HirnTumor-Forum

Autor Thema: Ist ein Anfall nach Ausschleichen prophylaktischer Epi-Therapie möglich?  (Gelesen 17134 mal)

Offline KaSy

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Es wird zwar seit einigen Jahren davon abgeraten, prophylaktisch Medikamente zu verordnen, wenn es keinen oder nur einen epileptischen Anfall gegeben hat.

Aber es kam früher häufig und kommt auch jetzt noch vor, dass "vorbeugend" im Zusammenhang mit einer Hirntumor-Operation Medikamente gegeben werden, die epileptische Anfälle verhindern sollen.

Nun hat der HT-Patient zusätzlich eventuelle Nebenwirkungen dieser Medikamente zu ertragen.
Außerdem verlängert sich die Zeit des Fahrverbotes auf mehr als die üblichen drei Monate nach Hirn-OPs.

Mich interessiert der folgende Fall:

- Ein Hirntumorpatient hatte keinen epileptischen Anfall.
- Er bekam trotzdem prophylaktisch seit der Hirntumor-OP Medikamente verordnet, die Anfälle verhindern sollten.
- Er hatte nach der OP keine Anfälle.
- Er nimmt auf Anraten der Ärzte (Neurochirurgen!) die Medikamente noch drei Monate nach der OP weiter.
- Dann soll er sie in Absprache mit einem Neurologen (den er noch nicht kennt) ausschleichen.
- Gleichzeitig soll der Neurologe seine Fahrtüchtigkeit testen, damit er nach den 3 Monaten Fahrverbot nach einer Hirn-OP wieder Auto fahren darf.

Frage:
Kann das Ausschleichen des Medikaments einen epileptischen Anfall erzeugen?

Gibt es Betroffene oder Ärzte, die solche Erfahrungen gemacht haben?

Wurde der Betroffene durch die Gabe dieser Medikamente unnötig in die Ungewissheit versetzt, nicht zu wissen, ob er überhaupt infolge der OP einen epileptischen Anfall bekommen hätte?

Ist es für ihn ratsam, weitere drei (?) Monate nach dem Ausschleichen des Medikaments mit dem Autofahren zu warten?
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline cindra

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Hallo Kasy

Ich als “alte“ Epileptikerin kann dir zumindest ein paar Fragen beantworten.

Grundsätzlich sollte/darf man AE nie auf einmal absetzen, dann ist die Wahrscheinlichkeit dass man Entzugsanfälle bekommt relativ hoch. Dies nutzt man während eines Monitorings auch aus. Man setzt unter Kontrolle abrupt die AE ab um einen Anfall zu provozieren, und mittels EEG herauszufinden von welcher Stelle aus der Anfall beginnt.

Deshalb immer ausschleichen.
Aber auch da wird ein verantwortungsvoller Neurologe ein Fahrverbot verhängen, denn es kann trotz nicht bestehender Epilepsie immer noch zu einem Anfall kommen.

Bei (ehemaligen) Epileptikern wartet man auch dann noch mind. einen Monat bis man wieder fahren darf.

Je nach Schnelligkeit des Ausschleichens hat man da also schnell mal 3 Monate zusammen.

Vielleicht konnte ich dir wenigstens einen Teil deiner Fragen beantworten.
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Offline KaSy

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Hallo, cindra,
ich danke Dir für Deine Antwort.

Ich habe mich inzwischen weiter erkundigt und von einer anderen "erfahrenen Epileptikerin" und einem Neurologen erfahren, dass allein das Ausschleichen des Medikaments nicht zu Anfällen führen kann, wenn es vorher keine Anfälle gab.

Beide hatten noch nicht von derartigen Fällen gehört.

Für mich klingt das auch logisch, denn wenn es vor der Gabe der Medikamente keine Anfallsursache gab, dann kann durch die Medikamente keine Anfallsursache erzeugt werden. Denn dann würden sie ja Anfälle provozieren und nicht verringern bzw. vermeiden. Derartige Medikamente dürften gegen Anfälle gar nicht eingesetzt werden, oder?


Interessant und neu für mich ist, dass man unter Monitoring ein abruptes Absetzen durchführt, um die Anfallsquelle zu finden.

Fraglich ist für mich aber, wann das geschieht. Denn die Medikamente wirken ja einige Zeit nach.
Und werden dann die Medikamente wieder weiter gegeben? Muss ja so sein ...


Denn falls die betreffende Person diese Aktion durchführen lässt und es wird keine Anfallsquelle gefunden, weil es ja nie eine gab, wie wird dann weiter verfahren?

Ich denke, dass die Notwendigkeit des langsamen Ausschleichens nicht nur mit der Möglichkeit zusammenhängt, dass man wieder Anfälle bekommen kann.
Es müssten doch auch die im Gehirn wirkenden Nebenwirkungen des Medikaments wieder, anders, mehr, störend oder so auftreten.

Ist das nicht ein weiterer Grund, Medikamente, die im Gehirn wirken, langsam auszuschleichen, damit sich das Gehirn "daran gewöhnen kann", wieder ohne diese medikamentösen Eingriffe auszukommen?

Deine Antwort hat bei mir weitere Fragen erzeugt, aber so ist das eben, wenn man einer Sache auf den Grund gehen möchte. Deswegen noch mal danke!
KaSy
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Offline cindra

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Hallo Kasy,

Ja, alles gar nicht so einfach mit den AE.

Zuerst einmal, gehört habe ich von einem Anfall nach Absetzen nach der prophylaktischen Gabe nach einer HirnOP auch noch nie gehört.
Das ist aber auch kein Wunder, denn es werden ja nur noch selten prophylaktisch AE gegeben.

Grundsätzlich kann jeder Mensch im Leben mal einen Anfall bekommen. Wenn es dabei bleibt bekommt man auch keine Medis und ist auch kein Epileptiker.
Das war dann ein Gelegenheitsanfall.

Zum Monitoring. Ich hatte schonmal das Vergnügen.Du wirst dauerhaft verkabelt. Die AE werden auf einen Schlag abgesetzt, und dann heißt es warten auf einen Anfall.
Das kann recht flott gehen. Die Halbwertzeit von Levetiracetam ist z.B. nur 7 Stunden. Das ist schnell draußen.
Lamotrigin hat ca. 30.
Wenn dann der Anfall da ist, kann man im EEG genau sehen woher er kommt.

Dann werden die Medis wieder eindosiert, wahrscheinlich umgestellt, weil.es hatte ja einen Grund warum du beim Monitoring warst.

Nicht immer kommt es zum Anfall und es kann ein.Auslöser gefunden werden.
Man geht dann manchmal auch von psychogenen Anfällen aus.
Es ist aber auch möglich beides zu haben.

Wenn du noch Fragen hast. Her damit.

Andrea

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Offline KaSy

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Ja, klar, schon wieder habe ich Fragen.

Diese 7 Stunden bei Levetiracetam müssten doch für eine bestimmte Dosis gelten?

Ich nehme alle 12 Stunden 750 mg Levetiracetam, weiche aber mitunter um einige Stunden von den 12 Stunden ab. Ein Profi-Epileptologe hatte auf einem Hirntumorinformationstag gesagt, dass man da nicht so 100%ig genau sein muss, z.B. dürfe man am Wochenende auch mal länger schlafen ...

Andererseits wurde bei mir nach etwa einem Jahr durch die Neurologin ein Blutbild gemacht und festgestellt, dass der Bereich, in dem der Wert für Levetiracetam liegen sollte, zu hoch ist. Daraufhin wurde meine Dosis von damals 2 x 1000 mg auf 2 x 750 mg reduziert. Und zwar ohne Fahrverbot.
Falls ich jetzt wegen eines unauffälligen EEG reduzieren würde, gäbe es wieder ein Fahrverbot.
Da bin ich mir mit meinem Neurologen einig, denn ich vertrage die AE gut.

Dieses Vorgehen brachte mich aber zu der Überlegung, dass der Levetiracetam-Wert nicht derart schnell so sinken kann, dass ein Anfall kommt.

Vermutlich ist es aber so, denn ich kenne die "Devise":
Start low – go slow
(Beginne mit einer niedrigen Dosis und steigere sie langsam.)
Das bedeutet ja, dass man die Dosis gerade nur so hoch wählt, damit Anfälle nicht stattfinden, aber nicht zu hoch, um die Nebenwirkungen nicht zu belastend werden zu lassen.
Also kann es logischerweise bei einem aprupten Absetzversuch auch recht bald zu einem Anfall kommen.

Zum Glück hatte/ habe ich seit vielen Jahren nur kleine bemerkbare, aber unbedeutende Anfälle. Und als der erste andere kam, war ich im KH und es wurde gleich ein CT gemacht und Levetiracetam gegeben. Zwei Monate später gab es trotzdem noch eine dritte Sorte Anfall, die ich nicht nochmal erleben möchte. Seitdem habe ich Ruhe und so soll es bitte bleiben.

Du hast meinem Denkprozess (der für eine andere Person gedacht war) ziemlich "auf die Sprünge geholfen". Danke!
KaSy
« Letzte Änderung: 24. August 2019, 03:13:28 von KaSy »
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Offline cindra

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Hallo Kasy,

Die Halbwertzeit ist unabhängig von der Wirkstoffmenge.
Wenn du z.B. 1000mg nimmst, sind es nach 7 Stunden nur noch 500 mg und nach weiteren 7 Stunden nur noch 250mg.
In der Zwischenzeit hast du ja aber schon wieder neue genommen, und der Spiegel ist wieder erhöht.

100% genau muss man die AE wirklich nicht nehmen. Ich vergesse sie schon auch mal, wenn auch sehr selten. Spätestens wenn ich 5-6 Stunden drüber bin merke ich es aber auch.
Da ich ja aber auch noch Lamo nehme, welches eine Halbwertzeit von über 30 Stunden hat, habe ich immer noch einen gewissen Schutz.

Wenn du unter Leve anfallsfrei bist und wenig oder keine NW hast, so wird der Spiegel normalerweise nicht überprüft. Das ist nicht nötig.

Regelmäßig kontrolliert wird meistens nur wenn man nicht sicher ist ob der Patient regelmäßig seine Medikamente.

Ich hoffe das beantwortet deine Fragen

LG Andrea








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Offline KaSy

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 Vielen Dank!
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