hallo chiquita,
gestern abend haben die engel meinen schatz abgeholt.
seine tante hat mich gegen 13 uhr angerufen und gesagt, dass die nieren aufgehört haben zu arbeiten. sie wollte mir das mitteilen, damit ich die entscheidung treffen kann, raphi nochmal zu sehen oder ihm etwas von mir ausrichten zu lassen. mein erster gedanke war, ich will zu ihm, doch dann stellte ich mir vor, wie es sein würde, auf die ganze familie zu stossen, und davor hatte ich große angst. ich hatte angst, jemanden von der familie durch meine anwesenheit zu kränken. aber anstatt auf die uni zu fahren, entschied ich mich doch fürs akh. als ich auf der ebene war, sah ich schon einige schwestern, die psychologin und einen arzt vor dem zimmer stehen und dachte mir, es sei schon alles vorbei.
ich traute mich gar nicht, mich zu nähern. dann verließen mich meine nerven und alles brach in mir zusammen. eine tante, die kurz raus kam, bat mich, doch reinzugehen. ich erzählte ihr von meinen bedenken, und sie versicherte mir, man habe mich mit der zustimmung der gesamten familie angerufen.
als ich das zimmer betrat, standen alle um das bett herum. ich konnte einigen von der familie ansehen, dass es sie freute, dass ich doch gekommen war, denn sie wussten, dass raphi und mein herz füreinander schlugen.
mein schatz war nicht mehr bei bewusstsein, aber wir alle wussten, dass er bei uns im zimmer war. die ganze zeit redeten wir ihm gut zu, streichelten ihn, erzählten von gemeinsamen erlebnissen.
anfangs, also so gegen 15 uhr, glaubten wir, es wäre bald soweit, denn er hörte immer wieder auf zu atmen, und die atempausen dauerten ziemlich lange.
gegen 19 uhr ging ein teil der familie heim, um am späteren abend oder im akutfall wieder ins krankenhaus zu schauen. ich blieb gemeinsam mit der der mutter und den beiden tanten. und auch wenn es für einige jetzt vielleicht abschreckend klingen mag, aber die geschwister begannen anekdoten auszupacken und geschichten über raphael und die familie zu erzählen. sehr oft mussten wir alle plötzlich lachen. wir wussten, dass raphael, der es immer geliebt hat zu lachen, und der bei all dem leid, das er in seinem kurzen leben ertragen musste, äußerst selten gejammert hat, sich über die geschichten freut und mitlacht, denn jeden von uns anwesenden hat mein süßer auf seine art und weise von ganzem herzen geliebt.
es war so rührend zu sehen, wie im laufe der stunden immer wieder schwestern und ärzte reinkamen, die dienstschluss hatten, um sich von meinem schatz zu verabschieden.
erstaunlicherweise hatte sich raphis zustand seit dem späten nachmittag gebessert. er atmete ganz entspannt und gleichmäßig, seine hautfarbe war rosig, und sein herz schlug kräftig.
es tat so gut, die ganze zeit bei ihm zu sitzen, ihn zu streicheln, zu küssen, ihm leise was ins ohr zu flüstern, seine hand zu halten, und ihn so ruhig und entspannt zu sehen.
um 21 uhr entschied ich mich zu gehen. schweren herzens löste ich mich von raphi, aber mittlerweile war der (stief)vater gekommen, und ich hatte mich überzeugt, dass es meinem schatz gut ging.
auf meinem heimweg riss es mich einmal ganz plötzlich, mich überkam ein ganz komisches gefühl, das mir mitteilte, dass ich verrückt sei, heimgefahren zu sein, und ich zu raphi zurück müsse.
wenige minuten später, ich war noch nicht einmal zu hause angekommen, so gegen 21.30 uhr rief mich die tante an, und ich ahnte, was geschehen war. sie sagte nur, "dina, er ist gestorben."
raphi ist gestern abend von den engel abgeholt worden, und ist ganz friedvoll mit ihnen gegangen.
die tante erzählte mir, dass sie, nachdem ich gegangen war, weiterhin geschichten erzählt haben. und irgendwann haben sie dann gemeint, wie gut es für raphael war, dass ich vorbeigeschaut habe und dass er somit mit uns abschliessen konnte. daraufhin meinte der vater, dass er das nicht glauben würde. und genau in diesem augenblick, so als wollte er seinem stiefvater zeigen, wie unrecht er hat, sei ihnen aufgefallen, wie seine gesichtsfarbe immer weißer wurde und dann ist er friedlich eingeschlafen.
ich bin die ganze nacht immer wieder aufgewacht und meine gedanken kreisen die ganze zeit um raphi und unsere gemeinsame zeit. ansich ging es mir tagsüber gut, aber jetzt, wo ich daheim bin, und zur ruhe komme, hat mich der ganze schmerz eingeholt.
der schmerz ist unerträglich, der verlust unersetzbar, mein herz blutet und meine seele schreit nach einer umarmung und einem lächeln von meinem schatz, das jeden noch so finsteren tag erhellt hat.
ich kann nur für mich sprechen, aber mittlerweile weiß ich, dass es gerade in den letzten stunden sehr wichtig ist, dem menschen, den man so sehr geliebt hat, beizustehen, und da bin ich der familie sehr dankbar.
wir haben, nachdem wir raphi gesagt haben, wie sehr wir ihn alle lieben, ihm auch mitgeteilt, dass er sich ruhigen gewissens von uns loslösen solle. er solle sich keine sorgen um uns machen, und seine mama würde gut auf seinen geliebten jüngeren bruder aufpassen.
man kann noch so viel schreiben, aber es bleibt die tatsache, dass die person, die man so sehr geliebt hat, eine riesige lücke hinterlässt, die niemand und nichts in der welt füllen kann.
all jenen, die das alles noch vor sich haben, alles gute und ganz viel kraft und mut.
liebe grüße an dich, chiquita, deine worte schenken trost, ich danke dir so sehr dafür.
mögen euch die engel beistehen.
alles liebe,
dina