Hallo Andrea!
Nein, du verärgerst mich nicht mit deinen Fragen. Erstens hatte ich es dir doch angeboten mich zu fragen, zweitens hätte ich damals auch gerne jemanden als Ansprechpartner gehabt und drittens finde ich es auch irgendwie schön, wenn jemand nachfragt, was Frederik und mich betrifft - auch wenn es zur Krankheit ist. So habe ich zumindest ein wenig das Gefühl, das meine Erfahrungen mit der Krankheit etwas Sinnvolles haben.
Also Frederik wurde nur einmal deswegen operiert. Im Sommer 2005 kam er wegen eines Zuckens im rechten Arm ins KRankenhaus. Dort wurden so viele Untersuchungen gemacht. Doch um wirklich sicher zu gehen bzw um auch genau bestimmen zu können, was da nun im Gehirn los ist, wurde eine Biopsie gemacht. Während der OP hat der Chirurg sich dann doch dazu entschieden, so viel wie möglich von dem Tumor wegzuschneiden wie es ging. Leider konnte er aber nicht alles entfernen und es gab sowieso noch mind. zwei andere Herde im Kopf, an die man nicht herankam. Wir haben trotzdem später noch versucht andere Meinungen von anderen Kliniken und Chirurgen zu bekommen - wir waren sogar im INI in Hannover, von dieser Klinik hatten wir so viel erhofft, denn die haben neue Methoden und sind sehr modern. Aber keiner konnte helfen. Frederiks Tumor galt als inoperabel, weil er ja auch mehrere Herde im Gehirn hatte, die alle eine Verbindung zu haben schienen, die durchs Motorikzemtrum ging.
Frederik und ich haben zusammen in Berlin gelebt, sind aber dann im Februar 2006 zurück nach Norddeutschland gezogen. Wir sind bei meinen Eltern eingezogen, weil wir uns so die Miete gespart haben (wir wollten ja viel herumreisen) und wir auch schon ein wenig die Unterstützung bei der Pflege im Hinterkopf hatten. UNd das war genau richtig. Alleine hätte ich das alles gar nicht mehr schaffen können. Nach unserem Tahiti Urlaub saß Frederik dann ja im Rollstuhl. Anfangs ging es noch aber es wurde wirklich immer beschwerlicher: die Treppen, die Toilette,.. einfach alles. Es war körperlich wirklich sehr anstrengend (Frederik war auch nicht gerade ein Leichtgewicht
). Im Juli wurde es dann so schlimm (nachdem wir aus unserem Frankreich "Urlaub" kamen), dass wir ein Pflegebett für ihn bekommen haben, das wir in der Stube aufgestellt haben. Mein Bett habe ich daneben aufgestellt, so dass ich Tag und Nacht da war. Es ging plötzlich alles sehr schnell. Er hat immer weniger gesprochen, eigentlich nur, wenn man ihn etwas gefragt hat. Aber auch dann hat er nur geflüstert. Es schien ihn sehr anzustrengen.
Meine Eltern haben mich sehr unterstützt und auch seine Eltern waren hier vor Ort (wobei das Verhältnis zu ihnen leider nicht so ganz herzlich war, wie man es sich gewünscht hätte). Außerdem war seine Schwester oft hier (sie ist Kinderkrankenschwester und konnte so gute Tipps zur Lagerung geben).
Irgendwann konnte er sich dann gar nicht mehr bewegen. Ich denke, das war sehr schlimm für ihn. Auch wenn er geistig stark abgenommen hatte und sich ja auch nicht mehr so richtig geäußert hat, so hatte er plötzlich doch noch manchmal "helle" Momente. Schmerzen hatte er leider auch ein wenig, meist, wenn man ihn bewegt hat. Dagegen hat er aber Morphium Pflaster bekommen.
Frederik war bis zum Schluss hier zu Hause. Auch darüber bin ich sehr froh. Ich denke, er hätte nicht in einem Krankenhaus sterben wollen. Wenn er dort war, wollte er immer so schnell wie möglich nach Hause.
Außerdem hat er sein Wesen nicht verändert - da habe ich immer einiges drüber gelesen und hatte da große Angst vor, dass er plötzlich fies und gemein wird - ich denke, daher war es auch so leicht für mich ihn unbedingt hier behalten zu wollen.
In seinen letzten Tagen hat er noch ein paar kleine Anfälle bekommen und ein Mal hab ich sogar noch den Notarzt gerufen. Als die dann aber hier waren haben sie sich ganz nett mit mir unterhalten und mir erklärt, dass es keinen Sinn mehr mache Frederik mitzunehmen. Natürlich hätten sie ihm noch helfen können (Schleim absaugen, künstlich ernähren, usw), aber das hätte sein Leiden nur verzögert und das wollte ich nicht. Ich habe ihm - in Absprache mit unserer Ärztin - auch die Medikamente nachher nicht mehr gegeben, weil er die ja auch gar nicht mehr schlucken konnte. Solange wie es ging habe ich es natürlich versucht (im Joghurt aufgelöst, oder mit Flüssigkeit in einer Plastikspritze aufgezogen). Die letzten Tage hat er aber wirklich meist nur noch dagelegen, mit Augen auf (wobei die Augen immer so gewandert sind, so unruhig) und hat ganz schwer geatmet. Sein Atem hat immer so gerasselt und meist hatte er auch so einen unruhigen Atem - so einen komischen Rhytmus. EIn oder zwei TAge bevor er dann starb hab ich mich nochmal zu ihm ins Bett gelegt und habe dort so weit Stunden "Mittagsstunde" gehalten. Ich denke, das hat uns beiden sehr gut getan. Ich ärgere mich so im Nachhinein, dass ich das nicht öfter gemacht habe. Aber irgendwie hat mich dieses Pflegebett abgeschreckt oder so. Ich weiß es nicht genau...
WEil ich dieses unruhige Atmen so beunruhigend fand, haben meine Mutter und ich abgemacht, dass wir nachts aufbleiben wollten um ihn zu beobachten. Meine Mutter hat dann die erste "SChicht" übernommen. Sie hat mich zwischendurch noch ein Mal geweckt und ich habe Frederik noch ein Medikament gegeben. Dann hat sie mich ein zweites Mal geweckt und mir gesagt, dass er jetzt ruhiger sei und es wohl nicht nötig ist, noch weiter aufzubleiben. Daher hab ich weiter geschlafen und auch meine Mutter ging schlafen (sie und mein Vater haben die letzten beiden Nächte auch unten in der Stube verbracht). Nur ein paar Minuten später hat sie mich dann wieder geweckt: Frederik hatte aufgehört zu atmen.
Sie wollte gerade einschlafen als sie bemerkte, dass Frederiks rasselnder Atem nicht mehr zu hören war. Er hat einfach aufgehört zu atmen. Mehr nicht. Er ist gegangen, als wir alle schlafen wollten oder geschlafen haben. Keiner hat ihn also dabei gesehen, obwohl wir alle im Raum anwesend waren. Er hat sich also nicht wirklich gequält (ich hoffe es zumindest so sehr), er hat nur aufgehört zu atmen.
Tja, das war nun alles sehr persönlich. Und ich hoffe, es war nicht zu schockierend für dich oder zu ehrlich.
Ich beruhige mich immer damit, dass er wohl nicht allzuviel mehr mitbekommen hat. Ich weiß, dass er nach einigen Anfällen (besonders nach den schlimmen Anfällen, nach denen er auch im Krankenhaus gelandet ist) keine Erinnerung daran mehr hatte. Nach einem schweren Anfall im Krankenhaus, nach dem er auch Wortfindungsstörungen hatte, konnte er sich an die zwei Tage oder so danach gar nicht mehr dran erinnern. Es kam zB eine Logopädin zu ihm und er wusste eigentlich gar nicht warum, denn er konnte sich nicht daran erinner, dass er Probleme beim Sprechen hatte. Das hat mich doch ein wenig beruhigt, denn so denke ich, dass er nicht wirklich bei Bewusstsein war in seinen letzten TAgen.
Entschuldige, dass ich vielleicht so offen und ehrlich aber wohl auch ein wenig durcheinander geschrieben habe. Aber es gibt so viel darüber zu erzählen. Es ist so viel passiert in der Zeit. Und nun habe ich schon wieder so viel geschrieben...
Wie geht es dir denn so zurzeit? Und wie geht es Michael gerade? Wie geht er denn eigentlich damit um? Redet ihr offen darüber was evtl mal sein wird? Frederik und ich haben zwar offen darüber geredet, aber eher so ganz am Anfang der Krankheit, als wir es beide noch nicht so wahrhaben wollten. Später nur noch ganz wenig und immer eher am Rand.
Liebe Grüße!
Sina