HirnTumor-Forum

Autor Thema: Kleinwuchs durch Bestrahlung  (Gelesen 11409 mal)

Titus

  • Gast
Kleinwuchs durch Bestrahlung
« am: 28. Januar 2005, 00:17:41 »
Hallo,
unser Sohn Nick wurde 2001 ein Medulloblastom entfernt. Die Therapie lief nach der Hit 2000-Studie einschließlich Bestrahlung.

Abgesehen davon, das ihm durch die Bestrahlung anscheinend Gehirnzellen derart verklebt sind, das der Liquor nicht ablaufen konnte und sich ein massiver Hirndruck aufgebaut hat, der lapidar als "Strahlenkater, ist nicht schlimm, geben wir mehr Cortison" beurteilt wurde und es in letzter Sekunde zu einer Not-Op kam, bei der, wie sich nun herausstellte, der Notfallshunt dann auch Gehirnmasse zerstört hat, ist er durch die Bestrahlung nun kleinwüchsig.

Ich hätte gerne Kontakt zu anderen Menschen, die ebenfalls Wachstumseinschränkungen durch die Bestrahlung haben und ebenso eine Hormontherapie ablehnen, da sie es als Irrwitz und Schwachsinnig empfingen, bei einem Gehirntumor als Grunderkrankung ihrem Kind dann noch Wachstumshormone zu verabreichen. (Na ja, diejenigen, die gute Erfahrungen mit diesen Hormonen gemacht haben, dürfen es auch kund geben. Im Kleinwuchsforum weiß jedenfalls niemand was über Kleinwuchs durch Bestrahlung).

Nick ist übrigens derzeit 9 Jahre alt und 122 cm groß. Sein Wachstum ist definitiv abgeschlossen. Die Aufforderung, ihm diese künstlichen Hormone zu geben, empfinde ich für mich als Schlag ins Gesicht. Nick wäre uns fast 3 Mal unter den Händen weggestorben, hätten nicht so gravierende Einschränkungen, wenn er damals mit dem "Strahlenkater" wenigstens EINMAL vernünftig in der Klinik untersucht worden wäre - und nun darf ich mir anhören, das dieses Kind leiden wird und das seine Lebensqualität eingeschränkt sein wird, wenn ich ihm keine künstlichen Hormone gebe.

Tut mir leid, aber hauptsächlich habe ich mir in den letzten drei Jahren "den Ar*** aufgerissen" um dieses Kind zu fördern und zu fordern, es vom Schwerstpflegefall zu einem Kind zu machen, das in eine KB-SCHule geht und dort die 2. Klasse besucht und das aus dem Rolli raus ist. Ist die Essenz der ganzen Geschichte tatsächlich "Hurra, dem Kind geht es besser, nun können wir es ja weiter als Versuchskaninchen einsetzen?" . Das glaube ich weniger. Und ich bedanke mich bei denen, die mir als Ärzte den Rücken stärken und sagen "Wissen Sie, ICH würde das bei meinem Kind auch nicht machen!". Sind nicht viele, aber besonders wertvolle Leuts.

Manuela



moeschtijall

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #1 am: 28. Januar 2005, 22:36:35 »

Hallo Titus,
unsere Tochter erhielt vor fast 18 Jahren im Alter von 2 Jahren ein Kopf- und Rückenbestrahlung nach einem bösartigen Ependymom.

Was das Wachstum betrifft kann ich nur sagen, daß sie zwar bis zu einer stolzen Größe von 1.59,2m gewachsen ist, sie aber dennoch darunter leidet, daß sie in unserer Familie die Kleinste ist. Die große Schwester ist 1.79m und ich selber bin auch mit 1.73m nicht gerade klein. Extrem auffallend sind bei ihr jedoch die Proportionen. Der Oberkörper ist durch die Bestrahlungen im Verhältnis zu ihren Beinen (1.03m) recht kurz.

Dennoch, unser Kind lebt, ist gesund und glücklich!Lediglich die alljährlich stattfindenen Nachuntersuchungen lassen immer wieder neue Ängste in uns aufkommen.

Titus

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #2 am: 28. Januar 2005, 23:11:14 »
Danke für die Antwort. Wenn wir Nick die Hormone geben würden, könnte es auch passieren, das er ungleichmäßig wächst und so sehr unproportioniert ausschaut. Die Hormontherapie würde dann abgebrochen werden.

Na ja, ich zittere auch jedes Mal vor dem MRT, zumal die Auswertung jetzt in Göttingen auch anders läuft. Manchmal hat man den Eindruck, es ist dem MRT-Team ziemlich egal, ob da oben auf der Neuropädiatrie Eltern Ängste ausstehen oder nicht, so viel Zeit lassen die sich.

Bei Nick ist im Laufe des letzten Jahres das Wachstum stagniert. Wir haben immer gehofft, er wächst sehr langsam, bis Arginin- und Clonidintest ergeben haben, das da nichts mehr ist, was wachsen könnte. Das war sehr schlimm, zumal ich die Diagnose auch erst abends, eine Stunde vor der Abfahrt bekommen habe und mir vorher alle Ärzte dort gesagt haben, sie könnten meine Bedenken verstehen, das ich so eine Therapie nicht möchte.

Vielleicht bin ich ja auch zu viel Laie, aber ich finde es Irrsinn, einem Kind mit einer Krebserkrankung Wachstumshormone zu geben. Ich würde mir ewig Vorwürfe machen und nicht mehr ruhig schlafen können. Und wenn der Tumor dann doch wiederkommt - oder ein anderer Tumor? Was dann? Muss ja nicht durch die Hormone sein, aber ich denke, ich würde mich bis ans Ende meines Lebens schuldig fühlen und so, als ob ich mein Kind ans Schaffott geliefert hätte.

Wir sind auch alle groß. Ich bin 175, mein Mann 184, die große Tochter hat mich bald eingeholt und Marie ist 146 (mit 12 Jahren). Stimmt, Nick ist sehr klein. Und er wird vielleicht irgendwann unter seiner Größe leiden. Er wird mir auch vielleicht irgendwann Vorwürfe machen, das ich die Therapie nicht wollte (obwohl er es in ein paar Jahren selbst entscheiden kann, ob er sie will oder nicht. Das bringt dann vielleicht noch ein paar cm). Aber genauso kann es umgekehrt sein.

Man wird sensibilisiert für kleinere Menschen - und ich sehe mich zunehmend von kleineren - erwachsenen - Menschen umgeben. So groß, wie deine Tochter in etwa. Das hätte ich Nick auch gewünscht. Wenn es denn natürlich gewesen wäre. So kann ich nur hoffen, das es uns weiterhin gelingt, ihn selbstbewusst zu erziehen und in einer Umgebung aufwachsen zu lassen, die ihn so nimmt, wie er ist. Die ihn so kennt. Auch wenn es sicherlich schwer sein wird, wenn er mit 15 immer noch mal gefragt wird "Naaa, gehst du denn schon in die Schule?!".

Ich hoffe, das wir auch durch einen Schwerpunkt zur lebenspraktischen Erziehung, dadurch, das er auch handwerklich viel lernt, einiges ausgleichen können. Im Moment steht er voll auf Rasenmähertrecker. Total, wir waren in einem Laden, wo die solche Teile verkaufen, damit er mal schauen kann, was er sich so vorstellt.  Er durfte auch probesitzen - es war der Himmel für das Kind. Dann musste er feststellen, das seine Beine zu kurz sind und er nicht an die Pedalen kommt. Der Verkäufer hat dann gefragt, wie alt er ist und als Nick sagte 9, hat der Verkäufer gesagt, da müsste er aber noch 3 Jahre warten - und eigentlich sind die Trecker auch erst ab 16. Nick hat mit dann beim (widerwilligen) herausgehen gefragt, ob ich dem Verkäufer denn erzählt hätte, das er nicht mehr wächst.
Getreu dem Motto: "Ist doch egal, ob ich 9 bin oder 12, ich wachse sowieso nicht mehr also kann ich auch gleich mit so einem Teil rumsausen!".

Das fand ich ganz niedlich.

Titus

moeschtijall

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #3 am: 29. Januar 2005, 22:11:55 »
smile...weisst, ich kann deine Ängste gut verstehen. Kann mich noch gut erinnern, wie ich in den ersten 5 Jahren danach fast hysterisch auf alles reagiert hab wovon ich glaubte dass es meiner Kleinen schaden könnte. Selbst heute, nach all den Jahren, kann ich das noch nicht ganz abschalten. Auch grüble ich noch immer darüber, was denn wohl diesen verfluchten Tumor ausgelöst haben könnte. Mache mir Vorwürfe wegen eines Medikaments welches ich während der Schwangerschaft aufgrund einer Nierenbeckenentzündung einnehmen musste. Der Gynäkologe sagte damals "im Zweifelsfalle immer für die Mutter" !  War dies der Auslöser? Oder war es die Schutzimpfung bei Sarah gegen Menengitis?!
Eine Dreifachimpfung. Zur dritten Impfung ist es nicht mehr gekommen.Gleich nach der zweiten wurde infolge einer vermuteten Gehirnerschütterung der Tumor entdeckt. Ich könnte dir unzählige Beispiele meiner Ursachenforschung nennen. Alle verbunden mit diesem gewissen Schuldgefühl. Ein Gefühl was mich zwar nie mehr verlassen hat, aber im Laufe der Jahre doch deutlich abgeklärter wurde.
Ich denke, daß du dir in Bezug einer Hormonbehandlung soviele ärztliche Meinungen einholen solltest wie nur ebend möglich und danach dann entscheiden solltest. Denn, so wie du dir im negativen Ausgang Vorwürfe machen würdest, so könnte es auch umgekehrt sein. Spätestens dann, wenn Nic anfängt doch unter seiner Größe zu leiden. Diesen Vorwürfen kannst du aber nur dann wirklich stark entgegentreten, wenn du die Gelegenheit genutzt hast, dir hierzu  so viele kompetente Information einzuholen wie nur eben möglich.

Ganz liebe Grüße
Angelika

moeschtijall

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #4 am: 29. Januar 2005, 22:21:22 »
Sorry, meld mich nochmal.
Habe schon einmal einen Beitrag hier geschrieben unter
HirnTumorDiskussionsforum/Ependymom/ ....20 Jahre nach Ependymom
Vielleicht interessieren dich ja auch die dort von mir geschilderten Spätfolgen durch die Bestrahlungen.

Gruß
Angelika

Titus

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #5 am: 30. Januar 2005, 00:43:00 »
geht eigentlich, Nick durfte von Anfang an eigentlich recht viel und ist auch in einen Kindergarten gekommen, als er noch Chemo hatte. Fanden die Ärzte nicht so gut, aber ich habe gesagt, ich möchte kein soziales Monster ranzüchten. Und mit unserer Konstellation ging das ganz gut.

Andere Kinder werden weitaus mehr behütet und betüddelt. Ich denke, das er klar immer mehr Aufmerksamkeit bekommt als die anderen beiden, das aber andererseits er auch weit mehr Freiheiten hat als viele andere Tumorkinder.

Manuela

Offline biggi

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Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #6 am: 27. Februar 2005, 15:09:19 »
hallo manuela...
ich sage nur.... sch......  :-[

wenn ich aber die reaktion von deinem sohn lese, bestätigt mich das wieder in meiner annahme, dass kiner, die chronscih krank sind und schon viel durchgemahct habe, viel reifer im hirn sind und viel erwachsener sind als man annimmt...

ich schließe mich meinen vorrednern an und denke, dass du dir alle möglichen infos holen solltest .. von verschiedenen seiten.... und auch offen mit deinem sohn reden solltest und er mitentscheiden sollte, denn ich habe irgendwie das gefühl, dass er dazu schon die reife hat... ansonsten wäre sein kommentar mit dem trecker vielleicht nicht sooo gekommen....
wäge alles ab und besprecht es....
manchmal ist eine ungleichmäßige verteilung von ober- und unterkörper leichter zu ertragen als extrem klein zu sein....
"extrem klein" ist natürlich auch verhältnismäßig zu sehen und eine größe von 159cm finde ich nicht gerade als klein...
nur zur info... ich bin 156cm... und das obwohl ich nicht krank bin  ;)

ich wünsche euch viel kraft bei der entscheidung...
aber entscheidet gemeinsam... mit eurem sohn....

vielleicht noch eine hilfe die die reife der kinder zeigt....
ICH hätte z.b. die bestrahlungen und die seed-implantation an meiner tochter vielelciht nicht durchführen lassen, weil ich einfach zu viel schiss gehabt hätte.... meine tochter wollte es ausdrücklich, da das leben, wie es war für sie fast nicht schlimmer sein konnte (über 6000 epileptische anfälle im jahr)...
sie hat sich entschieden und wir haben es bisher nicht bereut, denn die anfälle sind rapide zurückgegangen und sie fühlt sich viel viel besser, da sie nun auch weniger medikamente nimmt....

lieben *knuddel*-gruß
biggi

Titus

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #7 am: 27. Februar 2005, 23:52:10 »
hallo Biggi,
also nach dem Fachforum Medulloblastom habe ich mich abends noch mal mit meinem Sohn zusammen ins Bett gekuschelt und über das Thema Kleinwuchs geredet.
Er möchte lieber kleine Pillen schlucken anstatt jeden  Tag gepiekst werden (geht nicht, aber es gibt einen Pen mit Druckluft oder so). Wir haben uns lange unterhalten, auch recht gut und ich habe ihm gesagt, das ich eben Angst habe, das er wieder sehr krank wird.
Ich habe ihm auch gesagt, das er selbst WENN er die Hormone nimmt, nie so groß werden wird, wie wir, ds er immer kleiner bleiben wird UND das es auch erwachsene Menschen gibt, die so klein sind wie er.
Na ja, das Fachforum war im Prinzip echt klasse, allerdings ist die Essenz die gewesen, das ich nicht mehr möchte, das wir vom bisherigen Klinikarzt betreut werden. Tut mir leid wegen meinem Sohn, aber ICH kann einfach nicht mehr was diesen Menschen anbelangt. ICH könnte einfach nur noch heulen und schreien, wenn es um diesen Doc geht.
Vor Nicks Krebserkrankung hatte ich eine schwere Depression, war froh, das ich die letzten Jahre gut weggekommen bin, und jetzt habe ich für mich das Gefühl, das ich durch das Verhalten dieses Menschen wieder reingetrieben werde. Will ich nicht, weil ich weiß, welche Konsequenzen das hat.

Na ja. Mir ist jetzt schon schlecht vor dem nächsten Ambulanztermin, zumal ich nicht davon ausgehe, das er meiner Bitte nachkommt und uns ein anderer Arzt betreut. Ich glaube, dann gehe ich stumpf wieder aus der Klinik wenn der Fingerpieks erledigt ist und ich das Gefühl habe, das es mir die Beine wegreißt.

Alles Liebe und danke fürs lesen und antworten.
Mir ist im Moment echt unheimlich wichtig, das ich alles, was mich belastet auch loswerden kann, weil ich sonst echt dabei drauf gehe. Es sind einige unschöne Dinge abgelaufen und ich komme mir vor wie ein Hamster im Rad.

Manuela :-[

Titus

  • Gast
Re:Kleinwuchs durch Bestrahlung
« Antwort #8 am: 05. März 2005, 00:02:06 »
Wir haben mittlerweile einen neuen betreuenden Arzt. Dafür bin ich seelisch ziemlich fertig und mit Beruhigungsmitteln platt gemacht.

Jetzt geht es meinem Sohn gut und ICH leide wie sonst was unter der ganzen belastenden Situation und dem, was alles schief gelaufen ist.

Schei***

Und bitte, bitte, gebe mir keiner den Rat, mich mit unserem Klinikchef auszusprechen, die mindestens 10 Bitten hat er allesamt in den letzten Jahren ignoriert. Und das das Vertrauen im Eimer ist, weil ER so ignorant ist, ist ihm völlig egal. Denn wer bin ich denn schon...

Eine blöde, hysterische Mutter die nicht das tut, was er gerne möchte.

Manuela

 



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