Hallo ihr Lieben,
ich habe mich einige Zeit nicht gemeldet, weil ich nicht mehr wußte, was ich schreiben oder euch raten soll.
Mein Kopf ist so voll, dass ich glaube, bald durchzudrehen.
Zu dem ganzen schrecklichen Zustand zu Hause mit meinem kranken Vater kommen momentan berufliche Probleme hinzu (Job steht auf der Kippe), und mit meinem Lebenspartner kommt es auch zunehmend zu Streitereien, da die Toleranzgrenze wohl allmählich erreicht ist.
Es ist alles gerade viel zu viel für mich, und ich habe wirklich Angst, ich schaffe es alles nicht mehr ohne komplett auszurasten oder durchzudrehen.
Die Tatsache, dass mein Vater jetzt tatsächlich im Sterben liegt, wäre an sich so furchtbar, dass ich allein damit überfordert wäre und am liebsten 3 Wochen Urlaub nehmen würde, um die letzten Wochen mit ihm zu verbringen.
Das geht alles nicht, da ich hier im Job jeden Tag von Neuem in stundenlangen Marathon-Meetings meine Position innerhalb der Firma verteidigen muss, um nicht abgesägt zu werden, wie einige Kollegen im Moment auch.
Ich komme weinend nach Hause und auch mein Freund ist am Ende seiner (seit nun 10 Monaten andauernden Zurückstellung SEINER Bedürfnisse) Kräfte, so dass es dann noch zu unnötigen Streitereien kommt.
Es ist der blanke Horror.
Nun zu meinem Vater:
Er baut täglich mehr ab, ich habe ihn seit knapp 3 Wochen nicht gesehen (ich ziehe zu allem Überfluss nämlich auch gerade noch um in eine andere Wohnung; zu meinem Freund), aber meine Mutter hält mich ja auf dem Laufenden.
Und am Telefon merke ich, dass es mittlerweile fast unmöglich ist, mit ihm zu sprechen. Nach einer Minute schläft er einfach am Telefon ein. Sein Kurzzeitgedächtnis liegt komplett brach, die Unterhaltung verläuft nun wie mit einem Fünfjährigen.
Ansonsten hat meine Mutter wohl nun eine Pflegerin für nachts engagiert, die sich dann um meinen Vater kümmert, damit meine Ma mal schlafen kann.
Laufen kann er wohl endgültig nicht mehr, nur mit dem Toilettenstuhl wird er wohl ab und zu rumgerollt, damit er nicht den ganzen Tag liegt.
Für nachts bekommt er jetzt häufig Levomepromazin (ein Neuroleptikum), damit er ruhig ist und mal schläft. Mit dem Effekt, dass er den ganzen Tag danach auch nur pennt.
Im Gegensatz zu all euren Berichten, wird er immer dicker (er bekommt nach wie vor sehr viel Cortison), was die Pflege nicht gerade vereinfacht, denn es ist sehr schwer ihn zu heben.
Ich werde nächstes Wochenende endlich zu ihm fahren, und mich persönlich von seinem Zustand zu überzeugen. Aber wer weiß, was in einer Woche schon wieder ist, man kann jetzt wirklich stündlich zugucken, wie es abwärts geht.
Eins sage ich euch: dies ist mit Abstand die schlimmste Phase meines gesamten Lebens, da es wirklich von allen Seite auf mich einprasselt.
Gestern lief ich tatsächlich heulend aus einem Gespräch mit meiner Vorgesetzten und sagte nur : "Ich muss nach Hause, ich schaffe es nicht mehr" und fuhr einfach.
@jolina:
ja Du hast recht damit, dass es nicht mehr lange dauert, und ich danke Dir für Deine mutigen Worte.
Genau das ist ja meine Angst: sich nicht mehr Zeit genommen zu haben für die letzten Augenblicke, über alles geredet zu haben, sich richtig verabschiedet zu haben.
Ihn zu begleiten und gleichzeitig loslassen zu können, damit er von seinem Leiden erlöst wird. Darum würde ich auch gern noch einmal eine zeitlang am Stück bei ihm sein, nicht immer nur 2 Tage.
Ich werde es versuchen.
@mädel:
Ja mein Vater hat mal so Stimmungsaufheller/ Antidepressiva von seiner Neurologin bekommen, mittlerweile aber auch nicht mehr, glaube ich. Ich weiß auch nicht, ob das nicht gefährlich ist. Geholfen haben sie jedenfalls nicht besonders. Mein Vater bekommt ja, wie gesagt jetzt ab und an Neuroleptika, um seine Nerven zu beruhigen.
Sprich aber lieber mit einem Neurologen darüber, ob er es für angemessen hält!
Dass dein Vater so schlapp ist im Moment, ist glaube ich ganz normal! Mein vater hatte auch diese "Fatigue" während und nach der Chemo, da konnt man nichts mit ihm anfangen! Warte mal ab, wie er drauf ist, wenn der Zyklus Temodal vorbei ist!
@britta:
Dass es bei Deinem Vater auch so schlecht ist, tut mir leid, aber vielleicht kommt es von der Lungenentzündung on top. Mein Vater hatte ja "nur eine lapidare Blasenentzündung", kombiniert mit Thrombose. Aber wenn der Körper von dem Tumor eh schon so angegriffen und geschwächt ist (inkl. all der Medikamente), dann kann das schon mal dauern, bis man sich von so einer zusätzlichen Entzündung wieder erholt!
Ich hoffe er schafft es und kommt wieder zu Kräften!
Die Ärzte sind immer ratlos, das kenne ich schon....
Haltet durch, dies ist eine schwere Prüfung für uns alle, doch sie macht uns nur stärker, und wir werden das alles durchstehen!!!
LG,
Chiquita