HirnTumor-Forum

Autor Thema: Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...  (Gelesen 117406 mal)

Offline Bluebird

  • Mitglied Forum
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4532
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #60 am: 24. Juli 2010, 21:09:26 »
Hallo Verena,

grundsätzlich sind mehrere fachärztliche Meinungen empfehlenswert.
Ich habe aber die Befürchtung, dass zuviel Zeit vergeht, wenn ihr nun nach weiteren Kliniken sucht und erneut vorstellig werdet.  Die Ärzte dort müssen sich ja völlig neu einlesen und eindenken in den bisherigen Krankheitsverlauf. Ausserdem wird die entnommene Schädelkalotte doch in der bisherigen behandelnden Klinik vorgehalten?

LG
Bluebird
 
The best time to plant a tree was 20 years ago.
The second best time is NOW.
(Chinesisches Sprichwort)

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #61 am: 31. Januar 2011, 22:49:54 »
Hallo ihr lieben!

Nach soo langer Zeit wollte ich nun endlich einmal die Geschichte meines lieben Freundes aktualisieren.

Die letzten Monate ist viel passiert, und auch, wenn sich mittlerweile vieles doch zum Guten gewendet hat (wobei wir leider immer noch keinen 100%ig sicheren Punkt unter die Story setzen dürfen, wie eine Ärztin es einmal so treffend formulierte), sind wir hier innerhalb der Familie und des Bekanntenkreises immer noch fassungslos, welche unglücklichen Umstände, aber auch Fahrlässigkeiten sich aneinander gereiht haben, wenn wir an das letzte Jahr zurück denken.

Der letzte Stand der Dinge war ja der, dass mein Freund im Juli aus der Kölner Klinik mit falsch-diagnostiziertem Hirn-Prolaps entlassen worden war. Daraufhin haben wir uns an eine weitere Klinik aus unserer Umgebung gewandt, von der uns bekannt war, dass sie sowohl über eine Abteilung für Neurochirurgie, als auch über eine plastische Chirurgie verfügen. Nach eingehender Untersuchung, nicht ganz ohne Fassungslosigkeit seitens der Ärzte über das bereits vorgefallene, wurde mein Freund nach langen Besprechungen der Chefärzte beider Abteilungen untereinander an die Uniklinik Frankfurt überwiesen. Eine liebe Chefärztin der Neurochirurgie kannte - welch ein Seegen - noch aus früheren Zeiten einen Kollegen, der dort zwar als Neurochirurg tätig war, jedoch auch den Facharzt für die plastische Chirurgie besitzt und sehr viel Erfahrung mit Hautdefekten am Kopf hat. Er vereint sozusagen beide Disziplinen in einer Person, DIE Lösung für unser Problem.
Es ging dann alles recht schnell, Anfang August wurde mein Freund operiert. Bei der OP wurde das Duraimplantat "geflickt", die PSI-Schädelplastik wieder eingebaut und der riesige Hautdefekt mithilfe einer großen Schwenklappenplastik von der Stirn ausgehend gedeckt (dort, wo der Lappen "weggeschoben" wurde, wurde Spalthaut hin transplantiert). Während der OP stellte sich heraus, dass das prolabierte Hirngewebe bereits nekrotisch war  :'( War also plötzlich alles total logisch, die Beule war links, im rechten Gesichtsfeld "fehlte" meinem Freund ein Sektor. Den Ärzten aus Köln habe ich daraufhin erst noch einmal telefonisch den Marsch geblasen, ging nicht anders.. Nichtsdestotrotz waren wir SO happy, dass endlich wieder der Knochendeckel drin war, die Haut dicht vernäht worden war... Nach 5 Tagen stand auch fest, dass die Spalthaut im Stirnbereich angegangen war, hallelujah.
Eine Woche nach der Entlassung sollten wir zur Kontrolle kommen. Unter dem Verband hatte sich eine flüssigkeitsgefüllte Beule unter der Kopfhaut gebildet, welche punktiert wurde. Ich sah es schon in der Spritze....... Eine milchige Flüssigkeit, oh nein.. 4 Tage später der Höllenanruf aus der Klinik: Bitte sofort zur Aufnahme kommen, wir müssen Sie morgen operieren, das Implantat muss raus - Pseudomonas und Enterococcus Infektion. Meinem Freund ging es jedoch blendend, keine Kopf- oder sonstige Schmerzen, kein Krankheitsgefühl, die Beule hatte sich nach der Punktion auch nicht mehr neu gebildet. In der Klinik untersuchte der Doc dann meinen Freund, machte diverse Tests bzgl. Hirnhautentzündung, drückte an seinem Kopf herum. Er fand keinen Anhaltspunkt für eine Entzündung, zumindest keinen, für ein weiteres Fortschreiten der Entzündung. Und wir wollten um das Schädelimplantat kämpfen! Also ließ er sich darauf ein, es mit einer sofort beginnenden i.v.-Antibiose zu versuchen. Also wieder eine Woche stationär, um Tag und Nacht mit Reserveantibiotika vollgepumpt zu werden. Nach weiteren 3 Wochen (zwischenzeitig auf Tabletten umgestiegen) waren die Entzündungswerte wieder im Normbereich, juchuu!!
Leider blieben aber an der Wundnaht zwei dumme Stellen da, die einfach nicht zuheilen mochten. Bei uns zu Hause ging es zu wie in einem Krankenhaus, wir waren mindestens genauso gut ausgerüstet mit sterilem Verbandsmaterial, sterilen Handschuhen, Desinfektionsmitteln und -salben. Diese Löcher stellten ja leider wieder eine erneute mögliche Eintrittspforte für Keime dar. Im Oktober hatte dann die Beobachterei und die Hofferei auf ein selbstständiges Zuheilen der Löcher ein Ende, und mein Freund kam noch einmal in Frankfurt unter Messer. Wieder Schwenklappenplastik inkl. Spalthauttransplantation, um alles noch spannungsfreier zu vernähen. Das OP-Ergebnis war wieder einmal spitzenklasse aus medizinischer Sicht, die Kosmetik spielte schon lange keine Rolle mehr.. Doch ca. 10 Tage nach der Entlassung klaffte die Naht während des Fädenziehens (und die Fäden waren schon extra 3 Wochen drin gelassen worden..) wieder auf. Man konnte geraudeaus auf die Knochenplastik gucken. Also wieder OP, diesmal mussten wir allerdings 500km an die MHH nach Hannover fahren, da "unser" Doc seine Arbeitsstelle zum November gewechselt hatte. Es wurde wieder beratschlagt, was der Auslöser sein könnte dafür, dass die Haut einfach nicht miteinander verwachsen wollte, obwohl die Wundränder unmittelbar nach den OPs immer so perfekt aneinander lagen. Es wurde in Erwägung gezogen, dass vielleicht ein abgeflachteres Knochenimplantat, welches noch einmal Spannung aus der Haut nehmen würde, die Lösung sein könnte. Daraufhin wurde die Keramikplastik ausgebaut, und eine flache, weniger stark gewölbte Palacosplastik hineinmodelliert. OP-Ergebnis wieder absolut super, aber............ Richtig! 4 Wochen später wieder das gleiche Problem, klaffende Naht, wieder nach Hannover, wieder OP. Der Fremdkörper unter der durch die Bestrahlung geschädigten Kopfhaut schien einfach ganz simpel das Problem zu sein. Über diesem leblosen Stück schien einfach nichts mehr heilen zu wollen. Also führte schlussendlich kein Weg mehr an der Transplantation eines freien Lappens mehr vorbei. Meinem Freund wurde aus dem Rücken ein Muskel inkl. Blutgefäß heraus operiert, und auf den Kopf über die komplette Fläche der Palacosplastik (ca. Untertassen-groß) transplantiert und an eine Halsarterie angeschlossen. Dieses nackte "Steak", wie es mein Freund immer nennt, wurde dann mit der noch verbliebenen Kopfschwarte und stellenweise Spalthaut gedeckt. Es war eine sehr risikoreiche und knifflige OP... 9 Stunden OP-Zeit, danach eine ganze Nacht verlängerte Narkose auf der Intensivstation... Überall war mein Freund "zerschnitten", er hatte über 70 Klammern an Kopf, Hals und Rücken.. Dazu jede Menge Drainageschläuche, ZVK, Blasenkatheter,... das volle Programm eben. Nicht schön  :'(  Aber alles hat sich gelohnt, der Lappen ist nicht abgestorben (dieses Risiko war alles andere als zu missachten), die Spalthauttransplantate waren angegangen.. keine postoperativen Komplikationen... Zwar musste mein Freund seinen Geburtstag im Krankenhaus, 500km von Zuhause entfernt, verbringen, aber 3 Tage vor Weihnachten kam er nach Hause... Mitte Januar stand unser Kontrollbesuch in Hannover an, und ab da war es besiegelt: Alles ist verheilt! Nach einem 3/4 Jahr und 8 Operationen Kampf. Die Antibiotika sind nach 6 Monaten durchgehender Einnahme nun auch seit 14 Tagen abgesetzt, bisher bleibt alles "stabil", unentzündet, da oben im Kopf.
Seit heute ist mein Freund nun endlich in der schon laaange, lange bewilligten Reha (BDH-Klinik Vallendar). Wir hoffen, dass die Schwierigkeiten, die mein Freund aus dem unendlichen Krankheitskampf leider mitgenommen hat, dort noch etwas besser charakterisiert werden können und sich Möglichkeiten auftun, an ihnen zu arbeiten (Sehstörungen [Gesichtsfeldausfälle], Gleichgewichtsstörungen, Probleme mit der Feinmotorik, die gesamte körperliche Kondition, die Psyche..). Vieles ist nicht mehr wie es war. Und vieles davon wiederum wird auch nicht mehr so werden, wie es mal war. Ich sage mir immer, es war ein teurer Preis, den wir, am meisten er, dafür bezahlen mussten, dass er nicht gestorben ist... Aber er hat sich trotz allem doch SO gelohnt!
Wir hoffen, dass wir nun peu à peu wieder in ein halbwegs normales Leben zurück finden werden, dass sich berufliche Perspektiven, Alternativen, für meinen Freund auftun, dass sein Körper sich ganz langsam von den Strapazen erholen kann und wieder stärker wird. Der Resttumor ist bisher toi toi toi unverändert, das letzte MRT mit Kontrastmittel wurde im November gemacht. Nicht zuletzt hoffen wir natürlich auch, dass wir noch eine ganz ganz lange Zeit von Problemen in diese Richtung gehend verschont bleiben werden...

Ich würde mir so wünschen, dass dies der letzte solche Beitrag bleibt, den ich in diesen Strang schreiben muss...

Danke fürs Mitverfolgen!

Verena - endlich optimistisch.

Offline Toni

  • Mitglied Forum
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #62 am: 01. Februar 2011, 17:45:52 »
Liebe Verena, Du Tapfere und Treue,

alles Gute Euch!
Lieben Gruß,
Toni
"Von guten Mächten wunderbar geborgen..."

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #63 am: 01. Februar 2011, 21:32:36 »
Vielen lieben Dank, Toni!

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #64 am: 11. Februar 2011, 12:36:53 »
Hallo zusammen!

Heute kam der Brief aus der Klinik von der letzten OP meines Freundes im Dezember.

Darin ist auch noch das Ergebnis der Begutachtung des letzten MRTs von Anfang November niedergeschrieben. Die Bilder auf CD hatten wir eigentlich nur mit abgegeben, damit sich der Arzt nochmal einen Eindruck über die Gesamtkonstitution des Gehirns vor der OP verschaffen konnte. Da andere medizinische Probleme im Vordergrund standen, wurde über den (Rest)Tumor gar nicht weiter gesprochen.

Nun folgendes:
"Die aktuelle MRT-Bildgebung des Kopfes mit und ohne Kontrastmittel zeigt keinen Hinweis auf einen Rest-/Rezidivtumor oder auf ein entzündliches Geschehen."

Kann es sein, dass der kleine Rest des Meningeoms doch tatsächlich durch die fraktionierte Röntgenbestrahlung nun verschwundibus ist??
Das wäre ja einfach phantastisch!

Ich weiß aber, dass der gesamte bestrahlte Bereich ziemlich narbig ist, und deswegen die Unterscheidung Narben-/Tumorgewebe nicht so ganz einfach ist. Fakt ist, dass bei der OP Ende 2009 ein winziger Rest (ca. 1%) im Kopf geblieben ist.
Oder ist es vielmehr so, dass Bilder nunmal unterschiedlich interpretiert werden? Ein Arzt sagt dann, ja, ganz eindeutig ist der Resttumor zu sehen, der nächste denkt sich bei den hellen Schatten eine Narbe..

Was meint ihr?

Wie auch immer habe ich beim Lesen dieser Zeilen so Mengen an Glückshormonen ausgeschüttet, dass ich jetzt supergelaunt ist Wochenende starten kann  :D

Gruß,
dorf-ei

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #65 am: 21. März 2011, 11:11:26 »
Hallo zusammen!


Aus aktuellem Anlass mal wieder eine kurze Aktualisierung:

Am vorletzten Samstag brachen ziemlich urplötzlich Kopfschmerzen über meinen Freund herein. Diese wurden begleitet von erneuten Sehstörungen (Blitzen, bunte Dreiecke vor den Augen, Kribbeln im rechten Bein). Allgemein war er leider wieder ziemlich neben der Spur, auch was seine Motorik, das Gehen, das Gleichgewicht usw. betrifft... Das ganze Wochenende über war mein Freund zwischen 1 und 4 mal pro Tag/Nacht von diesen regelrechten Attacken geplagt. Während der Kopfschmerzen, die so ca. immer 30min anhielten und hinter dem rechten Auge zu sitzen schienen, war dieses Auge auch feuerrot, tränte und die Nase lief.

Nach einem Telefonat mit unseren Neurochirurgen ließ mein Freund am Montag dann erstmal ein Blutbild erstellen, um irgendwas Infektiöses auszuschließen (Panik No.1  :-\). Dabei stellte sich aber heraus, dass alles völlig ok war. Daraufhin bekamen wir einen Termin für Mittwoch für ein CT mit Kontrastmittel, um ein Tumorrezidiv oder irgendein anderes intracranielles Problem auszuschließen (Panik Nr.2  :-\). GOTT sei dank blieb auch dieses ohne Befund. Da die Ärzte im Krankenhaus so eine Attacke live mit erleben durften und die Augen und alles andere sahen, wurden wir dann zum Augenarzt überwiesen, um ein Glaukom, Netzhautablösung oder andere Augenprobleme auszuschließen. Alles o.B. gewesen. Am Donnerstag saßen wir dann beim Neurologen. Nachdem wir zu Ende berichtet hatten (ich hatte auch meine Vermutung geäußert, ob es sich bei den Schmerzen nicht vielleicht um Cluster-Kopfschmerz handeln könnte..), befand er es trotzdem nicht für notwendig, ein EEG zu messen um mögliche fokale Anfälle im Okzipitallappen auszuschließen, sondern verschieb gleich ein Antikonvulsivum (Gabapentin), dass seiner Erklärung nach gegen sowohl Anfälle als auch Kopfschmerzen (Cluster, Nerv..) wirken würde..

Weil dann aber Freitagmorgen nochmal eine ganz schlimme Attacke war, waren wir gegen Nachmittag dann nochmal in der neurologischen Notfallaufnahme eines weiteren Krankenhauses, wo sich andere Neurologen nochmal Zeit für die Befragung nahmen, nochmal nachdachten und schließlich zu dem Ergebnis kamen, dass alles irgendwie kompliziert ist: Bunte Formen - auch vor dem geschlossenen Auge - deuten sehr auf ein Geschehen im Hinterhauptslappen hin. Auch die "Ameisen" im Bein sprechen für einen Anfall. Die Kopfschmerzen inkl. der Begleitsymptome klingen aber schon ziemlich nach Cluster, auch wenn mein Freund die Schmerzen auf einer 1-10-Skala nicht prompt bei 10 einordnen würde (das ist schon untypisch für Cluster..). Jedenfalls hätten sie gerne zur Abklärung ein EEG. Das konnten sie dort aber ambulant nicht machen, dazu hätte mein Freund stationär aufgenommen werden müssen, und das wollte er nicht, denn ansonsten geht es ihm ja gut... Also werden wir dafür nochmal einen Termin bei einem weiteren niedergelassenen Neurologen machen. Desweiteren haben wir die Auftrag bekommen, alles weitere so genau wie möglich zu protokollieren (Tagebuch!) und zu dokumentieren (Fotos, Videos).
Jetzt "warten" wir also seit Freitag auf die nächste Attacke, aber nichts. Ob das Gabapentin, das mein Freund seit Donnerstag nimmt, doch hilft? Das würde ja dann, ohne dass ein EEG gemacht wurde, schonmal für Anfälle sprechen.. Gestern Abend hat er sogar eine Flasche Bier getrunken (entgegen meiner Warnungen..). Alkohol gilt ja als der Trigger schlechthin für alles mögliche an Kopfschmerzen/Anfällen etc., aber nichts ist passiert.

Ich habe es letzte Woche schon bemerkt: Je länger die Intervalle zwischen zwei Attacken sind, desto mehr findet mein Freund wieder laaangsam in seine alte Konstitution zurück. Am Freitag nach der letzten Attacke waren Treppen, lesen, mit Messer und Gabel essen etc. unmöglich, heute früh überlegt er bereits schon wieder, später noch ein bisschen im Garten herum zu mengen.. Verrückt.


Was zum Teufel ist mit seinem Gehirn nur los?


Ratlose Grüße,
dorf-ei


fips2

  • Gast
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #66 am: 21. März 2011, 11:25:30 »
Hallo dorfei.
Ist dein Freund während der Attacken extrem unruhig und schaukelt mit dem Oberkörper?
Von wo bist du (Großraum).
Es muss unbedingt in einer Clusterbewanderten Klinik oder Schmerzambulanz eine gesicherte Diagnose gestellt werden und die entsprechenden Medikamente(Sauerstoff, Cortisonhochstoß,Verapamil, Triptane) auf schnellstem Wege verabreiucht werden.
Clusterpatienten sind Schwerstschmerzpatienten und MÜSSEN von einer Klinik Facharzt sofort versorgt werden. Also nicht lang rumfackeln und hin fahren.
Ablehenen ist unterlassene Hilfeleistung.

Gabapentin ist bei Clusterkopfschmerz ein Medikament der 3.Wahl. Aber wenns denn hilft ist es OK.
Am wenigsten Nebenwirkung hat Sauertoff, als Akutmedikament mit 15l/min inhalieren.

 Zu den Triggern
Man kann die Trigger nicht eindeutig zuordnen. Es gibt zwar potenzielle Trigger die oft vorkommen, mussen aber nicht zwangsläufig bei Jedem anschlagen. Also anhand der Trigger eine Diagnose zu stellen geht meist schief.
Die persönlichen Trigger muss leider Jeder selbst herausfinden.

Etwas aber zur Beruhigung. Clusterkopfschmerz ist zwar extrem schmerzhaft, (Migräne mal 10), aber nicht lebensbedrohlich.
Nähere Infos zu Cluster bekommst du hier:
http://clusterhomepage.de/

Gruß und schmerzfreie Zeit an deinen Freund
 Fips2

« Letzte Änderung: 21. März 2011, 11:43:39 von fips2 »

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #67 am: 21. März 2011, 11:47:19 »
Hallo fips2,

wir kommen aus Rheinland-Pfalz. Nach der Attacke am Freitag hatte ich, um einem qualvollen Wochenende vorzubeugen, gleich mit dem Schmerztherapiezentrum der Uniklinik Mainz telefoniert. Dort gibt es wohl aber scheinbar keine notfallmäßige Versorgung. Am Telefon sagte man mir, wir sollten mal alle Befunde zusammen mit der Überweisung übersenden, die Sachen würden dann an einen der Oberärzte weiter geleitet werden und dann bekämen wir eine "Einladung" ??...
Die Abwicklung dort würde also schon Tage dauern, deswegen haben wir uns Freitag auf die Schnelle dann für eine Neurologie eines Koblenzer Krankenhauses entschieden..

Nein, unruhig ist mein Freund nicht, das ist das andere, was nicht so völlig und ganz FÜR Cluster spricht. Er legt sich ins Bett, erträgt auch alles besser (oder bildet es sich zumindest ein..) wenn es dunkel ist, und hält sich sein Auge. Ab und zu setzt er sich auf und wimmert  :-[
Nach eigegen Aussagen stuft er die Schmerzen trotzdem auf einer 1-10-Skala bei 6-7 ein. Veilleicht hat mein armer Schnuffel aber schon so viele schlimme Schmerzen erlebt (wennich z.b. an den Tumorschmerz nach der Embolisation denke..), dass ihm mittlerweile völlig der Blick dafür fehlt..

Wohin können wir uns wenden?

Wie gesagt, Donnerstag hat er mit der Einnahme des Antikonvulsivums begonnen, Freitagmorgen war die letzte Attacke, seitdem nichts mehr... Unser Plan war, nun erstmal abzuwarten, was weiter passiert.. Nicht gut?

Gruß und Danke,
dorf-ei

fips2

  • Gast
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #68 am: 21. März 2011, 12:08:07 »
Wir sind auch aus Rheinland Pfalz, nähe Kaiserslautern.
Meine Frau ist in Freiburg in Behandlung, wegen ihres chronischen Clusters.
Sie war austherapiert und bei ihr half nur noch eine OP, welche nur in Freiburg durchgeführt wird.
Da ist aber dein Freund noch weit entfernt davon.


 OA Dr Schwab bei der Schmerzambulanz in Mainz stellte bei ihr die Diagnose.
Niedergelassene Neurologen, die sich mit Cluster auskennen, sind Dr Endraß in Grünstadt und Dr. Sielaff in Kirchheimbolanden die ich persönlich kenne.
Bei Dr Endraß vorsicht. Das ist eine Gemeinschaftspraxis. Verlangt unbedingt Dr. Endraß persönlich.
 Hier einen Liste von Ärzten die sich mit Cluster auskenne nach Postleitzahlen geordet:
http://www.ck-wissen.de/ckwiki/index.php?title=Cluster-Kopfschmerz_%C3%84rzte_und_Kliniken
Vielleicht findet ihr was aus euere Nähe.

In der Regel wird meist folgendermaßen vorgegangen.
Der Patient bekommt erst hochdosiert Kortison für ca 4 Wochen. Dabei wird Verapamil verabreicht, welches für seinen Wirkstoffspiegelaufbau ca 4 Wochen braucht. Dann wird das Kortison ausgeschlichen. Im Idealfalle ist der Patient dann mit dieser Prophylaxe schmerzfrei.
Als Notfallmedikamente bekommen Clusterpatienten Sauerstoff zum inhalieren. Für zu Hause 10l Flaschen und für unterwegs eine 2 l Flasche,welche man in einer Tasche mitnehmen kann. In der Regel ist dann eine Attacke nach knapp 10 Minuten abgebrochen(kupiert).
 
Dann gibt es auch noch Triptane in Spritzen oder Nasensprayform.


Sumatriptan s.c. ist eine Einwegspritze in Penform, die sich der Patient selbst ins Bein oder Arm unter die Haut spritzt.Ist nicht schlimmer wiue nen Insulinpenspritze.
AscoTop Nasal ist ein Nasenspray das über die Nasenschleimhaut aufgenommen wird.
Wirkt nach ca 3-5 Minuten bei meiner Frau.
Wichtig ist dabei dass man schon zu Beginn der Attacke das Medikament oder Sauerstoff anwendet. Wenn man zu lang wartet funktioniert der Sauerstoff nicht mehr und die Triptane haben auch Probleme mit der Wirkung.

Wichtig!! lasst euch keine Triptane für den Notfall als Tabletten verordnen. Die brauchen zu lange bis sie wirken. Da ist die Attacke schon von selbst am abklingen.

Ihr könnt mich gern telefonisch kontaktieren. Schickt mir eine PN mit Telefonnummer(bitte Festnetz) ich ruf dann abends zurück. Vielleich eine Zeit angeben wo es euch am besten passt. So ca 20-22 Uhr ist ein guter Zeitraum.

Gruß und schmerzfreie Zeit
Fips2
« Letzte Änderung: 21. März 2011, 14:02:53 von fips2 »

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #69 am: 21. März 2011, 12:27:48 »
Super, danke!! für die Informationen!

Und natürlich auch für dein Angebot!

Ich denke, wir werden erstmal so verfahren, dass wir weiter abwarten. Das Schlimmste, was dabei passieren kann, ist ja, wenn ich es richtig verstanden habe, eine weitere unbehandelte schmerzvolle Attacke, die man dann aussitzen muss.. Was mich so am Cluster zweifeln lässt, ist, dass es für meinen Freund dennoch scheinbar nicht sooooo schlimm ist, dass er eine neue Attacke mit allem was geht zu vermeiden und zu behandeln bereit wäre. Stationäre Aufnahme? Nein danke (das hatten wir ja am Freitag so). Spritze ins Bein?? Da zeigt er den Vogel.. Das ist doch untypisch? Clusterpatienten würden sich im Zweifelsfall doch am liebsten umbringen wollen wegen der Schmerzen.

Schade, dass wir nicht in die Rhein-Mosel-Klinik nach Andernach gefahren sind am Freitag, die hätte nämlich auch zur Option gestanden, und dort kennen sie sich wohl auch mit Kopfschmerzen aller Art gut aus, wie ich der Ärzteliste gerade entnommen habe...

Mein Freund nimmt das Gabapentin übrigens in einer sehr niedrigen Dosierung (2x100mg), der Neurologe sagte uns, dass Nebenwirkungen dabei sehr sehr unwahrscheinlich wären. 2 Monate soll das nun erstmal so gehen, dann Absetzen und schauen was passiert. Zumindest das EEG werden wir vorher aber unbedingt machen lassen. Wenn fokale Anfälle ausgeschlossen sind, bleibt ja dann kaum eine Differentialdiagnose außer Cluster übrig.

fips2

  • Gast
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #70 am: 21. März 2011, 12:48:34 »
Am Anfang einer Custerkarriere will sich noch kein Clusterpatient umbringen.Also das als Diagnosegrund zu nennen wäre grundlegend falsch.
Das kommt sehr auf die psychische Stabilität des Patienten an und wie der Cluster selbst verläuft.
Wer, wie meine Frau, täglich unter 12-15 Attacken gelitten hat und das über 2 jahre hinweg, wird psychisch schon mürbe. Schlafenzug wegen nächtlicher Attacken tut sein übriges dazu.
Der Gedanke kommt vielleicht, aber bis zur Ausführung kommt es selten und wenn, dann aus einer Kurzschlussreaktion. Ich kennen sehr viele Clusterpatienten und es ist mir in der Zeit von 5 Jahren kein Suizid bekannt geworden, aber schon Fälle in denen die Patienten kurz davor standen, oder sich zumindest mit dem Gedanken tugen.

Ich hoffe für deinen Freund, dass er erst mal Eipisoker ist. D.h. er hat mal einen Zeitraum von 4-8 Wochen diese Attacken und dann ist plötzlich wieder Monate lang Ruhe. Vielleicht hat er aber auch das große Glück, wie die Frau unsres Hausarztes, die nur ein mal im Leben eine Episode über 6 Monate hatte und dann gar nichts mehr.

Jeder geht auch anders mit Schmerzen um und hat sein eigenes Schmerzempfinden. Wer Schmerzen gewöhnt ist  wird den Schmerz wohl ein-zwei Stufen niedriger einordnen als ein  Mensch der sonst keinen Schmerzen hat.
Anhand dieser Schmerzstufen kann man nicht ableiten ob Jemand Cluster hat oder nicht. Nur weil er keine 10er Attacken hat.
Lasst euch davon nicht täuschen.
Es gibt Patienten die sind mit 2 Attacken am Tag "tot". Andre freuen sich wenn sie "nur" 2 Attacken hätten.
Deshalb kann man Patienten schlecht miteinander vergleichen.
Egal wie. Schmerz ist furchtbar und muss mit entsprechnden Medikamenten nicht sein.
 Wie man Schmerzen für Cluster einteilt habe ich hier mal festgehalten.
Kipp Index
Vielleicht hilft das deinem Freund bei der Einteilung und Zuordnung seiner Schmerzen weiter.
Du kannst ja mal in dem Forum ein bissel stöbern. Da sind viele Interssante Infos drin in verständlichem Deutsch und für Neulinge übersichtlicher Form.
Es gibt auch noch andre Foren und Seiten, die sind aber für Neulinge zu unübersichtlich und verwirrend. Wenn man sich mal ein bisschen auskennt, kann man natürlich dort auch wertvolle Infos finden.

Gruß und schmerzfrei Zeit

Fips2
« Letzte Änderung: 21. März 2011, 15:53:33 von fips2 »

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #71 am: 16. Juli 2011, 14:16:00 »
Hallo zusammen!

Nach etwas längerer Pause wollte ich die erfreuliche Nachricht kundtun:

Das Kontroll-MRT meines Freundes vorletzte Woche war positiv! Keine Kontrastmittelanreicherung, also kein Rezidiv. Abgesehen davon, dass der hintere Hirnbereich sehr vernarbt ist (Bestrahlung, diverse Entzündungen etc.), sieht alles so aus, wie es sollte!

Meinem Freund geht es auch ansonsten sehr gut zur Zeit. Da ich im Zuge meiner Diplomarbeit jeden Tag 11-12 Stunden außer Haus bin, muss er seit nun 6 Wochen mehr oder weniger selbstständig im Alltag zurecht kommen. Und das meistert er, mit einigen wenigen Abstrichen, wirklich toll! Hausarbeit, Hund, ein bisschen Papierkram-Management... Ich bin positiv überrascht und freue mich sehr darüber!

Obwohl dieser Alltag ihn alles andere als zufrieden stellt (viel lieber würde er natürlich auch arbeiten gehen, aber zur Zeit stecken wir noch in einer tiefen Krise mit der Rentenversicherung was die Förderung von Umschulungsmaßnahmen betrifft), glaube ich, dass es ihm gut tut, eine Aufgabe zu haben und auch wieder ein bisschen Verantwortung übertragen zu bekommen.

Die mysteriösen Kopfschmerzen sind bislang nicht mehr aufgetreten *aufs Holz klopf*.

Liebe Grüße und allen ein schönes Wochenende!
dorf-ei

Offline KaSy

  • Mitglied Forum
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 2715
  • Ich gebe niemals auf!
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #72 am: 17. Juli 2011, 01:51:55 »
Das klingt soooo gut!! (Ich kann solche Nachrichten gerade gut brauchen.) Ihr schafft das!!
KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #73 am: 30. September 2011, 22:30:41 »
Hallo Forumsmitglieder!


Von uns gibt es Neues - Erfreuliches und auch Unerfreuliches.


Fangen wir mit der guten Nachricht an: Wir haben im Streit mit der Deutschen Rentenversicherung um die Förderung einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben (es wird auf eine Umschulung hinaus laufen - in seinem alten Beruf ist und bleibt mein Freund berufsunfähig) Recht gesprochen bekommen, juchuu!! Nach über einem halben Jahr geht es nun übernächste Woche zum Reha-Berater und dann schauen wir mal!


Weniger schön: Vor ca. 4 Wochen wurde mein Freund erneut von diesen seltsamen Kopfschmerzen heim gesucht. Die letzten Kopfschmerzen genau der gleichen Art lagen ein knappes halbes Jahr zurück, nach einem Wochenende, an dem ordentlich und vor allem zu viel gefeiert wurde, ging es an einem Sonntagabend wieder los. Kopfschmerzen, neurologische Auffälligkeiten (Sehstörungen bis zum vor-den-Türrahmen-laufen, Kribbeln in den Extremitäten, Sprachstörungen,...), vor allem Cluster-typische Begleitsymptome (rotes, tränendes Auge, laufende Nase).

Also das gleiche Spiel wie im März schonmal: Die Neurochirurgen machten ein CT, das abgesehen von den ganzen Dingen, die im Kopf meines Freundes nach seiner Krankengeschichte eben nicht mehr "normal" sind, ohne Befund blieb. Auch das Blutbild war in Ordnung. Ratlos wurde mein Freund also aus der ambulanten Behandlung entlassen.

Weil es nicht besser wurde, habe ich dann zwei Tage später gefühlte 50 Praxen von niedergelassenen Neurologen hier in der Umgebung abtelefoniert, unser Problem geschildert und um einen Termin gebeten. Nada. Wartezeit zwischen 8 und 12 Wochen (wir sind ja Kassenpatienten  >:( ). Sogar in der Poliklinik für Neurologie der Universitätsklinik meiner Studienstadt habe ich mich erkundigt. Nichts zu machen, da ja alles "Schlimme" von neurochirurgischer Seite aus bereits abgeklärt war, war er ja kein Notfall.

Als es einen Abend dann wieder so schlimm war, habe ich ihn einfach ins Auto gepackt, bin in eine uns schon bekannte Klinik hier in der Region mit neurologischer Abteilung gefahren, hab ihn im Rollstuhl auf die Station geschoben und mir geschworen, nicht eher zu gehen, bis dass meinem Freund endlich eine Behandlung zukommt. Hat auch geklappt. Der diensthabende Neurologe hat gleich den Oberarzt dazu gerufen, es wurde sogleich ein Therapieversuch mit Sauerstoffinhalation gestartet. Zeitgleich wurde mein Freund neurologisch auf den Kopf gestellt.

Nach zwei Stunden oder so war man sich einig, dass der Sauerstoff wohl nicht helfe und mein Freund wurde stationär aufgenommen. Dann folgten zwei Tage, in denen es meinem Freund phasenweise sehr schlimm ging (geistig total weggetreten, schlimme Schmerzen), und dann wiederum urplötzlich ganz ok. An Medikamenten wurde alles mögliche getestet. Von Paracetamol-Infusionen über die Sauerstoffinhalation bis hin zu Triptanen als Nasenspray. Half alles kaum. EEG ohne Befund, nochmal CT ohen Befund, großes Rätselraten.

Dann wurde nochmal ein MRT mit Kontrastmittel gemacht (das letzte zur Tumornachsorge war ja erst ein paar Wochen alt, deswegen hatte man sich zuerst mit den Bildern zufrieden gegeben) und heraus kam, dass eine Blutsstauung in einer Hirnvene vorlag. Zwei Tage lang wurde mein Freund darauf hin erst einmal "voll heparinisiert" (danach waren die Kopfschmerzen weg) und dann nochmal für eine Angiographie verlegt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben es mit einer sogenannten arteriovenösen Fistel zu tun. Ein Ast einer Arterie der Hirnhaut hat - wie auch immer das passiert ist - den Weg ins Kleinhirn und Anschluss an eine Hirnvene gefunden.

Jetzt werde ich als medizinischer Laie mal versuchen wieder zu geben, weshalb dieser Befund problematisch ist:

- Arterien führen das Blut vom Herzen weg. Demnach ist der Blutdruck in Arterien hoch. Aus diesem Grund müssen Arterien ziemlich dickwandig sein. Nach dem Passieren der Kapillaren ist der Blutdruck gegen Null gefallen, wenn sich die feinen Gefäßchen wieder zu Venen vereinigen. Dementsprechend sind Venen sehr dünnwandig. Durch den "Kurzschluss" im Gehirn meines Freundes steigt der Druck in der betroffenen Vene..

- Die Hirnvenen müssen das Blut aus dem Gehirn hinaus befördern. Der Sinus sagittalis superior fehlt meinem Freund schon, ist dem Meningeom damals zum Opfer gefallen. Ein weiterer ist ebenfalls "dicht", wohl Folge der Bestrahlung und Entzündungen. Deswegen müssen weniger Venen ohnehin schon mehr Blut fördern. Den Blutfluss der AV-Fistel kann sein Kopf deswegen noch weniger gut kompensieren, als es ein gesunder Kopf möglicherweise könnte.

- Alles zusammen genommen ist ein Risiko anzunehmen, dass es zur Ruptur der Hirnvene und damit zu Einblutungen ins Gehirn kommen könnte. Da die Arterie kurzgeschlossen ist, fließen da auch sehr, sehr viele Milliliter pro Minute dann... Deswegen muss was unternommen werden.

Wir haben noch keinen definitiven Termin, es muss nach Aussage auch nichts "notfall-mäßig" unternommen werden, aber es ist beschlossene Sache, dass mein Freund noch dieses Jahr behandelt wird. Es geht ihm aktuell wieder sehr gut, aber mit diesem Risiko, das keiner in Zahlen formulieren kann, und dieser Angst zu leben, ist ja auch nicht schön. Operiert werden muss zum Glück nicht, es wird "nur" eine Embolisation gemacht. Das hat mein Freund ja schon einmal gut überstanden... Bei ca. 10% der Patienten kommt es zu einem Rezidiv, d.h. der Ausbildung einer neuen AV-Fistel... Drückt uns die Daumen, dass bei meinem Freund alles glatt läuft und er auch im weiteren Verlauf nicht schon wieder das Pech gepachtet hat!

Nun ist mein Text wieder zu einem Roman geworden... Ich wollte nur alles detailliert aufschreiben, vielleicht profitiert ja hier irgendjemand nochmal davon.

Liebe Grüße,
dorf-ei


P.S.: Achja, die Kopfschmerzen werden durch die Blutstauung verursacht und mittlerweile von den Ärzten als "symptomatischer Cluster" bezeichnet. Typisch dafür ist im Prinzip, dass keine der üblichen Medikationen gut anschlägt. Im Ärzteblatt vom - ich glaube - August ist ein interessanter Reviewartikel über den CK erschienen.

Offline dorf-ei

  • Mitglied Forum
  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 44
    • Profil anzeigen
Re:Verzweifelt - eine Komplikation nach der anderen...
« Antwort #74 am: 18. März 2012, 19:31:39 »
Hallo zusammen!

Nach langer Zeit melde ich mich einmal wieder, um eine Aktualisierung vorzunehmen ;)

Vorweg die guten Nachrichten: Die Bestrahlung des nach der Tumor-OP verbliebenen kleinen, jedoch makroskopischen Restes des Meningeoms WHO°II meines Freundes jährte sich jetzt im März zum zweiten Mal. Und noch immer keinerlei Anzeichen eines Rezidivs!!!  ;D

Wirklich schlechte Nachrichten gibt es momentan nicht. In meinem letzten Posting schrieb ich ja noch über die Kopfschmerzproblematik und die Verdachtsdiagnose.. Diese hat sich zwischenzeitig bestätigt. Mein Freund leidet also an einer rezidivierenden Blutgefäßanomalie der Hirnhäute/des Gehirns, die vermutlich Teil der immer noch sich vollziehenden Heilung und Regeneration des Kopfes nach den viiielen, vielen Eingriffen und Geschehnissen ist. Das Kind trägt den Namen durale, arteriovenöse Fistel.

Diese Fistel führt zu einem gestörtem Blutfluss, der eine Stauung des einen Hirnvenensinus bedingt. Diese Stauung wiederum verursacht einen erhöhten Hirndruck, wenngleich dieser auch so minimal ist, dass er mit bildgebenden Verfahren quasi nicht diagnostiziert werden kann, zumindest nicht in dem Stadium, in dem mein Freund dann aber schon massive Symptome zeigt.

Das erste Mal wurde er Mitte November wegen dieser Geschichte behandelt. D.h. die betreffenden Blutgefäße wurden in einem minimalinvasiven Eingriff embolisiert. Danach war Ruhe und alles super, bis er Ende des Jahres kurz vor Silvester wieder diese Beschwerden bekam (es geht los mit Erbrechen, danach Cluster-ähnliche Kopfschmerzen inkl. der Begleitsymptome und starke neurologische Ausfälle. Diamox schafft ganz gut Abhilfe, ändert aber natürlich nichts an dem pathologischen Befund). Sehr doof vor allem deswegen, weil er zu Beginn des Jahres endlich die lang ersehnte und erkämpfte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben starten wollte. Mitte Januar wurde er dann zum zweiten Mal auf gleiche Weise an der Fistel behandelt.

Im Entlassungsschreiben stand dann das, was die Ärzte zuvor auch schon mit uns besprochen hatten, nämlich dass es noch zwei weitere Gefäßchen gibt, die die Fistel speisen bzw. bilden, der Blutfluss über diese Gefäße aber im Moment zu gering ist, als dass das zu Problemen führen würde. Das kann sich aber jederzeit ändern, also warten wir seitdem sozusagen darauf, dass sich wieder etwas tut da oben, aber bisher toi toi..

Wir hoffen beide sehr, dass es in 14 Tagen zum neuen Quartal jetzt endlich klappt mit der beruflichen Reha. Ansonsten geht es ihm vor allem seelisch ziemlich gut zur Zeit. Er ist in die neue Situation ganz gut "hineingewachsen" mittlerweile, auch wenn es natürlich immer wieder Momente gibt, in denen er etwas nicht kann oder hinbekommt, was er früher einmal konnte bzw. was klappte.. Das sind auch jetzt nach 2 Jahren immer noch Momente der Trauer, der Wut, der Verzweiflung. Aber insgesamt überwiegt der Mut und die Motivation, aus allem in Bezug auf die Zukunft - und nicht auf das Vergangene - das Beste zu machen, das möglich ist!

Ich komme soweit auch zurecht, Ende der kommenden Woche gebe ich meine Diplomarbeit ab und werde dann nach 4 Wochen *Urlaub* weiter machen bzw. noch meine Promotion anschließen. Es geht schon alles weiter, muss es ja auch.. Manchmal ist es anstrengend zu Hause, manchmal sind meine Geduld und meine Nerven schon überstrapaziert, manchmal werde ich dann glaube ich auch ein bisschen unfair, was mir hinterher dann immer sehr leid tut. Es ist nicht so einfach, den richtigen Mittelweg zu finden zwischen auf-jemanden-aufpassen, jemandem-Hilfestellung-geben wenn man eben sieht, dass er gerade zwei linke Hände benutzt, und aber jemanden-auch-machen-zu-lassen, auch wenn man dabei Missgeschicke schon im vorhinein so sicher wie das Amen in der Kirche sind. Hinzu kommt, dass mein Freund ein furchtbarer Sturkopf ist, aber das hat ja nichts mit seiner Krankheit zu tun, oder vielleicht doch, vielleicht hat der Kopf das alles bislang deswegen so gut meistern können ;)

In diesem Sinne euch allen noch einen schönen Sonntagabend und bis bald!
dorf-ei




 



SMF 2.0.19 | SMF © 2022, Simple Machines
Hirntumor Forum © 1996-2022 hirntumor.de
Impressum | Datenschutzerklärung