Hallo zusammen!
Nachdem ich seit eineinhalb Jahren immer mal wieder hier gelandet bin, möchte ich Euch doch auch mal unsere Geschichte erzählen - auch wenn ich nicht wirklich glaube, dass es noch irgendeinen Ausweg gibt. Aber manchmal muss man eben auch mal mit jemanden sprechen, der sich damit auskennt...
Bei meiner Schwiegermutter wurde im Januar 09 - nachdem sie zweimal "im Kreis gelaufen" war, ein Glioblastom diagnostiziert. Dieser Ausdruck "im Kreis laufen" wurde immer wieder von meinen Schwiegereltern benutzt, deshalb übernehme ich ihn einfach. Gemeint waren wohl Gleichgewichtsstörungen. Nach der Diagnose kam eine OP, der Tumor konnte entfernt werden (nun darf ich wieder zitieren: "Aber der kann immer wieder kommen") Danach kamen sechs Wochen lang Bestrahlung und danach Temodal. Die Chemo hat sie sehr schlecht vertragen. Kaum noch Leukos, dann kamen Bluttransfusionen. Nach einer von denen sagte man ihr im KH (Uniklinik HH-Epp.), wenn sie Fieber bekäme, solle Sie kommen. Sie bekam am Samstag mittag hohes Fieber und mein Schwiegervater fuhr mit ihr dorthin. (Das war ziemlich genau vor einem Jahr, am 25. Juli). Damals kamen viele "Schweinegrippe-Flieger" aus Mallorca an, daher war die Notaufnahme entsprechend voll. Nachdem sie sich zwei Stunden den Hintern plattgesessen hatten, stand mein SchwV auf, um sich ein Glas Wasser zu holen, setzte sich wieder hin und ließ das Glas fallen. Er war nicht ansprechbar und eine andere Wartende meinte, es sähe aus, wie ein Schlaganfall. Nach ein paar Minuten waren Ärzte da und man brachte ihn in die Stroke-Unit. Meine Schwiegermutter rief mich dann auf dem Handy an und meinte, wir sollten in KH kommen, es wäre was passiert. Mein Mann ist dann gleich los, es waren ja Sommerferien und ich konnte so schnell niemanden erreichen, bei dem ich unseren Sohn hätte lassen können. Als mein Mann dort ankam seine Mutter auch schon stationär aufgenommen, da Sie zusammengeklappt war. Er lief dann immer zwischen den zwei Stationen hin und her auf der Suche nach irgendjemanden, der mit ihm spricht. Irgendwann habe ich dann auch eine Freundin erreicht, die sofort kam und mich dorthin brachte und den Kleinen mit zu sich genommen hat. Als ich dort ankam, sagte mir mein Mann, es sähe nicht gut aus: sehr schwerer Schlaganfall, sie tun alles, haben aber keine Hoffnung gemacht. Abwarten. Nach weiteren 3 Stunden des Wartens hatten wir dann ein längeres Gespräch mit der Ärztin, die dies nochmal bestätigte. Der Rest ist schnell erzählt: mein SchwV hat sein Bewusstsein nicht wiedererlangt und ist am sechsten Tag danach verstorben.
Seitdem lebt meine Schw.M allein (klar, sie hat uns, aber...) mit ihrer schrecklichen Krankheit. Sie hat mittlerweile eine schwere Depression entwickelt. Nachdem sie die Temodal Therapie ja nicht vertragen hatte, haben die Ärzte die Dosis start herabgesetzt. Das funktionierte dann so einigermaßen. Anfang Feb. 2010 hat man dann im MRT ein Rezidiv entdeckt. Der Arzt sagte, sie sei nun "austherapiert" und man könne nichts mehr tun. Sie wollte von ihm wissen, wie lange sie noch hat, uns hat er dann gesagt, Weihnachten 2010 werde sie wahrscheinlich nicht erleben und wir sollten uns schon einmal nach einem Hospizplatz erkundigen. Ach ja: das Rezidiv war noch "sehr klein"... Danach wurde es mit der Depression schlimmer und sie hat sich in die Psychatrie eingewiesen, wo sie dann auf Medikamente eingestellt wurde.
Anfag Mai kam dann die nächste MRT. Dort konnte man sehen, dass das eine Rezidiv aus Februar kleiner geworden war, dafür gab es noch eine andere Stelle, aber so winzig, dass man nicht sicher sein kann, ob es ein weiteres Rezidiv ist. Mein Mann kam total positiv aus dem KH, wir freuten uns sehr... Sie selbst hat mir mittlerweile gesagt, dass sie es anders verstanden habe und es auf jeden Fall ein weiterer Tumor ist. Ich selbst war bisher bei diesen Terminen nicht dabei, ich hatte es zwar immer angeboten, aber habe immer nur gehört "nicht nötig". Wenn ich danach gefragt habe, "was hat der Arzt denn hierzu oder dazu gesagt?" habe ich immer nur schwammige Antworten bekommen. Mein Mann steht natürlich komplett neben sich: Innerhalb eines Jahres zerbricht eine heile Familie, Vater tot, Mutter so gut wie tot, plötzlich erwachsen, Einzelkind, usw.usw.
Ich kann natürlich nicht ohne ihr Einverständnis zweite Meinungen einholen. Und sie ist durch ihre Depression überhaupt nicht in der Lage dazu. Ich denke, sie ist froh, wenn es vorbei ist... Aber: Sie ist 68 Jahre alt und lebt nun schon trotz widrigster Umstände seit eineinhalb Jahren mit dieser Krankheit. Seit Februar ohne jegliche Therapie. Und es geht ihr körperlich doch einigermaßen gut, sie ist zwar sehr dünn, kann aber noch alles alleine wuppen, klappt nicht zusammen, hat keine Epilipsie-Anfälle, der Krebs zeigt sich (im Moment) nicht. Könnte man da nicht mehr tun, als einfach nur alle drei Monate im MRT zu schauen, what's new?
Nächsten Mittwoch ist der nächste Termin und ich habe mir fest vorgenommen, mitzugehen, wenn ich mein Kind irgendwie untergebracht kriege. Was könnte ich den Arzt fragen? Wie stelle ich es an, dass meine Schwiegermutter nicht so abgeschrieben wird? Kann ich ihn nach der Krankheitsakte fragen? Sie selber ist und war eigentlich nie so der Typ "mündige Patientin", sie hat eigentlich immer alles hingenommen und gemacht, was die Ärzte ihr gesagt haben... Kann ich mich da überhaupt einmischen und drüber hinwegsetzen? Ich weiß nicht, was richtig ist. Mache ich mir irgendwann Vorwürfe in der Art "Hätte ich damals nur dies oder das gemacht?"
Danke, dass ihr Euch das alles durchgelesen habt! Danke, falls Euch etwas dazu einfällt! Und alles Gute für jeden von Euch!!!
Barbara