HirnTumor-Forum

Autor Thema: Wie lebt man mit der Angst?  (Gelesen 66203 mal)

jussi

  • Gast
Wie lebt man mit der Angst?
« am: 18. Mai 2006, 03:01:05 »
Hallo an Alle, von denen ich in den letzten 3 Stunden quer Beet gelesen habe.
Habe mich jetzt lange einfach durchs Forum duchgeklickt, kann meine Gedanken aber nirgends so richtig einordnen.
Sitze hier vorm Computer und kann das Alles nicht fassen. Das mein Papa sowas auch haben soll.
Operation, Diagnose  (Glioblastoma multiforme IV) im Februar, jetzt Strahlentherapie. Danach vielleicht Chemo ? Keine Ahnung !
Hab nach 3 Wochen Verdrängen versucht, im Internet Infos zu bekommen - halbhertzig, weil ichs eigentlich gar nich twissen wollte (will). Begreife aber langsam, das es wohl keinen Weg an der Diagnose vorbei gibt.
Ich weine, weine, weine, und zwischendurch versuche ich, mir vorzustellen, wie es meinem Vater geht. (Wir wohnen 300 km entfernt, also seh ich ihn nicht oft. momentan!) Wer von euch hat mit seinen "Lieben!" über den Tumor, das Sterben, was dieser Scheiß-Tumor wohl immer mit sich bringt gesprochen?
Wie schafft ihr den Alltag und die Familie?
Ich warte aufAntworten, fühl mich sooooo allein!"
Sylvia

Anmari

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #1 am: 18. Mai 2006, 10:27:01 »
Liebe Sylvia,

zuerst einmal herzlich willkommen hier im Forum. Wenn du dich allein fühlst, bist du hier genau richtig aufgehoben - hier wird jeder dich und deine Gefühle und Probleme verstehen.

So kann auch ich mir sehr gut vorstellen, wie es dir im Moment geht. Bei mir war es ähnlich, als bei meiner Ma vor ziemlich genau 1 Jahr die Diagnose gestellt wurde. Ich habe anfangs viel geweint und hatte Angst vor dem, was auf meine Mutter und die Familie zukommen würde. Zum Verdrängen blieb mir aber keine Zeit, weil meine Ma alleinstehend ist und ich diejenige war, die sich um alles kümmern musste. Ich bin allerdings auch eher so, dass es mir mehr hilft, so viel wie möglich Informationen und Wissen zu haben und aktiv zu werden.

Und genau das möchte ich dir auch raten: dass du eine Zeit brauchst, um diese schlimme Diagnose zu verarbeiten und dich an den Gedanken zu gewöhnen, ist ganz klar. Aber helfen kannst du deinem Papa am meisten dadurch, dass du einen klaren Kopf behältst und für ihn die Kraft aufbringst, die er nicht mehr hat. Informiere dich so intensiv wie möglich - dazu bist du hier gut aufgehoben. Ansonsten lass die Dinge auf dich zukommen, mach alles Stück für Stück. Es wird sich alles irgendwie finden und regeln, auch wenn es schwer ist und schwer bleiben wird.

Eins meiner grössten Probleme war immer die Frage, ob wir meiner Mutter die volle Wahrheit sagen. Wir haben natürlich über die Krankheit, die Therapie usw. gesprochen, aber nie ausdrücklich darüber, welche Prognose sie mit sich bringt. Im nachhinein war es gut so, denn so hat sie sehr lange ihren Optimismus behalten und ihre Kraft, gegen das "Monster" zu kämpfen. Das kann man aber nicht verallgemeinern, ich denke, es hängt sehr von der jeweiligen Person, ihrem Alter usw. ab.

Ich hoffe, dass du in der Familie und im Freundeskreis Menschen hast, mit denen du sprechen und dein Herz ausschütten kannst. Und natürlich sind auch wir hier immer da, wenn du Fragen hast oder einfach nur deinen Kummer loswerden willst.

Ich wünsche dir und deiner Familie alle Kraft der Welt!

Alles Gute und liebe Grüße
Anmari

supidupi

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #2 am: 18. Mai 2006, 17:34:19 »
Hallo Sylvia,
ich kann dich wirklich gut verstehen. Was du jetzt durchmachst, das habe ich letztes Jahr im November erlebt. Das wünscht man noch nicht mal seinem ärgsten Feind!

Meine Mutter hat auch ein Glioblastom, Malignes Gliom WHO Grad IV. Was ich im Internet über diese Krankheit recherchiert hatte, haute mir erst recht den Boden unter den Füssen weg. Ich kann das alles bis jetzt noch nicht glauben. Das wird wahrscheinlich auch so bis zum Schluß bleiben.
Ich wohne 200 km von meinen Eltern entfernt. Ich habe meine Arbeit auf 30 Stunden reduziert. Ich fahre mittlerweile jedes Wochenende zu meinen Eltern, ich bin die einzige Tochter. Leider ist mein Vater auch krank, so dass ich mich um beide kümmern muß und alles was drum rum anfällt, auch noch.  Das ist echt hammerhart. Mein altes Leben ist futsch.
Gott sei Dank habe ich einen sehr verständnisvollen Mann. Der mich, wo und wie er kann, unterstützt.
Was ich in der letzten Zeit gelernt habe ist, nicht zu weit zu planen. Es ist aber trotzdem wichtig Plan B in der Tasche zu haben. Zu schnell ändern sich die Dinge.
Wie schon Anmari geschrieben hat "...lass die Dinge auf dich zukommen, mach alles Stück für Stück".
Ich lerne auch noch :-\.

Meine Mutter wurde mittlerweile 2 mal operiert Nach der ersten OP bekam sie Bestrahlungen mit gleichzeitiger Chemo mit Temodal. Im April 2006 war die 2. OP. Eine spezielle Mehtode, Gliasite Radio Therapie System (RTS). Die hat sie zum Glück gut überstanden. Das kommende MRT wird zeigen ob die OP erfolgreich war. Wie es jetzt weitergehen soll, weiß ich noch nicht.
Meine Mutter ist Meisterin im Verdrängen, daher kann ich mit ihr garnicht darüber sprechen. Leider! Ich weiß nicht wie viel sie über die Krankheit weiß, ich denke nicht alles. Ich glaube das ist auch gut so. Ihr wurde oft genug gesagt, dass ihre Krankheit nicht heilbar ist.
Die Sch... Krankheit ist für alle eine mega Belastung die kaum auszuhalten ist, aber irgendwie geht's.
Frag mich nicht wie ???.

Ich wünsche euch allen viel Kraft für euren Weg.

Liebe Grüße

Tatjana



 

jussi

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #3 am: 19. Mai 2006, 13:17:06 »
Hallo ihr Beiden,
erstmal tausend Dank für eure schnelle Reaktion.

Gestern war ich erstmal total down, absolut keinen Plan, wie Alles weitergehen soll.
Klar, wenn man die halbe Nacht Eure Info´s und Berichte durchstöbert, das hat mir mächtig den Boden unter den Füssen weggezogen. Was noch alles kommen kann.

Als ich jetzt Eure Antworten gelesen habe, geht es mir erstmal etwas besser. Dieses Gefühl, das da jemand ist, den man jederzeit was fragen kann ist unheimlich gut. Leider hab ich hier in Zittau niemanden so richtig, mit dem ich reden kann. Mein Partner will momentan auch noch nicht wahrhaben, wie schlimm dieser Befund ist.
Es gibt so viele Fragen. Wieviel Zeit bleibt uns noch? Kann er uns nochmal besuchen? Wie wird der Krankheitsverlauf? Wird er leiden müssen. Na ihr kennt sie ja sicher selbst und auf viele gibt es wohl auch keine Antwort.

Mein Vater ist jetzt 62 und bekam beim "Strahlenarzt" gesagt, das diesen Tumor kaum jemand länger als 3 Jahre überlebt. Er war sehr erschüttert und hadert glaube ich sehr mit seinem Schicksal (Viele Tränen).
Meine Mutter pflegte bis vor kurzem ihre Eltern (mein Opa ist Ostern gestorben), aber um meine Oma muß sie sich den ganzen Tag kümmern.

Mich interessiert natürlich, wie es jetzt körperlich und geistig mit meinem Vater weitergehen kann. Sicher ist jeder Krankheitsverlauf anders, aber ich habe kaum eine Vorstellung, was kommen kann. Im Moment macht er Strahlentherapie und ist sehr müde und langsam. Hängt das mit den Strahlen zusammen? Wird das wieder besser oder geht es jetzt nur noch "bergab"

Naja, wie ihr merkt werden noch tausend Fragen kommen.
Vielen Dank an jeden, der sich hier Zeit nimmt, um mir und anderen zu helfen.
Liebe Grüße Sylvia




Anmari

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #4 am: 19. Mai 2006, 14:24:48 »
Hallo Sylvia,

schön, wenn wir dich ein wenig "aufrichten" konnten. Tja, was wird noch kommen? Du hast es dir schon selbst beantwortet: jeder Krankheitsverlauf ist anders. Ich kann dir nur sagen, wie es bei meiner Mutter war: es hat oft Phasen gegeben, in denen es ihr schlecht ging, sie kaum noch laufen und denken konnte und ich dachte, o Mann, so schnell geht das. Genauso schnell ist es aber mit Hilfe der richtigen Medikamente (= bei ihr Cortison) immer wieder vorbeigegangen. Es gab Zeiten, in denen es ihr einigermassen gut ging und dann von einem Tag auf den anderen wieder eine Phase, wo es ganz schlecht war. Die OP, Bestrahlungen und Chemo hat sie bis auf die auch von dir geschilderte Müdigkeit gut vertragen. Richtig ist aber leider, dass es zwar auf und ab ging, aber doch stetig immer etwas schlechter.

Sie hat die von den Ärzten gestellte Prognose von 8 Monaten Zeit nach Diagnose jetzt schon um 4 Monate überlebt. Bis vor 2 Monaten hat sie allein mit Hilfe eines Pflegedienstes in ihrer Wohnung gelebt. Inzwischen ist sie in einem Pflegeheim, total bettlägerig, rechtsseitig gelähmt, und nach anfänglichen Sprachstörungen jetzt völlig verwirrt und desorientiert.

Aber: bei jedem ist es anders und planbar ist überhaupt nichts. Richte dich darauf ein, dass es schlimm wird, aber geniess die Zeit, in der es deinem Papa noch gut geht. Versucht, schöne Dinge zusammen zu machen, wenn du bei ihm bist, versucht, ein wenig Normalität beizubehalten und sprecht über Sachen, die besprochen und ausgesprochen werden sollen. Nutz die Zeit, die euch bleibt, so gut es geht. Weglaufen können wir vor den Konsequenzen der Diagnose leider nicht.

Trotz allem ein schönes Wochenende.
Liebe Grüße
Anmari

RR

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #5 am: 19. Mai 2006, 22:34:17 »
Hallo Sylvia,

auch ich möchte Dir Mut machen, Dich der schlimmen Herausforderung mit allen Konsequenzen zu stellen. Dieses Forum tut so gut und man weiß einfach: da sind Leute, die dasselbe Schicksal - in welcher Form auch immer - teilen. Die einen verstehen und die noch so scheinbar unpassendsten Ausdrücke/ Gedanken vertstehen und nachvollziehen können. Es ist einfach so!

WIr alle haben unsere eigene Geschichte und doch gibt es so viele Parallelen. MAn kann sich hier tolle Infos und Erfahrungen holen - oder einfach - wie jetzt - das Schicksal teilen.

Ich lebe hier mit meinem 45 jährigen Mann, der im Nov 05 mit einem Glio IV diagnostiziert wurde. Nicht operabel. Mein Traummann ist nach wie vor sehr mobil aber hat seine gesamte Persönlichkeit verändert. Er ist ein ganz anderer. Aus einem lustigen, unterhaltsamen Mann wurde ein bösartiger Sturkopf, der im Moment sich mal wieder weigert, seine Medikamente zu nehmen (die ihn ruhig stellen, denn darin liegt unser grösstes Problem). Wir haben eine kleine Tochter, die das ganze gar nicht versteht und die das ganze auf eine ganz andere Art mitnimmt. Andere Angehörige haben wir nicht am Platz, aber dafür gute Freunde und Nachbarn. Auch diese helfen in solchen Situationen unglaublich weiter.... und wenn es nur die Engelstaten sind.. wie z.B. in der schlimmsten Zeit, wenn auf einmal ein frisches Brot und Butter oder mal ein Kuchen vor der Türe steht. Man weiß auf die Schnelle gar nicht woher es kommt, aber dann stellt man fest, daß man seit Tagen nichts vernünftiges mehr gegessen hat oder einen leeren Kühlschrank.. such dir Freunde, die dich hier unterstützen. Das ist sehr wichtig und tut gut!

Ich wünsche Dir das allerbeste, versuche zwischendurch mal zu entspannen. Ich weiß das ist nicht möglich aber versuche es so gut wie möglich zu machen .. und wenn es nur eine ruhige Tasse Tee ist. Auch das hilft, habe ich inzwischen gelernt.

Bergziege

Simse

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #6 am: 20. Mai 2006, 19:32:49 »
Hallo.

Tja, gute Frage: Wie lebt man mit der Angst? Ich denke das tut jeder anders, genauso wie jeder Erkrankte anders damit umgeht.

Ich denke erst mal ist es wichtig, welche Verbindung man mit dem Erkrankten/der Erkrenkten hat. (Ehemann, Bekannter, Eltern, oder noch schlimmer: seinem Kind).

Man muß mit der Angst leben, und versuchen sich eine art Schutzmauer aufzubauen.( ist meine meinung dazu)

Meine Situation ist, daß mein Mann(42) an dieser Krankheit sehr überraschend erkrankt ist. Ich kenne meinen mann seit 12 Jahren. Ich habe damals in einer beziehung gelebt, und wir haben uns sehr gut verstanden (wir hätten Pferde stehlen können). Meine damalige beziehung war schon nicht mehr sehr glücklich. Nachdem wir ca 1 Jahr sehr gute freunde waren, spitzten sich verschiedene Situationen imer mehr zu. Nach unserem 1 Kuss (weiteres habe ich damals "ungern" abgeblockt) bin ich nach hause und haben meinem damaligem Freund berichtet, daß unsere Beziehung so nicht mehr gehen kann, weil ich ja dann nicht erst in die Versuchung gekommen wäre, und habe mich von ihm getrennt. Ich zug zu meinem heutigem Mann. Nach 2 Monaten erfuhr er, daß er seiner Tante helfen sollte (sie hat vor 25 Jahren in Gambia eine art Hotel gegründet) und er sobald als möglich dorthinfliegen mußte, ich sollte mit. Da ich damals noch zu jung war, und ich Angst vor der fremde hatte, trennten wir uns.

Ich bin zu meinem Ex-Freund zurück, und hoffte daß wir uns nie wieder sehen, da Ich sofort zu Ihm zurückgegangen wäre.

vor 1 1/2 Jahren verliess ich diesen, nach 11 Jahren Beziehung und fing langsam an, mir ein neues leben aufzubauen.

2 Monate später traf ich unerwartet meinem Mann wieder (wußte nicht wo er war, und was er machte!!)

Wir sind wieder zusammengekommen und am 20.02.05 fragte er mich ob ich Ihn Heiraten wollte, ich sagt ja. Zu der gleichen Zeit (6.30 Uhr morgens) verstarb seine Tante in Afrika an einem Gehirntumor.

Wir haben am 05.09 geheiratet, und nahmen den Kanpf für unsere Liebe auf. Am 29.03.06 wurde ihm größtenteils der Glio IV entfernt und er ist im moment noch in Strahlenbehandlung und hat die ersten 5 Tage Temodal ohne Beschwerden überstanden.

Wie jeder von euch sicherlich weiß, ändert sich der Kranke in seiner Art, und er sucht den ganzen Tag nur Streit, ich komme nicht an ihn ran. Bei anderen verhält er sich ganz anders.

Deshalb bin ich im moment damit beschäftigt, mir ein Schutzschild aufzubauen, wo die Reizungen von Seiten meines mannes mich nicht so erreichen können, da ich weiß er meint es nicht so, er muß ja selber erst mal klarkommen mit dem Befund und der Krankheit, ohne zu wissen wie lange es noch geht.

Jeden Tag schaff ich es besser nicht alles zu persönlich zu nehmen und ruhe zu bewaren. Das ist meine Beitrag und zugleich die Empfehlung die ich zu diesem Thema geben kann.

Aber wichtig ist eines: Niemals aufgeben zu Hoffen, denn nur durch die Hoffnung kann der Mensch leben.
Dennoch: Die Angst ihn zu verlieren steht im Hinterkopf, doch ich Glaube an Ihn und seinem Starkem Lebenswillen


In Diesem Sinne Alles erdenklich gute, und nicht unterkriegen lassen, denn die Hoffnung stribt zuletzt!

Eure Simse  ;)

Schnipsi

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #7 am: 21. Mai 2006, 14:42:57 »
Hallo an alle hier,

es ist schwer das zu schreiben aber meine Freunde sagen mir immer wieder "Das Leben geht weiter", "Du kannst nichts ändern an dem Schicksalsschlag Deines Vaters".......irgendwie banal, aber es ist was dran.

Auch ich bin jedes Wochenende ( ich habe nur 150 km) nach Hause gefahren, auch ich habe geweint und weine noch immer, auch ich versinke in Tiefs und Depressionen, aber weitergeholfen hat es meinem Papa nicht. Zudem hat mich diese Situation jedes Wochenende nach Hause zu fahren, noch mehr angegriffen, und ich war keine große Hilfe zu Hause, da wir alle nur noch depressiver.

Ich fahre jetzt jedes zweite WE nach Hause und ich würde es jedem, der nicht direkt in unmittelbarer Umgebung des Betroffenen wohnt, auch raten. Ich kann jetzt meinem Papa viel positiver gegenüber stehen und genau dass ist es was er braucht. Keine depressiven Menschen, die ihn bemitleiden und die sich selber in Selbstmitleid tunken.

Auch versuche ich, mich nicht zu vergraben und offen darüber zu reden und zu sein. Dieses Forum hier hilft mir sehr, da ich viel Info und auch positive Worte hier erfahre und wir alle ein gemeinsames Schicksal teilen.

Und mir ist die Hoffunung geblieben, die Hoffnung, dass es eines Tage ein Mittel gegen diesen Teufel gibt und auch dass mein Papa wieder gesund wird.

Wir haben den sechsten Zyklus Temodal gut überstanden. Und jetzt wird es die Zeit zeigen, was das Schicksal mit meinem Papa noch vor hat.

Ich wünsche Euch allen , das Ihr nie die Hoffnung verliert. Gebt Euch selber nicht auf, dass kann der Betroffenen am wenigsten gebrauchen.
Doris


jussi

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #8 am: 22. Mai 2006, 16:44:09 »
Hallo ihr Lieben,
wieder mal Danke für alle Antworten. Es hilft!

Bin erstmal aus der riesen Depression der vorigen Wopche raus, aber jeder Tag beginnt und endet mit DEM Gedanken und großer Traurigkeit.
Mein Sohn steckt im Moment in den schriftlichen Prüfungen der 10. und braucht auch meine Hilfe. Er weiß noch nix von der Krankheit seines Opa´s. Keine Ahnung, wie ich mit ihm darüber rede. (War von euch einer in der Situation, die Krankheit seinem Kind im Teenager-Alter erklären zu müssen?)

Euer Rat sich zu informieren war auch gut. Das schafft wieder ein bissel Hoffnung, das der Kampf nicht verloren ist, bevor er begonnen hat.

Wie ging oder geht es euch bei der Suche nach Therapien, Studien usw. Wo habt ihr geschaut, seid ihr fündig geworden?
Ich bin ein bissel ratlos, wie man weiter vorgehen kann. Bin noch ein bissel in der lähmenden Annahme, der behandelnde Arzt tut das Beste, was getan werden kann.

Liebe Doris, danke das Du diese Worte "das Leben geht weiter" geschrieben hast. Es muß ja sicher bei euch allen weitergehen.
Am Wochenende waren die beiden kleinen Kinder (9 und 11 Jahre) meines Lebensgefährten bei uns (sie kommen alle 14 Tage am Wochenende) Es hat mich schon abgelenkt, aber gleichzeitig kommt automatisch das schlechte Gewissen, das es mir "so" gut geht, obwohl mein Vater so krank ist.

Ich habe wieder ein klein bissel Hoffnung und möchte sie gern mit euch teilen.
Bitte antwortet weiter, es hilft so sehr.
Liebe Grüße an euch alle
Sylvia



bine1990

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #9 am: 23. Mai 2006, 08:18:55 »
Hallo Sylvia,
meine Ma (64) hat seit Mai 2005 ein Glio IV (die Geschichte steht unter Glioblastom IV (1-14). Meine Kinder sind 18 und 16. Es war nicht einfach es ihnen zu sagen, aber auf der anderen Seite sind sie ja nicht mehr so klein. Wir sind damals als die Diagnose uns "erschlagen" hat, sehr offen damit umgegangen. Auch meine Mutter, die es als erste in der vollen harten Wahrheit vom Doktor erfahren hat (sie wollte die ganze! Wahrheit wissen). Da sich unsere Angehörigen im Laufe der Krankheit teilweise sehr verändern (wirst du hier auch schon gelesen haben) ist es meines Erachtens sehr wichtig den Beteiligten die Wahrheit zu sagen, bevor sie echt mal "geschockt" sind, weil sie nicht mehr erkannt werden, anders genannt werden oder der sonst liebe Angehörige auf einmal brummig und böse ist! Die Wahrheit ist sehr grausam, aber im Endeffekt kommen wir nicht daran vorbei. Es gibt immer wieder Momente wo man weglaufen will (so geht es zumindest mir teilweise, aber ich denke das ist auch nur ein Zeichen, das man noch lebt und der Körper einem sagen will, du bist auch noch da)! Deshalb bitte auch keinerlei Vorwürfe, wenn du ein paar schöne Momente erlebst, es sind Dinge von denen du zehren kannst und musst, denn es kommen noch genug weniger schöne Tage! Sorry, aber es hat hier keinen Zweck etwas zu beschönigen, denn es kommt meistens doch anders! Also, wenn die Prüfungen durch sind, nimm deinen Sohn und sprich mit ihm, lass ihn vielleicht auch in dieses Forum schauen, Jugendliche sind sehr wissbegierig und suchen vielleicht auch von sich aus Antworten auf Fragen die sie haben.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen viel Kraft für die nächste Zeit!

Schnipsi

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #10 am: 23. Mai 2006, 18:32:04 »
Hallo meine Lieben,

jede Geschichte verläuft hier ähnlich, auch wir haben die volle Wahrheit im Dezember 2005 erfahren. Vor allem wurden uns Zeitangaben wie "sechs Wochen bis 18 Monate Überlebenschance laut Statistiken "gegeben und seit diesem Zeitpunkt lebt unsere Familie ständig in der Angst, meinen Papa zu verlieren. Ich habe viele Gespräche mit meinem Papa gehabt und er hat immer wieder gesat "so wollte er es nicht wissen". Mein Hausarzt meinte dazu "man kann die Wahrheit sagen, muß aber nicht die Wahrheit sagen" und war entsetzt über die Worte des Neurologens, er meint kein Arzt dieser Welt kann einem Menschen den Tod auf den Zeitpunkt  voraussagen.

Ich habe auch gemerkt ,das wir ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir einen schönen Moment haben und deshalb versuchen wir, der Situation dementsprechend zu trauern. Niemandem ist damit geholfen, wenn ich jeden Tag zu Hause bleibe und weine und mir Gedanken über die Krankheit meines Vaters mache.

Ich finde, dass wir manchmal sehr egostisch denken hier, wie wir drauf sind und wie uns der Kummer plagt, wo es doch nicht wir sind, die erkrankt sind, die Chemos über sich ergehen lassen müssen, die Schmerzen haben, die immerzu an den Tod denken müssen.

Silvia, ich kann Dir nur raten soviel wie möglich auch dem Internet zu holen und auch eine Heilpraktikerin zu kontaktieren.
Wir machen zur Zeit alles, was irgendwie helfen kann (ganzheitliche Medizin).
Ernährung, Vitamine etc etc. spielt hierein sehr große Rolle.
Viel frische Luft und leichte Bewegung.

Vergiß es irgendwelche Institute anzuschreiben. Meine Erfahrung hierzu sind negativ, entweder bekommst Du überhaupt keine Antwort oder nur ein banale Info "das können sie im Internet nachlesen"..."mehr können wir auch nicht tun". Ich habe von der Charite Klinik in Berlin bis zur Klinik in Regensburg alle durch und es wurde mir in keinster Weise weitergeholfen. Soviel dazu.

Übertreib es aber mit dem Lesen von Krebsbüchern und Beträgen nicht, sonst läufst Du Gefahr in eine Depression zu rutschen...ich habe das anfangs gemacht und konnte dann das Wort Krebs nicht mehr hören.

Ich habe keine Kinder, denke aber Dein Sohn ist in dem Alter, wo man ihm die Krankheit seines Opas anvertrauen kann. Langsam......damit er begreift......

Ich drück Euch alle und schick Euch Kraft
Doris












Offline Bea

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Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #11 am: 24. Mai 2006, 16:00:58 »
Hallo!

Sylvie:
Zitat
War von euch einer in der Situation, die Krankheit seinem Kind im Teenager-Alter erklären zu müssen?)

Ja, ich leider. Meine Kinder sind 14 und 10 Jahre alt.
Da ich selbst Betroffene bin - allerdings mit einem Oligoastro - habe ich mich entschieden, es ihnen sofort zu sagen.
Ich hatte Sorge, dass sie es irgendwie erfahren würden und das wollte ich nicht.

Als meine Mutter damals am Gehirntumor erkrankte und starb, war ich 15.
Dass ich nie mit ihr über ihre Krankheit, ihre Gedanken und Empfindungen sprechen konnte, macht mich noch heute betroffen.
Das wollte ich für meine Kinder nicht.

Aber: Ich bin der festen Überzeugung, dass es kein Patentrezept gibt.
Jeder muss es in Zeit und Form so machen, wie er es selbst für das Beste hält.

Nicht einfach, ich weiß.
Wünsche euch alle Kraft,
Bea

wost

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #12 am: 24. Mai 2006, 17:58:06 »
Hallo Sylvia,
mir geht es wie deinem Vater. Glio IV, aber nicht operabel, seit 9 Monaten.(Habe anscheinend der Statistik einen Streich gespielt). Habe jetzt Stahlen- u. Chemotherapie hinter mir, (ohne vorige OP). MRT zeigte 6 Wochen später Stillstand des Tumors und leichten Rückgang. Jetzt wird Temodal-Chemo weitergeführt. Ich fühle mich z.Zt. sehr gut, habe die Therapie ohne Probleme überstanden. Wie´s weitergeht steht in den Sternen. Wie du sicherlich gelesen hast, kann sich alles sehr schnell zum Negativen wenden. Ich kann mit meiner Krankheit "sehr gut" leben, habe mich auch nicht "verändert" (was hoffentlich auch nicht kommt). Wichtig ist, wenn die ganze Familie hinter einem steht. Wir sprechen so gut wie nie über den Tumor, fahren in Urlaub und genießen unser Leben. Ich weiß, jeder Mensch reagiert anders, aber wichtig ist: Mut nicht verlieren, nie aufgeben. Sobald man sich hängen lässt ist man auf der Verliererstraße. Ich wünsche deinem Vater alles Gute und dir viel Kraft für das was dir noch bevorsteht.
wost

jussi

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #13 am: 09. Juni 2006, 23:56:01 »
Hallo ihr Lieben,
Habe mich lange nicht gemeldet, habe aber die Zeit gebraucht, einen ersten Weg zu finden im Umgang mit dieser Krankheit, mit mir und dieser Krankheit.
Musste einfach für ein paar Tage dieses „Horror-Szenario“ aus meinem Kopf vertreiben und mich „fangen“.
Tausend Dank für eure Antworten, sie haben mich vorm Verzweifeln bewahrt (ich bin ein sehr emotionaler Mensch mit Neigung zu Depressionen, arbeite aber daran.)

Lieber Wobst,
besonderen Dank für deine Antwort. Du hast mir sehr geholfen, weil ich mir (und ich glaube, es geht vielen so) nicht vorstellen kann, was in den betroffenen Menschen (meinem Vater) vorgeht.

In meinem Kopf drehen sich tausend Gedanken immer im Kreis. Wie kann ich helfen. Wo muss ich schau´n im Internet, um Hilfe (Therapien) ausfindig zu machen, aber am Ende komme ich immer zu dem Schluss, dass ich relativ wenig gegen den Tumor tun kann. Und was sage ich da meinem Vater ?
In dieser, für  mich „verzweifelten Situation“ bin ich am Donnerstag zu meinen Eltern gefahren, 300 km mit Tränen in den Augen und mit Angst.
Was soll ich sagen, mein Pa ist „richtig gut drauf“ (ihr wisst wohl alle, was ich meine) Er hat ab und an leichte Kopfschmerzen und leichte Übelkeit, aber kümmert sich. Wir haben gelacht und gescherzt und er hat mir unterschwellig schon versucht zu sagen, dass er um die Begrenztheit seiner Tage bescheid weiß, aber wir haben Hoffnung. Er hat noch viele Pläne, und wir bestärken ihn darin.
Er schenkt mir jetzt sein Auto, (für mich ein Traum Auto, könnte ich mir nie leisten), weil er weiß, das er sowieso dieses Auto nie wieder fahren kann. Es dreht mir das Herz im Leibe um. Genau vor einem Jahr hat mein Pa noch unser Haus mit ausgebaut, was wir ohne ihn nie geschafft hätten.

Hilft euch „irgend jemandem“ der Satz „ irgendwann muss jeder geh´n.?

Leute, ich muss jetzt mal richtig weinen. Ostern ist mein Opa gestorben, meine Oma liegt im Sterben und Papa hat diesen Scheiß- Tumor. Wie komme ich daraus?

Vielleicht, hoffentlich, klickt sich ja noch mal wer ein
Danke Sylvia

pady

  • Gast
Re:Wie lebt man mit der Angst?
« Antwort #14 am: 10. Juni 2006, 02:24:29 »
Hey Sylvia,
bei mir liegt diese widerliche Erkrankung schon 3 Jahre zurück. Mein Mann hatte auch einen Glio multiforme IV. ER stand mitten im Leben. Er hat immer gewusst welche Erkrankung er hatte. Wir sind so offen damit umgegangen wie es uns beiden möglich war. Er hat versucht vorzusorgen, wollte alles regeln, für mich und unsere Kinder. Wir haben auch im Internet nach Therapiemöglichkeiten gesucht, aber etwas, was uns überzeugt hätte, gab es nicht. Mein Mann war Kfz-ler aus Leidenschaft, nicht mehr fahren zu dürfen war für ihn das Schlimmste. Da kann ich mir vorstellen, was in Deinem Vater diesbezüglich vorgeht.
Ich denke, es wird Deinem Vater helfen, wenn er das Gefühl hat ihr kommt auch ohne ihn klar. Mag sich brutal anhören, aber meinem Mann hat es geholfen da seine Sorge seiner Familie galt. Wir hatten noch viele schöne, heitere Stunden und Tage. Mein Mann hatte auch noch viele Pläne, die ich nach Kräften unterstützt habe, doch ich muss sagen, wir haben beide gewusst, sie waren nur ein Teil unserer Hoffnung, die man hat und die man nicht aufgeben darf.
Du fragst:"Hilft euch „irgend jemandem“ der Satz „ irgendwann muss jeder geh´n.?" Nein, der Satz hilft nicht. Letztlich hat mir geholfen zu wissen, mein Mann muss nicht mehr leiden, er muss keine Krämpfe mehr aushalten, er muss nicht mehr die ganzen Untersuchungen über sich ergehen lassen, er muss nicht mehr erfahren, der tumor wächst und nimmt ihm jeden Tag ein bischen mehr von seinem Leben.
Ja, Sylvia, wenn du weinen musst, dann weine, so viel und so lange bis es ein ganz kleines bischen besser geht. Glaube mir, es geht irgendwann besser, ich habe es erfahren. Es ist eine widerliche Krankheit, es gibt, aus meiner Sicht ab einem gewissen Stadium keine Hilfe. Das einzige, was dem Betroffenen hilft ist die Liebe und Hilfe der Familie, die Bereitschaft für ihn da zu sein, ihn zu begleiten bis zum Schluss, möglichst in häuslicher Umgebung und nicht in einem Krankenhaus. Mag sich sehr abgeklärt und gefühllos anhören, doch glaube mir, es war die schlimmste Zeit meines Lebens aber auch die innigste Zeit mit meinem Mann, er kannte alle meine Gedanken, ich wusste alles von ihm. Liebe Sylvia, Du wirst da herauskommen doch bis dahin wirst Du Deinen Vater, Deine Familie stützen müssen. Ich denke, dass wirst du schaffen, so wie ich es auch geschafft habe und mit uns viele Angehörige von Betroffenen bei all unserer Trauer und Wut auf diesen widerlichen Tumor.  Ich war heute nach langer Zeit wieder mal hier auf der Hirntumorliste. Dein Schreiben hat mich bis ins Innerste bewegt, hat es doch meine Ängste, Fragen und Hoffnungen von damals angesprochen. Wünsche Dir, Deiner Familie und vor allem Deinem Vater viel Kraft und alles erdenklich Gute,
Monika

 



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