Guten Abend, Alexa,
ich begrüße Dich in diesem Forum und kann Dir versprechen, dass Du hier mit all Deinen Fragen, Ängsten und Sorgen gut aufgehoben bist.
Zunächst ist es bemerkenswert, dass der HNO-Arzt bei der Ursachensuche auch ein Schädel-MRT mit einbezog. Das Astrozytom im Frontallappen liegt allerdings an einer Stelle, die höchstwahrscheinlich mit den Problemen mit den Ohren nichts zu tun hat. Da müsste der HNO-Arzt weitersuchen.
Dass der WHO-Grad II bis III bereits vermutet werden konnte, ist gut, da von dieser Einstufung der Therapieverlauf abhängt. Es gibt die WHO-Grade I ("gutartig": sehr langsam wachsend und in einer Hülle verbleibend) bis IV ("sehr bösartig": rasch und unkontrolliert wachsend und in die Umgebung eindringend). Die Bezeichnung im Befundbericht "inhomogenes Enhancement" bedeutet, dass der Tumor keine einigermaßen gleichmäßige Form hat, sondern ein unregelmäßiges Wachstum aufweist. Das lässt darauf schließen, dass er im Laufe seines Wachstums seine Hülle bereits an einigen / mehreren Stellen verlassen hat und begonnen hat, in das umliegende Gehirngewebe einzudringen.
Du hast über keine Auffälligkeiten bei Deiner Schwester geschrieben, die mit der Lage und Größe des Astrozytoms zusammenhängen könnten. Vielleicht sind sie Dir und Deiner Schwester bzw. ihrer Familie nur nicht bewusst aufgefallen. Vom vorderen Frontallappen wird die Persönlichkeit gesteuert. Es ist möglich, dass Deine Schwester vielleicht unruhiger, gereizter oder ruhiger, antriebsloser geworden ist. Das oder ähnliches wären Zeichen, dass der Tumor das Hirngewebe bisher nicht nur verdrängt hat, sondern auch in es eingedrungen ist. Das Hirn lässt sich bis zu einer gewissen Tumorgröße recht gut verdrängen, ohne seine Funktion zu verändern.
Ein gutes Zeichen ist es auch dass noch keine Diffusionsstörungen vorliegen, das bedeutet, dass die Flüssigkeiten alle dort sind, wo sie hingehören und der Tumor (noch) nicht in den Blutkreislauf eingedrungen ist, um sich dort seine Nährstoffe "abzuzapfen". Sobald er das tut, kann er wesentlich schneller wachsen.
Zu erwarten ist, dass der Neurochirurg (NC) eine OP als erste Therapie anraten wird. Da wegen des unregelmäßig geformten Tumors selbst ein sehr guter NC nicht ausschließen kann, dass noch Restzellen im Kopf verblieben sind, schließt sich vermutlich eine weitere Therapie an, eine Bestrahlung oder Chemotherapie. Alle Therapieformen sind recht gut erforscht und praxiserprobt, aber auch stets in der Weiterentwicklung. Die Angst vor äußerst dramatischen Folgen des Tumors und der Therapien ist bei den Betroffenen oft sehr groß - bei den Angehörigen auch.
Insofern rate ich Deiner Schwester und Dir, alle Fragen, die ihr einfallen, alle Ängste aufzuschreiben und zum Gespräch den Zettel mitzubringen und auf den Tisch zu legen. Wenn Du oder eine andere Person mit zum Gespräch gehen kann, wäre das sehr gut zum weiteren Nachfragen. Natürlich könnt Ihr Eure Fragen auch hier bereits stellen.
Solltet Ihr mit dem NC nicht 100%ig auf einer Wellenlänge sein, empfiehlt sich das Einholen einer Zweitmeinung bei einem anderen NC, was man diesem NC durchaus sagen kann. Ein guter NC akzeptiert das.
Normalerweise ist man nur etwa eine Woche im Krankenhaus (KH). Unbedingt sollte eine stationäre Anschlußheilbehandlung (AHB in einer Rehaklinik) in Anspruch genommen werden, die von der Klinik normalerweise direkt beantragt wird. Sie ist innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung aus dem KH anzutreten und dauert mindestens 3 Wochen. Bis zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess kann allerdings durchaus ein halbes Jahr vergehen, gerade auch bei dieser Lage im Frontallappen. Die Persönlichkeit muss sich erst wieder finden.
Wenn ich hier das Wort "gut" verwendet habe, ändert das nichts daran, dass ein Tumor prinzipiell überhaupt nicht gut ist. Er ist ein verdammtes Miststück und wird das Leben Deiner Schwester einige Jahre mitbestimmen, worauf sich auch die Familie und Umgebung einstellen sollte. Andererseits ist sie jetzt nicht plötzlich ein anderer Mensch, den man andauernd bedauern muss. Sie ist immer noch die gleiche Frau wie vorher! Und mit Eurem Verständnis und (nur der notwendigen) Unterstützung wird sie die Chance haben, den Tumor ins "Aus" zu kicken.
KaSy
(mehrfach betroffen mit Meningeomen WHO-III)