Liebe Line,
es ist wunderbar, dass Du die OP so gut überstanden hast. Du hast den Ärzten, die Dir Dein Leben retteten, unheimlich viel zu verdanken! Am besten dankst Du es ihnen, wenn Du Dich wirklich schonst, Dir wirklich Ruhe gönnst.
Ich bin mehrmals durch diese Meningeom-Geschichte gegangen, ich habe drei Kinder, die ich allein großgezogen habe, seitdem sie 8, 10 und 12 Jahre alt waren. Zwei Jahre später das erste Meningeom. Mein Neurochirurg schockte mich mit der Nachricht, dass ich ein halbes Jahr nicht arbeiten solle - und er hatte recht! Die Kinder mussten die Krankheit ihrer Mama respektieren. Das Brotsyndrom gab es bei uns natürlich auch, aber auch Rücksicht und Hilfe von außen. Zunehmend nahm ich mir wieder Zeit für sie.
Als sie 14, 17 und 18 waren, schlug der nächste Hammer zu - Meningeom-OP, wochenlange Narbenheilung, Bestrahlung, Reha - vier Monate ohne richtig funktionierende Mama und fast ohne Außenhilfe. Zuhause Brotsyndrom mit Vorerfahrung auf beiden Seiten. Ich gönnte mir die Ruhe und sie gönnten sie mir auch.
Das hat sie in ihrer Entwicklung vorangebracht, hat ihre Selbständigkeit und ihr Verantwortungsgefühl für mich und sich und andere sehr viel weiter entwickelt. Ich bin nach all den Zweifeln und Fehlern, die man bei der Erziehung dreier Kinder machen kann, dann doch sehr stolz auf sie geworden, dass sie ihr Leben in ihre Hand genommen haben! Die beiden Jungs sind nun Lehrer und Diplomsozialpädagoge und ihnen liegen die ihnen anvertrauten Kinder/Jugendlichen bzw. ältere Alkoholiker sehr am Herzen. Mein Mädchen ist 600 km weit weg im Flugzeugtriebwerksbau und kümmert sich viel um "Teambildung" und Wohlfühlen im Kollegium und findet rasch Kontakte.
Warum erzähle ich das?
Nach dem dritten Meningeom habe ich - durch einen neuen Neurochirurgen aber auch durch eigene Blödheit - bereits nach 6 Wochen wieder zu arbeiten begonnen, nach Wiedereingliederungsplan und trotzdem viel zu früh. Und das merke ich jetzt, zweieinhalb Jahre danach, immer noch durch eine geringere psychische Belastbarkeit, durch rascheres Ermüden, andererseits will ich alles schaffen, neige dadurch zur eigenen Überlastung, gönne mir - wissentlich - die nötige Auszeit, die Entspannung, die Ruhepausen nicht oder zu wenig. Ich nutze jede Hilfe und finde bei den verschiedenen Ärzten, Therapeuten Verständnis, nehme Antidepressiva - und finde das alles eigentlich schrecklich.
Ich möchte Dich so gern davo bewahren, denselben Fehler zu machen!
Du hast jetzt sogar zusätzlich die Chance, Deiner Familie Selbstständigkeit beizubringen, indem Du eben NICHT auf jeden Ruf nach Brot reagierst. Sie werden es Dir später, aber auch in kleinen Dingen gleich, danken.
Ich wünsche Dir so sehr, dass Du wieder völlig fit wirst, also halte Dich ein wenig zurück, nimm einen längeren Anlauf, bevor Du wieder im Galopp durch Leben reitest! Du hast es Dir verdient - und Du bist es den Ärzten schuldig.
Deine Karin