HirnTumor-Forum

Autor Thema: Betulinsäure und Apoptose  (Gelesen 12742 mal)

Ulrich

  • Gast
Betulinsäure und Apoptose
« am: 04. März 2003, 12:18:53 »
Eine harte Schale hat es in sich

Chemische Rundschau Nr. 22, 19. November 2002

An der Universitätsklinik Ulm testen derzeit Apoptoseforscher um die Ärztin Dr. Simone Fulda eine neue Wunderwaffe gegen Krebs. Sie aus der Rinde von Platanen und Birken isolierte Betulinsäure könnte vor allem Kindern mit der Diagnose Hirntumor neue Heilungschancen geben.

Maligne Hirntumore bilden die grösste Gruppe solider Tumore im Kindesalter», berichtet Privatdozentin Dr. Simone Fulda, "und leider ist die Prognose für diese Patienten noch immer schlecht - vor allem wenn der Tumor nicht operabel ist." Normalerweise wird zunächst das entartete Gewebe chirurgisch entfernt. Anschliessend setzen die Mediziner meist eine Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie ein. Der «zytostatische Hammer» hat aber einen ganz entscheidenden Nachteil: Die Medika-mente haben oft schwere Nebenwirkungen, weil sie nicht nur Krebszellen vernichten.

Wissenschaftler bemühen sich daher, Wirkstoffe zu finden, die ausschliesslich Krebszellen angreifen und gesunden Körperzellen keine Schäden zufügen. Solche Substanzen sollen - einmal in die Tumor-zelle eingeschleust - dort gezielt den Zell-tod, die sogenannte Apoptose, auslösen. Die
natürliche Substanz Betulinsäure gilt als ein solcher Apoptose-Auslöser. Es hat sich zudem herausgestellt, dass Betulinsäure-amide die Vermehrung von Aids-Viren hemmen. Forscher vermuten, dass der Wirkstoff das Eindringen der Erreger in die Zellen verhindert. Das wäre ein völlig neuer Wirkmechanismus. Weltweit sind daher mehrere Arbeitsgruppen den Vorgängen hinterher, die die Substanz im Körper bewirkt.

Nachwachsender Rohstoff
Die pentazyklische Triterpencarbonsäure Betulinsäure ist ein Naturstoff, der aus verschiedenen Pflanzen gewonnen werden kann, unter anderem aus der Rinde der Birke (Betula pendula). Die Substanz ist derzeit sehr teuer, denn ihre Erzeugung ist ausge-sprochen schwierig; die Vollsynthese kommt aufgrund der komplexen chiralen Strukturen nicht in Frage. Daher wird Betulinsäure bislang aufwendig durch eine mehrstufige Oxidation aus Betulin hergestellt. Dieses wird aus Pflanzenteilen isoliert und muss auf chromatographischem Weg von ähnlichen Verbindungen abgetrennt werden. Die Ausbeute ist jedoch gering ...

Die höchsten Betulinsäure-Gehalte wur-den in Baumrinden gefunden. WissenschaftIer der BioService Halle GmbH, einem An-Institut des Biozentrums der Martin-Luther-Universität Halle-Witten-berg, haben daher ein Verfahren zur kosten-günstigen und umweltschonenden (direkten) Gewinnung von Betulinsäure entwickelt. Sie nutzen dazu die Platane (Platanus acerifolia), die bekanntlich alljährlich im Herbst nicht nur ihre Blätter abwirft, sondern auch grosse Teile ihrer Borke. In genau dieser Baumrinde ist Betulinsäure enthalten, und zwar bis zu 2,4 Prozent der Trockenmasse. Das Verfahren ist patentiert. Die Hallenser produzieren und liefern die Substanz für die Ulmer Versuche, untersuchen selber aber auch die Wirkung von Betulinsäure auf Hautzellen und exzidierte Haut.

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Betu-linsäure Melanomzellen absterben lässt. Die Studien der Ulmer Arbeitsgruppe deuten nun darauf hin, dass diese Substanz eine selektive Wirkung auf Tumorzellen haben und daher möglicherweise weniger Nebenwirkungen verursachen könnte als andere Zytostatika. Die Ursache dafür sehen die Mediziner im Wirkmechanismus, der sich von anderen Zytostatika offenbar deutlich unterscheidet. Was in den Zellen vorgeht, das ist derzeit grösstenteils noch unerschlossen. Aber die Ulmer Forscher vermuten, dass diese Substanz direkt an den Mitochondrien, den sogenannten Kraftwerken der Zelle, angreift: «Dort bewirkt sie die Aktivierung der sogenannten Caspasen», berichtet Fulda. «Diese Enzyme spalten Aktin und initiieren die Spaltung der DNA. Sie aktivieren aber auch andere Moleküle und verstärken so in der Zelle das Signal zur Apoptose.» Betulinsäure senkt zudem das Membranpotential der Mitochondrien.
«Dadurch werden bestimmte Substanzen in das sie umgebende Zytoplasma freigesetzt, die normalerweise an Rezeptoren gebunden sind und bestimmte Funktionen in der Zelle haben, wie Cytochrom c oder AIF.» Gelangen diese Moleküle ins Zytoplasma, lösen sie ebenfalls den Zelltod aus.

Breites Wirkungsspektrum

Alle diese Prozesse werden aber zugleich von Gegenspielern gebremst oder gestoppt. So wird ein Enzym, die Caspase-8, von einer Überexpression der Substanzen Bcl-2 oder Bcl-XL blockiert, erläuert Fulda. «Diese Proteine wirken wie Torwächter in der Membran und verhindern so den Zelltod.» In Krebszellen treten diese «Wächter-Pro-teine» sogar verstärkt auf. Welche Vorgänge bei Apoptose auf molekularer Ebene ablaufen, und wie der Wirkstoff Betulinsäure diese beeinflusst, darüber ist derzeit noch wenig bekannt. Dennoch lassen die For-schungsergebnisse der Arbeitsgruppe von der Universitätskinderklinik Ulm hoffen. Denn die Wissenschaftler haben den zyto-toxischen Effekt der Substanz an Kulturen verschiedenster menschlicher Tumorzellen geprüft. Dabei fanden sie heraus, dass Betulinsäure bei neuroektodermalen Tumorzellen einschliesslich Neuro- und Glioblastome sowie bei den sogenannten Ewing-Sarkomzellen den Zelltod auslöst. Betulinsäure zeigte zudem auch bei Zell- Linien Wirkung, die gegen andere Wirkstoffe resistent sind. Weitere Ergebnisse der Forscher lassen ebenfalls aufhorchen: Betulinsäure zeigte bislang keine negative Wirkung auf gesunde Zellen und erwies sich bei Versuchstieren als nicht toxisch.



felipe

  • Gast
Re:Betulinsäure und Apoptose
« Antwort #1 am: 03. Oktober 2004, 09:06:39 »
ist da eigentlich was weiter passiert?

scheint mir sehr vernünfitg zu sein.

Felipe

Ulrich

  • Gast
Re:Betulinsäure und Apoptose
« Antwort #2 am: 03. Oktober 2004, 10:23:10 »
Wenn Du wissen willst, was Frau Fulda zu diesem Thema publiziert hast, dann gibt bei PubMed
in die Suchmaske >Fulda S< (aber ohne die >Anführungszeichen<) ein. Da gibt's schon einiges.

Und nachfolgend einige Artikel, die ich heute mit dem Suchalgorithmus >betulinic acid brain tumor< ebenfalls in PubMed gesucht (und gefunden) habe. Der letzte Artikel ist von Frau Fulda.

 
Acta Neurochir (Wien). 2004 Jul;146(7):721-9. Epub 2004 May 21
 
Cell death induction by betulinic acid, ceramide and TRAIL in primary glioblastoma multiforme cells.

Jeremias I, Steiner HH, Benner A, Debatin KM, Herold-Mende C.
Dr. von Haunersches Kinderspital, Munich, Germany.

Background. Glioblastoma multiforme (WHO Grade IV, GBM) is the most malignant brain tumour with a mean survival time of less than one year. Betulinic acid, ceramide and TRAIL (TNF-related apoptosis inducing ligand) represent novel therapeutic agents for potential use in GBM. Method. Primary GBM cells of 21 patients with macroscopically complete tumour resection were tested in vitro for cell death induction by betulinic acid, ceramide, TRAIL and established therapeutics (BCNU, cisplatin, doxorubicin, vincristin and gamma-irradiation).
Findings. At peak plasma concentrations (PPC), Betulinic acid, ceramide and TRAIL induced cell death in primary GBM cells at higher rates than established cytotoxic drugs. Specific cell death >/=75% was observed in 43% (9/21), 38% (8/21), and 19% (4/21) for betulinic acid, ceramide, and TRAIL respectively, while this was only found in 5% (1/21) of gamma-irradiated and cisplatin-treated cells, and in none of the GBM cultures, where BCNU or vincristin were applied in PPC.
Conclusion. Due to a markedly improved cell death of GBM cells as compared with established therapeutics, Betulinic acid, ceramide and TRAIL might represent potent substances for future treatment of GBM.
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Med Res Rev. 2004 Jan;24(1):90-114.
 
Chemistry, biological activity, and chemotherapeutic potential of betulinic acid for the prevention and treatment of cancer and HIV infection.

Cichewicz RH, Kouzi SA.
Department of Chemistry and Biochemistry, University of California, Santa Cruz, California 95064, USA.

3beta-Hydroxy-lup-20(29)-en-28-oic acid (betulinic acid) is a pentacyclic lupane-type triterpene that is widely distributed throughout the plant kingdom. A variety of biological activities have been ascribed to betulinic acid including anti-inflammatory and in vitro antimalarial effects. However, betulinic acid is most highly regarded for its anti-HIV-1 activity and specific cytotoxicity against a variety of tumor cell lines. Interest in developing even more potent anti-HIV agents based on betulinic acid has led to the discovery of a host of highly active derivatives exhibiting greater potencies and better therapeutic indices than some current clinical anti-HIV agents. While its mechanism of action has not been fully determined, it has been shown that some betulinic acid analogs disrupt viral fusion to the cell in a post-binding step through interaction with the viral glycoprotein gp41 whereas others disrupt assembly and budding of the HIV-1 virus. With regard to its anticancer properties, betulinic acid was previously reported to exhibit selective cytotoxicity against several melanoma-derived cell lines. However, more recent work has demonstrated that betulinic acid is cytotoxic against other non-melanoma (neuroectodermal and malignant brain tumor) human tumor varieties. Betulinic acid appears to function by means of inducing apoptosis in cells irrespective of their p53 status. Because of its selective cytotoxicity against tumor cells and favorable therapeutic index, even at doses up to 500 mg/kg body weight, betulinic acid is a very promising new chemotherapeutic agent for the treatment of HIV infection and cancer.

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Cancer Lett. 2002 Jan 10;175(1):17-25.
 
Selective cytotoxicity of betulinic acid on tumor cell lines, but not on normal cells.

Zuco V, Supino R, Righetti SC, Cleris L, Marchesi E, Gambacorti-Passerini C, Formelli F.
Istituto Nazionale per lo Studio e la Cura dei Tumori, Via Venezian 1, 20133, Milan, Italy.

Betulinic acid is a triterpene with selective cytotoxicity against melanoma, neuroectodermal and malignant brain tumor cell lines. In this study the betulinic acid activity was evaluated, in comparison with doxorubicin, on different human neoplastic and non-neoplastic cell lines and on proliferating normal lymphocytes. Growth inhibition was evident in all the neoplastic cell lines independently on p53 status and histotype. Antiproliferative activity of betulinic acid was related to a cytotoxic effect on two p53 wild-type and on one p53 mutant cell lines and to a cytostatic effect on one p53 mutant melanoma clone. At the same concentrations, normal cells were unaffected indicating a selective effect of this agent. A cytotoxic activity of doxorubicin was evident on all the tested systems. In vivo experiments, performed on one of these cell lines, confirmed the antineoplastic activity of this drug. These data support further preclinical studies of betulinic acid not confined to melanoma and neuroectodermal tumors independently of p53 status.

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Int J Cancer. 1999 Jul 30;82(3):435-41.
 
Betulinic acid: a new cytotoxic agent against malignant brain-tumor cells.
Fulda S, Jeremias I, Steiner HH, Pietsch T, Debatin KM.
University Children's Hospital, Ulm, Germany.

Malignant brain tumors are the most common solid tumors in children. The overall prognosis for this group of patients is still poor, emphasizing the importance of more effective therapies. Betulinic acid (Bet A) has been described as a novel cytotoxic compound active against melanoma and neuroblastoma cells. Here we report that Bet A was active against medulloblastoma and glioblastoma cell lines. In addition, Bet A exerted cytotoxic activity against primary tumor cells cultured from patients in 4 of 4 medulloblastoma-tumor samples tested and in 20 of 24 glioblastoma-tumor samples. Since a small percentage of primary-glioblastoma-tumor cells (4/24) did not respond to Bet-A treatment, resistance to Bet A might occur. Induction of apoptosis by Bet A involved mitochondrial perturbations, since inhibition of the mitochondrial permeability transition by the mitochondrion-specific inhibitor bongkrekic acid (BA) reduced Bet-A-induced apoptosis. In addition, mitochondria undergoing Bet-A-induced permeability transition triggered DNA fragmentation in isolated nuclei. Cytochrome c was released from mitochondria of Bet-A-treated cells, and might be involved in activation of caspases. Following treatment with Bet A, caspase-8, caspase-3 and PARP were proteolytically processed. Inhibition of caspase cleavage by the broad-range caspase inhibitor zVAD.fmk strongly reduced Bet-A-induced apoptosis, indicating that apoptosis was mediated by activation of caspases. Since Bet A did not exhibit cytotoxicity against murine neuronal cells in vitro, these findings suggest that Bet A may be a promising new agent for the treatment of medulloblastoma and glioblastoma cells that clearly warrants further pre-clinical and clinical evaluation.



Offline Jo

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Re: Betulinsäure und Apoptose
« Antwort #3 am: 16. Juli 2009, 08:30:00 »
Hallo,
die Forschung in Ulm geht weiter:

http://idw-online.de/pages/de/news326083

Gruß, Jo

 



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