Hallo ihr lieben,
ich habe mich so lange nicht gemeldet, seit ungefähr 1 1/2 Monaten mindestens. Es ging einfach nicht. Ich hatte weder die Zeit noch die Nerven mich mit anderen Schicksalen auseinanderzusetzen. Ganz großes SORRY!!! an SARABANDE, AGNES und viele andere. Ich werde mir eure Beiträge noch im nachhinein durchlesen.
Mein lieber Steff ist am 17.06.07 um 5.05 gestorben.
Ich denke mal, das letzte was ich geschrieben habe war, dass bei ihm ein zweiter Tumor im Kleinhirn entdeckt wurde. Ihm war ständig schwindlig, er hatte Sehstörungen und Schwierigkeiten mit der Sprache. Das war am 23.03. Es ging sofort los mit neuen Bestrahlungen, Chemo lief eh schon weiter mit Temodal. Und für mich war klar: Ich werde die nächsten Wochen nurfür ihn dasein, und nicht arbeiten, ins Internet gehen oder sonstige Dinge, die ich außer dem notwendigsten, wie Kinder, Hund, Haushalt erledigen muss, tun.
An Ostern hat er sich nur ausgekotzt und konnte ohne Hilfe nicht mehr gehen. Kurz danach hat er seinen Rollstuhl bekommen. Trotzdem wollte er immer wieder unbedingt wissen, was er noch alleine schafft und hat etliche schwere Stürze erlitten mit Platzwunden und anderen unschönen Blessuren. Er war trotz allem meistens gut drauf und wollte auch mit Rollstuhl überall hin - ins Eiscafe (allgemeiner Treffpunkt in unserem Ort) zu Aldi, einfach unter die Leute. Ich habe ihm oft gesagt, wie lieb er ist, und dass ich ihn wahrscheinlich oft anmaulen würde, wenn es umgekehrt wäre. Er hat wirklich alles mit Würde getragen. Und es kamen immer wieder Rückschritte hinzu. Wobei er vom Gedanklichen, persönlichen und auch logischen her immer besser drauf war. Somit war stets die Hoffnung da, dass sich nach der Bestrahlung auch die anderen Symptome bessern würden.
Dann kam am 19.05. der absolute Tiefpunkt. Über den Tag hinweg ging es ihm immer schlechter. Er hat schnell geatmet und hatte keine Kraft mehr. So, dass er scheinbar morgens schon Erbrochenes in die Lunge gekriegt hat, weil ihm die Kraft fehlte, sich über seinen ständigen Begleiter, den Eimer zu beugen. Ich war den ganzen Tag schon mit dem Hospitzverein in Verbindung, bis gegen abend dann die Krankenschwester da war und eine Ärztin anrief. Die stellte eine beginnende Lungenentzündung fest. Sie kannte uns noch nicht näher und wusste nicht so recht wie wir zu den Dingen stehen. Jedenfalls hat sie vorgeschlagen, dass man das auch zu Hause behandeln kann. Wir haben aber entschieden in die Klinik zu gehen. Sie hat uns dabei unterstützt und alles weitere veranlasst. Mein Mann wurde abgeholt und ich bin mit meinem Auto zur Klinik gefahren. War ja alles irgendwie harmlos.
In der Klinik angekommen, durfte ich nicht zu ihm. Der Arzt hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass dies eine äußerst lebensbedrohliche Situation ist, und sie jetzt von mir wissen müssten, was sie mit ihm machen sollen. Ob er lebensverlängernde Maßnahmen will oder nicht. Ich hab seine Patientenverfügung erstmal nicht erwähnt. Nach einiger Zeit durfte ich ihn sehen. Zuvor hatte ich mit einem weiteren Arzt ein ähnliches Gespräch, und es war klar, er könnte sterben, bzw. haben mir diese beiden Ärzte schon gesagt, dass auch ein gesunder Mensch mit einer Sepsis bei Pneumonie wenig Überlebenschancen hat. Als ich ihn dann endlich sehen durfte, war mir sofort klar, dass er an diesem Tag nicht sterben würde. Anschließend hatte ich mit einer Ärztin von der Intensivstation ein Gespräch, wieder das gleiche. Ich habe gesagt, sie brauchen sich gar keine Gedanken mehr über die Intensivmedizin machen, weil er das nicht brauchen wird, er schafft das auch ohne. Daran haben 3 Ärzte unabhängig voneinander nicht geglaubt. sie haben uns ein schönes Zimmer auf Station besorgt, weil sie dachten, nach der nacht ist es eh vorbei.
Aber Steff sollte noch nicht sterben. Ich wusste das. Und was ich in dieser Nacht noch erlebt habe, kann ich gern denjenigen in einer persönlichen Mitteilung erzählen, die über das Thema Glaube und Gott etwas lesen wollen.
Er erholte sich so unfassbar schnell, es war der Hammer. Am nächsten Mittag schon hatte er völlig normal Werte und es ging ihm richtig gut. Die Ärzte standen vor einem Rätsel und haben sich einfach nur gefreut. Er war insgesamt 10 Tage in der Klinik. Ich war jede Nacht bei ihm. Das Zimmer war sehr komfortabel, ich hatte mein Bett und wir haben es uns echt gemütlich gemacht. Er war sehr geschwächt und konnte noch weniger selbständig tun als vorher. Wir dachten, das kommt auch wieder. Wir müssen ihn halt zu Hause aufpäppeln.
Kaum zu Hause, war wieder der MDK da und hat ihn sehr schnell auf Pflegestufe III hochgestuft. Ich hatte mittlerweile Pflegebett, Toillettensitz und Duschsitz zu hause. Der Pflegedienst kam auch. Ich konnte es nicht mehr alleine schaffen, ihn morgens fertig zu machen. Es waren harte Tage, an denen ich dachte, ich stehe vor einem so hochen Berg dass ich nicht darüber schauen kann. Ich wusste nicht, wie ich das alles schaffen sollte.
Am 5. Tag zu hause erneut Beschwerden. Wieder in die Klinik. Verdacht auf erneut aufgekeimte Lungenentzündung. Diesmal nicht mehr die Frage, ob Intensivmedizin noch wünschenswert war, sondern schon das Antibiotikum war scheinbar zu viel des guten. Das wollte ich nicht mehr selbst entscheiden. Also hab ich ihm das überlassen. Er sollte sich das genau überlegen, ob er nochmal alles mitmacht. ich konnte ihm nur versichern, dass ich ihn pflege, so lange es dauert, dasss ich es gerne mache, auch die Kinder, alle Freunde, jeder. Aber er ist der Mann, wenn er nur noch seine Ruhe haben will, dann müssen wir das akzeptieren. Er hat stundenlang überlegt. In dieser Zeit war mir klar - lieber weiterhin das alles machen, als ihn zu verlieren. Und der Berg war weg. Er hat sich entschieden weiter zu kämpfen.
Dieses mal hatte er nicht die gleichen Highlights wie zuvor. Aber auch nichts an der Lunge. Die war total i. O. Jetzt war es ein Harnwegsinfekt. Und ich dachte: Klasse, und da überlegen die, ob sie ihm überhaupt noch Antibiotika antun sollen. Es war so ein Zustand der allgemeinen Schwäche, und das hat stagniert. Nach einer Woche in der Klinik gab es schon eine dramatische Situation, wo ich nicht wusste, was hier abgeht. Es ging ihm schlecht. Für mich erkennbar. Der gerufene Arzt konnte nichts feststellen. Herz, Lunge, Blutdruck, Puls, Blutwerde - alles wunderbar. Am Tag zuvor habe ich das allererste Mal festgestellt, dass er jetzt leidet. Keine Schmerzen, aber eben ein Leiden, das mir angst machte. Danach habe ich meine Kinder mitgenommen und den Großen gesagt, sie sollen sich verabschieden.
2 Tage später wurde er aus der Klinik entlassen. Medizinisch hat ihm nichts gefehlt außer seinen Tumoren, von denen keiner wusste, wie sie sich verhalten haben. Wir hatten soviel Hoffnung, weil er wirklich so aufnahmefähig war und sich alles merken konnte. Sein Hirn hat im Gegensatz zu früheren Zeiten super funktioniert. Ich hatte schon den kurzen Gedanken daran, dass ja nach ein paar Tagen wieder was sein könnte. Und da hab ich schon beschlossen, ihn nicht mehr in die Klinik zu bringen. Jetzt weiß ich aber, dass das seine Gedanken und Gefühle in mir waren, dass ich immer wusste, was für ihn das richtige war.
Am Mittwoch, den 13.06. kam er also das zweite mal aus der Klinik heim. Wieder schwächer. Mittlerweile musste er gefüttert werden. Er war seit Sonntag bettlägrig. Die nächsten paar Tage gab es ebenso wunderschöne wie furchtbare Situationen.
Am Samstag morgen um 5.30 bin ich aufgewacht und aufgesprungen. Ich hab ihn angesehen und er mich. Ich hab gesagt. Steff, du musst jetzt was trinken. Ich gab ihm mit dem Teelöffel etwas Tee in den Mund und es kam wieder hervor mit weißem Schaum. Da wusste ich, das wars. Ich hab ihm dann gesagt, dass ich jetzt seinen besten Freund anrufe. Da hat er mich noch angesehen und dann die Augen zugemacht. Ich hab den Hospizverein, seine ganze Familie, seine ganzen Freunde, meine besten Freundinnen angerufen. Um sechs Uhr war unser Haus schon ziemlich voll. Dann herrschte etwas Hektik. Den Pfarrer anrufen, die restlichen Leute anrufen usw. Wir dachten alle, in ner halben Stunde ist alles vorbei. Er wurde immer ruhiger, je mehr Leute da waren. Unser Kleiner Sohn hat oben geschlafen, und ich dachte, bevor der aufwacht, ist es vorbei. Aber als er um 9.30 aufgestanden ist, war bereits alles so friedlich, und ich dachte, auf ihn hat er jetzt noch gewartet. Marian ging hin, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass sein Papa heute sterben muss, weil das Leben zu schwer für ihn geworden war, und dass er gerne noch bei ihm bleiben würde, das aber einfach nicht kann, und dass er zum lieben Gott gehen wird weil er dort wieder gesund sein wird. Marian wusste eh schon bescheid, er war schließlich derjenige, der zwei Tage zuvor das erste Mal in dieser ganzen Krankengeschichte, wo über alles so frei gesprochen wurde, weinte und sagte, er will dass Papas Tumore weggehen und Papa soll nicht sterben. Das Kind lebt einfach vom Gefühl, und nachdem er immer alles aussprechen konnte und da aber erstmals vom sterben sprach, bekam ich schon Angst, ob er vielleicht was ahnt was ich noch nicht ahnen kann... Er hat sich zu ihm ins Bett gelegt und ihm lauter süße Sachen ins Ohr geflüstert. Ich hab ihm dann versichert, dass er ruhig spielen gehen darf, dass Papa sich darüber freut. Unsere Freunde waren so toll, dass sie sogar ihren gleichaltrigen Sohn geholt haben, damit die beiden zusammen spielen können. Im Laufe des Tages kamen immer mehr Leute, es gingen auch mal welche zwischendurch, es kamen mehr Kinder dazu. Und auch meine Großen, die erstmal Abstand gebraucht hatten, konnten wieder ohne angst dazukommen, nachdem ich ihnen versichert hatte, dass es nichts gibt, wovor sie angst haben müssten, dass Dad einfach friedlich schläft und schnauft, aber sehr wohl weiß wer da ist und dass er sie braucht und auch ich und der Kleine.
Wir waren ca 30 Leute im Haus. Es wurde soviel geweint, es wurde gelacht, es wurde gekocht und gegessen. die Kinder sprangen draußen in den Pool und wenn sie reinkamen haben sie Steff gestreichelt, und davon geschwärmt, wie er immer gezaubert hat. Jeder hat sich einzeln von ihm verabschieden können, manchmal waren fast alle im Raum, manchmal nur die eltern und ich. diesen Tag wird keiner von uns je vergessen. Er hat sich sogar zwischendurch richtig "erholt". Da kam sofort wieder Hoffnung auf . Für mich war dann aber klar, das allerletzte mal. Danach will ich nicht mehr hoffen, sondern es gut sein lassen. Wir hatten schon so ungefähr 18 Stunden so verbracht, als ich etwas seltsames in mir bemerkte. Das war der zeitpunkt, als seine Seele schon unter uns unterwegs war. jeder hat sich dann gefragt, wie lange es noch dauern würde. Ich hatte das bild vom morgengrauen vor mir. als ich dann mal kurz allein war, hab ich mir selbst diese Frage gestellt, wann wird es so weit sein? Ich hab ganz klar mit offenen augen die 5 vor mir gesehen und dann auch den "ungeduldigen" die sich schon gefragt haben, warum er denn jetzt nicht "erlöst" wird gesagt, dass es nicht vor 5 uhr sein würde. Wir hatten uns schon am Abend überlegt, was wir tun sollten, wenn er denn eingeschlafen ist. Ich hatte die Idee, ganz viele Teelichter auf seinem Pool schwimmen zu lassen. Die Freunde haben dann mit den Kindern seinen Namen aus Teelichtern geformt auf Bretter gelegt, die Mädchen haben es mit Blumen geschmückt. Es war alles vorbereitet, wir waren alle vorbereitet. Aber Steff hat es scheinbar so genossen, alle um sich zu haben. Er hat sich einfach Zeit gelassen. Ich wusste genau wann und wie alles sein würde und genau so war es. Er hat einen vorletzten Atemzug gemacht und dann kam lange nichts. In dieser zeit hab ich dauernd gesagt, es soll keiner erschrecken, es kommt noch was - ein mal noch. Und dann hat er nur noch alles Leben ausgehaucht. Ich hatte die ganze zeit meine hand auf seinem herzen und habe es immer schwächer schlagen gespürt.
Ich hab ihm dann gesagt, wie dankbar ich dafür bin, dass ich so eins mit ihm geworden bin, dass ich so froh bin, dass er mir zu verstehen gegeben hat, wie alles ablaufen würde und es einfach schön ist, die Gewissheit zu haben, dass er genau der richtige für mich war. Ich habe Gott dafür gedankt, dass es keine einzige unwürdige Situation gab und Steff einfach in Frieden gehen durfte. Ohne Anfall, ohne Stöhnen, ohne Winden oder Augen aufreißen. In diesem Moment dachte ich nie und nimmer, dass es mich dermassen schwer treffen könnte, wenn er dann tatsächlich nicht mehr da ist.
Nachdem meine Kinder sich dann ein allerletztes mal von ihrem Vater verabschiedet haben und ich sie morgens um 6.30 wieder ins Bett gebracht habe war auch ich noch mal ganz allein mit ihm. Seine Seele war auf jeden Fall im Raum, aber jeglicher Geist war aus dem Gesicht, aus dem Körper verschwunden. Als ich eine Stunde lang versucht habe zu schlafen, es aber nicht konnte, war es mir nur noch wichtig, dafür zu sorgen, dass er so schnell wie möglihch abgeholt wird. Ich wollte mir und den Kindern den Anblick ersparen wie er vom Bestatter rausgefahren wird. Danach bin ich dann doch noch total zusammengebrochen mit dem Gefühl, dass ich diese überwältigende Traurigkeit nicht überleben könnte - ich wollte aber. Als ich dann genau wie mein Mann reagiert habe und alle Anzeichen, die wir immer an ihm beobachtet haben so real für mich fühlbar waren - ich konnte weder richtig sprechen, noch hatte ich Kontrolle über meinen Körper- war mir klar, dass er mir und denen, die noch da waren zeigen wollte, wie es ihm immer ging. Und das war so unerträglich, dass ich wirklich nach einem Arzt verlangen musste. Es war nicht auszuhalten. Aus diesem Grund weiß ich heute, er konnte nicht mehr kämpfen. Es war besser für ihn, zu gehen.
Am 21.06. war die Aussegnungsfeier und nach dem offiziellen Teil und dem leidlichen Verwandchaftsgeplänkel haben wir unsere "etwas andere Trauerfeier" ganz nach Steffs Geschmack gestaltet. Er stand sein Leben lang gerne im Mittlelpunkt und hat auch das noch genossen. Er ist einfach ganz nah bei uns und wir fühlen uns auf einer Welle getragen, was vieles so sehr erleichtert. Bis jetzt geht es uns nicht wirklich schlecht, weil wir wissen, es war alles gut so wie es war und es war in seinem Sinn.
Ich hoffe, ich kann mit unserer Geschichte Mut machen ohne jemandem die Hoffnung auf Heilung zu nehmen. Ich habe erfahren, dass ALLES möglich ist. Es ist schön, daran zu glauben. Die Hoffnung stirbt nie, denn selbst beim Sterben ist die Hoffnung auf einen friedlichen Tod und ein ewiges Leben vorhanden.
Eure Ihope