgens Übelkeit usw. und so fort. Alles in allem betrachtet ein ziemlich diffuses Krankheitsbild. Erschreckend ist die Tatsache, dass ich auch eine Wesensänderung durchmachte. Ich zog mich völlig zurück, reagierte teilweise sehr agressiv, wurde von Suizidgedanken gequält. Ganz das Gegenteil von meiner eigentlichen Natur. Ich bin vom Beruf her Kommunikationswissenschaftler und Psychologe und war immer als freier Dozent tätig. Also sehr kommunikativ, vorwärtsschauend und positiv orientiert. Ich liebe meinen Beruf über alles.

In 2007 wurde dann die Diagnose schwere Depression und Angststörung gestellt. 4 Monate Klinikaufenthalt. Moderne Serotonin,- und Noradrenalinwideraufnahmehemmer vertrug ich absolut nicht. Die Einnahme dieser Mittel endete stets auf der Rettungsstation. Sehr zum Leidwesen der behandelnden Ärzte, die mir unterschwellig unterstellten, ich wehre mich gegen Arzneimittel. Alte trizyklische Antidepressiva vertrug ich gut. Die Wochen und Monate vergingen. An den Symptomen veränderte sich nichts. Der Drehschwindel wurde bei den Psychos zur Depersonalisierung umgemünzt und der Tinitus wurde psychosozial erklärt. Schlussendlich wurde ich so entlassen wie ich eingeliefert wurde.

Im nachhinein betrachtet habe ich den behandelnden Ärzten genau die Symptome benannt, die auf einen Tumor schliessen lassen - sofern man über den Tellerrand hinausschaut.

Mir wurde schlussendlich eine HNO Ärztin empfohlen, die sehr gewissenhaft vorging. Halswirbelsäule untersucht - alles ok. Gefässe untersucht - alles ok. BERA Untersuchung - nicht eindeutig. MRT mit Kontrastmittelgabe - siehe da...ein Neurinom. Es ist etwa 1 cm gross und liegt direkt am Gleichgewichtsnerv. Ich habe vergangenen Donnerstag die Diagnose erhalten. Nächste Woche bespreche ich mich mit der HNO Ärztin.

Die Gefühlslage ist zweischneidig. Zum einen bin ich froh, das endlich - nach Jahren - die Ursache der Beschwerden gefunden wurde. Andererseits habe ich natürlich Schiss vor dem was da kommt.

Weiss jemand aus der Runde wer in Berlin auf AN´s spezialisiert ist? Ich möchte nämlich mehrere Meinungen hören, bevor ich eine Entscheidung fälle.

Lieber Gruss
Juergen
« Letzte Änderung: 05. Januar 2008, 16:08:05 von Ulrich »

Offline Ciconia

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #1 am: 06. Januar 2008, 19:00:21 »
Herzlich willkommen im Forum, Juergen!

Aus dem Raum Berlin komme ich nicht, aber die lange Vorgeschichte erinnert mich doch ein wenig an die Meinige.
Erstaunlicherweise hatte ich ähnliche Symptome: Schwindel, Hörstörungen nur zeitweise, starker Tinnitus und die depressionsähnlichen Symptome. Mein damaliger Hausarzt verschrieb mir erst Johanniskraut und dann Insidon. Damit ging es einige Monate- nach dem Absetzen wurde alles wieder schlimmer und ich wurde 2mal auf Hörsturz behandelt, einmal davon in der Klinik. Erst der dritte HNO nach ca. 1,5 Jahren heftiger Beschwerden kam auf die Idee, dass auch ein Tumor dahinter stecken könnte - MRT. Mein Tumor war schon 3,1 cm groß im Druchmesser und hatte das Stammhirn stark komprimiert, eine Erklärung auch für die häufige starke Übelkeit und Atemprobleme (das hatte man auch der angeblichen Depression zugeordnet).

Glücklicherweise ist dein Tumor nicht so groß und du kannst dich in Ruhe informieren und dir ev. auch mehrere Kliniken anschauen. Vielleicht kommt ja sogar in Betracht, erstmal einige Monate zu warten und dann zu entscheiden, ob der Tumor raus muß? Einige Betroffene hier machen das so.

Mein Tumor stellte sich schließlich als Meningeom im Kleinhirnbrückenwinkel heraus und ich hatte bereits 2 OP´s (Meningeome haben häufig die Neigung zu Rezidiven).

Nun wünsche ich dir, dass sich noch einige Betroffene aus dem Raum Berlin melden. Ev. kannst du ja auch mal im Meningeombereich lesen.
Von Scharlotte weiß ich, dass sie aus dem Raum Berlin kommt und ein AN hat. Im Moment ist sie infolge Umzugs leider nicht online.

LG
Ciconia
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Offline Jo

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #2 am: 06. Januar 2008, 21:01:01 »
Hallo Jürgen,

die Charite hat einen guten Ruf. Vielleicht kann sie eine erste  Anlaufstelle für dich
sein.
http://www.neurochirurgie-berlin.com/patienten/neurinom.html



Lieben Gruß, Jo

Juergen001

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #3 am: 07. Januar 2008, 08:37:32 »
Hallo Cicinia, hallo Jo,

vielen Dank für eure Antworten. Den Tipp mit der Charite greife ich gerne auf.

Ich habe mir bei meiner Krankenkasse eine Liste der bundesweit spzialisierten Ärzte angefordert. Die DAK hat einen derartigen Service. Mal sehen, was die schreiben.

Wie ich vielen Berichten entnommen habe, haben die meisten Betroffenen einen sehr langen Krankheitsverlauf hinter sich, bevor die Ursache gefunden wurde. Was ich als besonders schlimm empfinde, ist die Wesensveränderung, die ich bei mir beobachten konnte. Teilweise wurde ich sehr introvertiert und zog mich völlig aus den normalen Leben zurück, teilweise reagierte ich auf Ansprachen sehr agressiv. Meist war ich jedoch ein Häufchen Elend.

Besonders schlimm war der soziale Abstieg. Als freier Dozent fällt man direkt auf Hartz 4 durch, sofern man keine Lehraufträge mehr hat. Eine jahrelange Beziehung ging zu Bruch. Alles in allem ist also fast der Nullpunkt erreicht. In einer derartigen Situation klaren Kopf zu bewahren und trotz der Widrigkeiten mit kleinen Schritten vorwärts zu gehen ist sehr schwer und musste auch erst einmal gelermt werden.

In den letzten 24 Monaten hat der Drehschwindel starke Ausmaße angenommen. Wenn ich gelegen habe und aufstehe, brauche ich etwa 1 Stunde, bis ich halbwegs gerade laufen kann. Teilweise kann ich mit den Augen keinen festen Punkt fixieren, sie rollen einfach kreisförmig.

Ciconia schrieb von ihrer Behandlung mit Insidon. Insidon und artverwandte (Opipramol, Mirtazapin) vertrage ich auch gut. Diese Wirkstoffe wirken leicht sedierend und erleichtern ungemein. Sie sind auch meistens gut verträglich. Abhängigkeiten treten nicht auf, man sollte nur ein plötzliches absetzen vermeiden. Also langsam ausschleichen lassen. Regelmässiges Blutbild anfertigen lassen (Leberwerte).

So, jetzt torkel ich erst einmal zu meiner Hausärztin -  ;)

Lieber Gruss - Juergen

Juergen001

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #4 am: 16. Januar 2008, 18:04:55 »
So... - heute war ich nun in der Charité - genauer in der neurochirugischen Poliklinik. MRT Aufnahmen wurden begutachtet, Krankengeschichte aufgerollt, Gleichgewichtstest, etc.

Von einer OP wird mir abgeraten. Grösse des Tumors spricht eher für eine Strahlentherapie. Entsprechende Beratung folgt in der kommenden Woche.

Die Charité bietet die Novalis Shaped Beam Surgery an. Strahlenbiologisch soll die der Cyberknife Methode sehr nahe sein.

Kann jemand aus der Runde etwas zu Novalis berichten?

LG Juergen

Ulrich

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #5 am: 16. Januar 2008, 18:14:31 »
Vier Mitglieder berichteten von dieser Bestrahlung. Du kannst die Beiträge entweder über das Stichwort >Novalis< suchen (es kommt auch ein schönes Gedicht von dem Herrn Hardenberg, genannt Novalis), oder aber Du suchst Dich durch die Beiträge folgender Mitglieder:

conny01
thxbln
Ihope
iraG

Schreibe die Mitglieder über PM an, dann könnt Ihr Euch noch detaillierter austauschen.

Offline Jo

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #6 am: 17. Januar 2008, 08:08:49 »
Hallo Juergen,
Zitat
Grösse des Tumors spricht eher für eine Strahlentherapie

das soll wohl heissen, dass das Neurinom noch sehr klein ist.

Bei zu grossen Tumoren bringt eine Bestrahlung nichts, aber, dass eine Op bei zu kleinen Tumoren nicht gemacht wird, hab ich noch nie gehört.

Gründe für eine Bestrahlung gibt es viele,  nur "weil die Grösse noch stimmt" , ist einwenig dürftig.
Viele müssen bei einem Rezidiv oder wegen der komplizierten Lage eine Bestrahlung angehen und mögliche Nebenwirkungen in Kauf nehmen, die über Jahrzehnte noch gar nicht richtig abgeschätzt werden können.

Wichtig wäre, ob eine Op kompliziert wäre, was für Komplikationen oder Schäden wären zu erwarten, oder ist der Tumor relativ gut zugänglich, könnte er komplett entfernt werden...?

Neurinome bilden sehr selten Rezidive, einmal operiert hat man sie normalerweise los.
Wenn du selber eine Op nicht von vorne herein ausschließt, würde ich mir noch mindestens die Meinung eines guten Neurochirurgen anhören bevor ich das Thema Op zu den Akten legen würde.
Lieben Gruß, Jo

Offline Ciconia

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #7 am: 17. Januar 2008, 13:34:58 »
http://www.mc600.de/forum/index.php?board=39;action=display;threadid=2502;start=20

Hier berichtet Klaus ganz aktuell über seine Cyberknifebestrahlung.
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Offline jura

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #8 am: 18. Januar 2008, 09:43:41 »
Hallo Jürgen,

der AN bei meinem Sohn war auch noch sehr klein, nur wenige Millimeter groß.
Der Winzling hatte allerdings schon so großen Schaden angerichtet, dass er entfernt werden musste.

Wir hatten uns mehrere Meinungen angehört. Alle hatten uns zu der Cyberknife Bestrahlung geraten.  Wir wohnen im Raum München.
Beim Cyberknife zerstören die Strahlen nur den Tumor, das gesunde Gewebe drumherum wird geschont. Novalis funktioniert ja ähnlich.
Mein Sohn hat die Bestrahlung sehr gut überstanden. Er hatte keinerlei Nebenwirkungen.

Egal für welche Behandlung Du Dich entscheidest, ich wünsche Dir gute Besserung und dass Du ganz schnell wieder auf die Beine kommst!

LG
Julia

stenppa

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #9 am: 22. Januar 2008, 16:27:18 »
Hallo Jürgen,
ich möchte Dir keine Angst machen, aber Dir auch empfehlen bezüglich Operation eine 2. Meinung einzuholen. Ich wurde letzten November mit Diagnose AN 1,5 cm operiert, es handelte sich aber wie sich später rausstellte um ein Meningiom.
Ein AN wächst sehr langsam, aber ein Meningiom ist weitaus weniger berechenbar.
Wie genau ist die Lage des AN? Wie sieht es aus mit Gesichtsnerv, Gleichgewichtsnerv und Hörnerv? Vielleicht ist bei einer baldigen Operation eine Schädigung dieser Nerven unwahrscheinlicher. Wie gesagt, ich will Dich nicht veränstigen, aber es ist wichtig, dass Du über alle Optionen Bescheid weißt. Also hol Dir unbedingt eine 2. Meinung.
Ich wünsch Dir alles Gute!
Uschi
PS: Ach ja, habe OP ganz gut überstanden. Habe Schädigungen an allen 3 o.g. Nerven, bin aber auf Wege der Besserung.

Offline brigitteb58

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Re:Langer Leidensweg (Neurinom)
« Antwort #10 am: 11. Februar 2008, 21:53:51 »
Hallo Jürgen!
Ich wollte mal nachfragen wie es Dir geht und ob es Neuigkeiten gibt?

Als ich Deine Geschichte gelesen habe, fand ich das ja sehr interessant mit der Wesensänderung. Und ich habe einige Parallelen zu dem gefunden, was mit mir passiert ist.
Das mit dem AN weiss ich seit Anfang Februar.
Aber ich habe seit einiger Zeit eine Wesensänderung mitgemacht. Keine so tiefe Depression wie Du, aber ich war bisher immer sprühend vor Energie, immer guter Laune, absolut kontaktfreudig und seit Sommer 2006 ziehe ich mich immer mehr zurück, fühle mich ausgebrannt und oft niedergeschlagen. Ich dachte dass das vielleicht an den Wechseljahren liegen könnte, oder den Schwierigkeiten, die ich mit den heranwachsenden Kindern meines Mannes hatte. Aber als ich jetzt Deinen Bericht las und weiss, dass ich ein AN habe, bringt mich das zum Nachdenken.
Wer hat denn auch die Erfahrung gemacht, dass sich eine Gemütsänderung eingestellt hat vor der Entdeckung des AN?

Jürgen, lass mal wieder ´was von Dir hören!

Ciao a tutti!
Grüße an alle!
Brigitte

 



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