HirnTumor-Forum

Autor Thema: Aus dem TIEF kommen  (Gelesen 220440 mal)

Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #225 am: 16. Juni 2014, 15:19:45 »
Liebe Leute,

es tut mir sehr Leid, wenn das im meinem Beitrag:

Tja, ein Anruf beim Gyn und schon bricht das ganze emotionale Kartenhaus zusammen ...
"Raumforderung" - das ist das passende Wort für die Probleme, die meine Psyche und meine Zeit voll belegen.
Ich kann nicht mehr.

verwendete Wort "Raumforderung" als Tumor gedeutet wurde. Es betraf tatsächlich "nur" die schreckliche Situation, die meinem Leben jede Menge Zeit klaut und die ich am 2. Juni 2014 beschrieben habe:
http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,6332.msg649070.html#msg649070

Das "Ich kann nicht mehr." ist nach einem kurzzeitigen, schwer erarbeitetem Mini-Hoch immerhin einer Hoch-Tief-Sinus-Kurve gewichen, bei der die Verdrängungstaktik "wunderbar" funktioniert ...

Ich halte mich an Hörbüchern, Enkeln, Schwatzen mit Freundinnen u.ä. hoch, habe eine Antidepri-Tablette nach etwa drei Monate Pause (weil es mirgut ging) wieder genommen, freue mich auf meine kurz vor der Entbindung stehende Tochter, die ich in einer Woche besuchen werde. Aber nachts oder sonstwann drängeln sich die beknackten Gedanken heulend hervor, die blöde Psyche lässt mir auch körperlich kaum Kraft, ich habe ständig das Gefühl der Überforderung, kann mich kaum auf etwas konzentrieren, bekämpfe aggressive Gefühle und Reaktionen mit viel Mühe, schlafe vor Erschöpfung ...

Aber es ist keine organische Raumforderung!

(Vielleicht würde ich die leichter ertragen, weil es dafür immerhin Lösungswege gibt ... Meine Güte, ist das "schizophren" !)

Eure KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

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Offline krimi

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #226 am: 16. Juni 2014, 19:55:56 »
Liebe KaSy,

deinen Begriff "Raumforderung" habe ich schon richtig verstanden.
Leide ich derzeit ja neben einer körperlichen auch unter solch einer "raumfordernden" Situation.

Die Unsensibilität mancher Sachberarbeiter/innen kann einen schon zur Verzweiflung bringen.

Das erfahre ich gerade selbst in eigener Sache. Die Angestellten in diversen Ämtern, Kliniken, Praxen funktionieren teilweise wie Automaten.

Selbst heute. Ich war heute Morgen in einer Klinik und mache mich für eine OP fertig, als mein Handy klingelt und eine Sachbearbeiterin des ÄD der AfA dran ist. Ich sage, dass ich in den OP muss und sie: "Sie haben um Rückruf gebeten und ich will ihnen nur kurz sagen, dass ...." Sie hörte nicht auf.
Als wenn mich diese Info gerade in diesem Moment interessierte. Ich meine, sie interessierte mich schon, nur hätte ich etwas Empathie in der momentanen Situation mir gegenüber erwartet.
Dafür werden solche Sachbearbeiter nicht bezahlt. (Obwohl - für was werden die bezahlt?)

Du hast dir gute Beschäftigung gesucht. Richtig so.
Und nun ab zur werdenden Mama. Da kommst du erst recht auf andere Gedanken. :-*

Was sagt dein Psychodoc dazu wie es dir geht?

LG krimi
« Letzte Änderung: 16. Juni 2014, 20:31:08 von krimi »
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http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,6956.msg50233.html#msg50233

Offline Igelchen

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #227 am: 16. Juni 2014, 22:17:59 »
huhu,

na dann bin ich wohl die 3. im bunde der es ebenso mit der ausgebreiteten übersicheinherziehenden "raumforderung"  ;D ;D

ehj ich ganze quadratkilomertergroße raumforderungen z.z.

liebe kasy, liebe krimi ich weis wovo ihr sprecht (spricht?? äh, z.z. ist es mit deutsch auch nicht weit her).

war recht wenig hier, weil sogar das forum dadurch verdrängt wurde/wird ;D

ich habe es nur gelesen, dass es zum missverständnis gekommen ist und meine wenn ich euch viele liebe grüße und verständnis (eigene erfahrungne) schreibe, dann fühlt ihr euch en stückle besser / gut ...da hammers schon wieder wie drück ich es so aus dass es passend klingt ? weil gut ist bei einer rf-phase oft nicht zu merken bzw man denk leichter geschrieben als dass es einem wirklich nützen kann. ein stückle kommt an und ist im nächsten schon wieder weggedrückt worden (so empfinde ich das, und der ein oder andere kann sich da hinenverstehen).

ich bin z.z. eine permanent raumforderungs-igelchen und ist es dann mal gerade ruhig merk ich das noch nicht einmal weil ich ausgelaugt rumliege und eh ich mich versehe drängelt sich mir erneut was entgegen.

in 3 wochen gehts in den urlaub auf den ich mich seit letztem jahr freue..........freuen sollte und da liegt der hund begraben (also nicht in echt ;D ;D)....

genau wie dir krimi, die ämter, sachbearbeiter..oft ohne worte. wären wir alle ok, dann würd uns das nicht umhauen, da könnten wir dagegenhalten, aber an vieliel enden müssen wir noch kämpfen.............und dann einfach übergangen zu werden am telefon ohne jegliche rücksicht............

also liebe leutles, manches geschriebene wort ist nicht immer das was man denkt, wenn man denkt das es so oder so oder..............oft gibt es zwei oder mehrere bedeutungen im zusammenhang. da bin ich übrigens auch spezialist drin in was schreiben und es war doch gar nicht so gedacht usw.............. ;D

und krieg ich panik und denk oh je was ist los, dann frag ich in einer pn nach ob es um dieses oder jenes geht.

die woche hat gerade angefangen, und ich fühl mich als ob ich seit nem jahr nicht mehr geschalfen hab usw......................

tschüßi und allen immer nur gutes :) :) :)

igelchen
entscheide dich immer für das liebevolle in dir und du wirst das richtige tun.
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Offline Bluebird

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #228 am: 17. Juni 2014, 19:00:36 »
Hallo,

und ich glaubte tatsächlich, dass Du KaSy dieses Wort "Raumforderung" so gemeint hast, wie es als Begriff in der Medizin vorgesehen ist. Es war ein Missverständnis...zum Glück. Du hast bei mir damit Alarmglocken und Aufmerksamkeit hervorgerufen.
Es ist leider eine Tatsache, dass es nach meinem Empfinden mehr empathie- und taktlose Menschen gibt als solche, die Rücksicht nehmen. Mir kommt es oft so vor, als ob ich mich entschuldigen müsste für die Oberflächlichkeit und Fehler anderer. Doch bevor mich solche Erfahrungen an den Rande der Verzweiflung bringen, sage ich mir, dass diese Leute und diese Ereignisse es nicht wert sind, mir meinen Tag, meine Woche oder einen noch längeren Zeitraum zu verderben. Denn während man vielleicht selber grübelt und grübelt, dreht sich das Hamsterrädchen weiter und weiter...


Nun mal weiter: ich bin ratlos, wer oder was Dich aus diesem Dilemma rausholen könnte. Du hast Familie, Enkelkinder,
lebst doch in einer netten Umgebung, siehst die Natur, liest ehrenamtlich vor, führst doch -wenn ich mich richtig erinnere - auch psychotherapeutische Gespräche, wirst hier von vielen Mitgliedern gelesen und sicher von einigen besonders engen Kontakten moralisch unterstützt. Wenn das alles nicht zur Verbesserung beiträgt, was soll dann werden? Ich glaube, nur Du allein hast Reserven in Dir, die Du mobilisieren musst. Du allein kannst Dich aus diesem Sumpf ziehen. Was es bedarf, um letztendlich den Impuls zu geben, kann ich leider auch nicht sagen.

Gruß
Bluebird

« Letzte Änderung: 18. Juni 2014, 21:23:09 von Bluebird »
The best time to plant a tree was 20 years ago.
The second best time is NOW.
(Chinesisches Sprichwort)

Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #229 am: 21. Juni 2014, 00:31:13 »
Ich mach das schon einigermaßen offensiv.
Also, ich verkrieche mich nicht.

Meine Neurologin hat mich nach der offiziellen Sprechzeit zu sich gebeten und hat sich für mich über eine Stunde Zeit genommen. Sie sah mir die "Katastrophe" auch an und wir versuchen zusätzlich einen medikamentösen Lösungsweg.

Ich war heute mit drei Freundinnen zum Eröffnungskonzert des Rosenfestes, das jährlich ein dreitägiges wunderschönes Fest in unsererm Ort ist. In der Kirche trat ein mitreißender Gospelchor auf. Wobei ich "mitreißend" nur weiß, weil ich ihn auch im Vorjahr erlebt habe, als er auch mich enorm begeisterte und "mitriss". Diesmal wollte ich beinahe rausgehen, weil es mir so schwer fiel, diese Freude mit zu empfinden, den Rhythmus in mich hinein- und wieder heraus zu lassen. Ich bin nicht rausgegangen, aber es hat Kraft gekostet.

Ich bin ein paar Mal durch die Festmeile gegangen, mit und ohne Freundinnen und habe das getan, was ich mir vorgenommen hatte, ohne mich vor meinen eigenen Wünschen zu drücken. Also ist es gut.

Aber (noch) nicht besser.

Ich versuche jetzt, Ruhe zu finden.

Eure KaSy
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #230 am: 24. Juni 2014, 21:25:14 »
Meine Neurologin war sehr froh, dass ich mir eine Auszeit nehme und vor allem eine so schöne bei meiner Tochter in deren gerade ausgeräumter Wohnung.
Die 600 km bis München habe ich am Montag (23.6.14) mit 5 Pausen und einer Stunde Stop-and-stop-and-slowgo gut geschafft.
Über Nacht fingen bei meiner "Kleinen" die Wehen an und die Abstände wurden über den Tag nach und nach kürzer. Als ihr Freund von der Arbeit kam, bereiteten sich die Beiden langsam vor, in die Klinik zu fahren und ich habe "das Feld geräumt".
... und warte auf den Anruf.
... und genieße die Ruhe, die meine Stimmung bessern soll.
Liebe Grüße
Eure KaSy


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Offline krimi

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #231 am: 24. Juni 2014, 22:25:36 »
Liebe KaSy,

du hast alles gut gemacht - die Auszeit, die Fahrt und das "Räumen des Feldes".  ;)

Alles Gute dir und den werdenden Eltern!

krimi
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Offline Eva

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #232 am: 25. Juni 2014, 00:36:53 »
Liebe KaSy,

genieße Deine Auszeit und alles Gute Dir und Deiner Familie.

LG Eva
Der Gesunde weiß nicht, wie reich er ist.

Vergiss die Frage, was das Morgen bringen wird, und zähle jeden Tag, den das Schicksal dir gönnt, zu deinem Gewinn dazu.                                                                Horaz

Mein Erfahrungsbericht: http://www.langzeitueberlebende-glioblastom.de

Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #233 am: 26. Juni 2014, 23:04:15 »
 :D Das Baby ist da. :D
Und ich tue mich schwer mit dem Glücklichsein.
Andere können sich so locker leicht freuen, wieso ich nicht?
Also, natürlich freue ich mich und bin auch glücklich.
Aber ich brauche die Ruhe.
Die beiden Eltern schaffen es allein. Obwohl so kurz nach ihrem Umzug die Vorbereitungen für das kleine Wesen noch nicht perfekt sind, aber sie nehmen den Winzling als ein Wunder wahr, der all ihrer Fürsorge bedarf! Und das ist gut. 
KaSy
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Offline krimi

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #234 am: 26. Juni 2014, 23:54:43 »
Liebe KaSy-Omi,  :-*

herzliche Glückwünsche von mir.

Du bist auf deine Weise glücklich und das ist auch gut so.
Du bist nicht die anderen.

Die neue Wohnung ist noch nicht perfekt - oh man, das Baby wird es nicht bemerken!
Aber es selbst ist perfekt - alles ist dran, an dem kleinen Wunder Mensch!

Ich freue mich mit dir und den frischgebackenen Eltern.

krimi
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Offline Igelchen

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #235 am: 27. Juni 2014, 10:55:53 »
hallo oma kasy :) :) :) (du weist wie ichs meine gell!)

die erde hat einen sonnenstrahl mehr bekkommen, bereichert das glückliche elternpaar und du darfst dich wie krimi schon gesagt hat ganz auf deine weise freuen.

es wird immer unterschiedliche arten der freude geben und mach dir keinen sorgen  das du es gerade so empfindest weil im gleichen atemzug hast du es doch schon richtig beschrieben : du freust dich!!!!

das drumrum ergiebt sich für die eltern, es ist aus meiner seite unwichtig, solange sie nicht mit wollsocken und heizdecke in einem zimmerchen verbringen müssen weil im winter immer noch nicht alles " perfekt" wäre  ;D ;D ;D

 :-* lass dich umarmen liebe kasy und bleib weiter auf dem weg zu dir, den du als gut und richtig mit sicherheit finden wirst!

Mit besten wünschen an den neuen erdenbürger, den glücklichen eltern und natürlich an dich!! :)
<a href="http://www.smilies.4-user.de"><img src="http://www.smilies.4-user.de/include/Babys/smilie_baby_144.gif" border="0" /></a>
entscheide dich immer für das liebevolle in dir und du wirst das richtige tun.
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #236 am: 30. Juni 2014, 00:31:12 »
Nachträgliches Vorwort:
Entschuldigt bitte, der Text ist sehr lang und ihr müsst ihn nicht lesen, aber ich musste ihn mir von der Seele schreiben.


Ich weiß gar nicht wie ich es schreiben soll.
Seit zehn Jahren ist meine Tochter, die nun Mama geworden ist, in München.
Während wir uns zuvor wie Freundinnen verstanden haben, das dachte ich jedenfalls, weil wir so viele schöne Sachen gemeinsam gemacht haben und großen Spaß dabei hatten und auch über alles oder fast alles (?) miteinander reden konnten, ja, also in dieser Zeit wurde sie so anders.
Meine Söhne, ihre älteren Brüder, die in meiner Nähe wohnen, bemerkten es auch.
So nahm ich es zwar sehr schwer, schob es auf die weite Entfernung, das völlig andere Bundesland, die plötzliche völlige Selbstständigkeit, für die wir sie hier alle bewunderten.

Immer wieder brachte sie mich mit ihrer belehrenden, Unmengen von Sätzen für ein und das Gleiche, ihrer abweisenden Art zum Weinen.

Warum nur war sie so geworden?

Am Telefon verstanden wir uns meist prima, dachte ich. Schwatzten eine Stunde oder mehr. Und diese Gespräche, die mir das Gefühl gaben, es wäre alles gut, hat sie so ganz anders empfunden. Immer hätte nur ich geredet. Wenn sie etwas sagen wollte, hätte ich auf einmal keine Zeit oder Lust mehr gehabt. Wie kann man die gleichen Gespräche derart unterschiedlich empfinden?


Und dann erfahre ich von ihr, dass ihre Kindheit von meinen Ausrastern durch die psychischen Belastungen durch die HT- und Augen-OP bestimmt war. Sie hätte immer wieder Angst gehabt, wenn ich weinend fortlief, nachdem ich irgendeine Sache erzieherisch sehr deutlich klarzustellen versuchte, natürlich auf Widerstand stieß, irgendwann deutlicher wurde, laut, schrie ... und weglief, um meine Kinder vor mir zu schützen. Sie sagte, sie sei eigentlich nie gemeint gewesen, aber die Jungs hätte sie zu mir geschickt, um mich zu trösten. Und sie hätten einander und sich unter Druck gesetzt, alles richtig zu machen, alles schön zu machen, aufzuräumen, den Tisch zu decken oder abzuräumen, damit ich nicht weine, damit es mir gut geht. Panisch nannte sie die Reaktionen der Jungs, denen sie sich unterworfen fühlte.

Das Seltsame daran ist die Überbetonung jener Situationen auf die gesamte Kindheit.

Es stimmt, dass ich in einer gewissen Phase des öfteren derartige Ausraster mit verweifeltem Weinen danach hatte.
Und es stimmt, dass ich es den Kindern nicht erklärt habe.
Hätten sie fragen sollen, warum ich so bin?
Hätte ich nicht von allein drauf kommen sollen, es ihnen zu erklären?
Ich kam gar nicht auf den Gedanken, es zu tun.
Und sie kamen - denke ich - auch nicht auf den Gedanken, MICH zu fragen.

Aber sie haben gefragt.
Oma und Opa, also meine Eltern.
Sie haben ihnen gesagt, das wäre die Krankheit und sie sollten mich schonen.
Auch meine Eltern schonten mich. Sie halfen mir, wo sie konnten, mitunter war es mir zu viel oder zum falschen Zeitpunkt. Aber die Hilfe im Garten und so war gut, auch wenn ich mit ihrem zunehmendem Alter nicht wollte, dass sie sich meinetwegen so sehr belasten, überlasten.

Schonen und im Garten helfen. Den Kindern sagen, sie sollen mich schonen. Ich kann es ihnen nicht vorwerfen. Sie taten es so wie sie es wussten und konnten. Damals wusste ich noch nicht, wie sehr Angehörige sich in die Krankheitsbekämpfung und -bewältigung einbringen.

Das hatte ich fast nie erlebt. Ja, natürlich, bei Bedarf wurde ich zum Krankenhaus gefahren.

Aber sonst? Ich habe ja immer alles allein gewollt und auch allein geschafft.
Es gab aber auch Situationen, wo ich aktive, direkte Hilfe dringend gebraucht hätte und nicht (Entschuldigt, Mama und Papa.) nur verständnisvolles Zuhören.

Besonders als es um die abgelehnte AHB nach der Doppel-HT-OP und anschließenden 6-wöchigen Bestrahlung ging und ich mich völlig fertig gemacht habe.

Am wohlsten habe ich mich immer dort gefühlt, wo nicht bekannt war, dass ich Hirntumoren habe. Das fühlte ich so stark, als ich in der VHS einen Astronomiekurs besuchte. Dort war ich normal.
Und immer bei den Kindern, die keinen Unterschied machen. Das tat mir gut.


Es holt mich so sehr schrecklich ein, dass ich von außen einen Schutzmantel umgehängt bekam – von meinen Eltern.
Es ist für mich so schrecklich, dass ich nach jahrelangen Zweifeln an der Richtigkeit oder Angemessenheit meines Umgangs mit den Kindern endlich irgendwann – von einer Leipziger Freundin – gesagt bekam, wie stolz ich darauf sein kann, die drei Kinder allein so gut erzogen zu haben – und nun soll sich das alles, wofür ich gearbeitet, gekämpft, auch gelitten habe, in Angst und Panik der Kinder umwandeln, die ihre arme kranke Mutter schonen wollten? Die Angst davor hatten, ihre Mutter zu verletzen oder dass sie sich etwas antut?

Aber sind doch alle einen wirklich guten Weg ins Leben gegangen. Sie haben doch nicht ihre Partner gesucht und ihre Kinder bekommen, um mir zu gefallen!

Und dann noch. Als meine psychischen Probleme begannen zu derartigen Ausrastern zu werden, waren meine Kinder 15, 17 und 19 Jahre alt. Da waren sie doch im engeren Sinn keine Kinder mehr.
Ich war nicht andauernd so, aber ich weiß, wie leicht ich aggressiv wurde. Ich habe es auch nicht lange zugelassen, ich war doch auf mich selbst wütend und wusste, dass ich Hilfe brauchte. Bloß, die verschiedenen Medis des ersten Neurologen-Psychotherapeuten-Psychiaters wirkten nicht gut und eine richtige Psychotherapie konnte ich erst beginnen, als die Jungs schon die Schule beendet und beim Studium waren. Da war ich mit meiner „Kleinen“ allein zu Hause und ich habe diese Zeit als eine besonders schöne in Erinnerung. Hatte ich da noch diese Ausraster? Oder erst – das weiß ich – als sie bereits seit wenigen Jahren in München war, aber durch ihr Verhalten ausgelöst. 


Ich habe meine Tochter, als sie von dieser Angst sprach, die ihre Kindheit prägte, gefragt, warum sie nicht zu einem Psychotherapeuten gegangen sei. Doch, das wäre sie, zweimal hätte sie 25 Termine wahrgenommen. Sie sprach jedoch nicht gut von dem Therapeuten.


Irgendwie begann mir erst nach dieser Offenlegung, ein wenig davon klar zu werden, wieso sie meint, ihre gesamte Kindheit sei von meinen Ausrastern geprägt gewesen. Und auch, wieso sie meint, ich hätte Telefongespräche abgebrochen, weil ich keine Lust zum Zuhören gehabt hätte. Erst da erinnerte ich mich wieder, dass ich das in den Situationen gesagt habe, als sie am Telefon von „meinen Problemen in der Kindheit“ und „jeder hat Leichen im Keller“ und ich solle sie suchen und so ... gesprochen hatte und ich es tatsächlich nicht hören wollte. Da war ich längst bei meinem Psychotherapeuten, den ich als sehr gut empfinde, zu dem ich Vertrauen habe. Er geht davon aus, dass es in den meisten Fällen nichts bringt, Probleme aus der Kindheit auszugraben. Das ist vorbei und es geht darum, mit dem jetzigen Leben klarzukommen, das womöglich durch Erlebnisse in der Kindheit geändert wurde. Aber man kann das Leben nicht zurück ändern, sondern man muss es annehmen und es leben.

Meine Tochter scheint an jemanden geraten zu sein, der es richtig fand, ihre in ihrer (eigentlich nicht mehr) Kindheit entstandenen Ängste auszugraben, um ihr die Ursache für ihre Ängste zu verdeutlichen. Sicher, dass sie diese Ängste hat, das glaube ich. Aber wenn sie den für sie schweren Weg zum Psychotherapeuten gegangen ist, so hat er ihr jedenfalls nicht geholfen, mit diesen Ängsten auch klarzukommen. Man kann doch seine Patientin nicht mit ausgegrabenen Angstursachen nach Hause schicken. Nun ist ihre Erinnerung an ihre Kindheit, die eine sehr schöne war, völlig überschattet von den relativ wenigen schlimmen Erlebnissen durch mich. Die ich aber hundertfach gut gemacht habe.

Ich muss ihr ihre Erinnerung an ihre Kindheit wiedergeben, an die vielen schönen Dinge, Erlebnisse.

Oder muss ich es nicht?

Vielleicht ist gerade die Geburt ihres kleinen Söhnchens der geeignete Ausgangspunkt, im Zusammenhang mit seiner Entwicklung auch ihre Kindheit wieder in ein gutes und schönes Licht zu rücken.
Immer mal wieder.
Sie ist nach dreieinhalb Tagen schon eine richtig gute Mami. Faszinierend!



Und doch bleibt für mich:  Was macht diese Krankheit aus uns und mit uns und durch andere?!

KaSy 
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Offline TinaF

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #237 am: 30. Juni 2014, 08:14:10 »
Die Zweifel einer Mutter...

Hallo KaSy,

ich kann die Kindheit und Jugend Deiner Kinder nicht beurteilen, ich kann Dich als Mutter nicht beurteilen, ich weiß nicht, ob man eine gute Mutter war, bloß weil die Kinder gute Berufe gelernt, Partner gefunden und selbst Kinder bekommen haben. Und ich weiß nicht, ob es an einem Psychotherapeuten liegt, dass Deine Tochter ihre ganze Kindheit als von Deinen Ausrastern geprägt empfindet. Oder ob das ihr ganz eigenes Empfinden ist, das nicht von Außenstehenden beeinflusst wurde.

Meine Kindheit war geprägt von Gewalt und Lieblosigkeit, das Verhältnis zu meinen Eltern ist mehr als gestört. Meine Kindheit hat mich geprägt und tut es immer noch und ich bin heute Mitte 40. Trotzdem habe ich einen guten Beruf gelernt (auch wenn meine Eltern dafür gesorgt haben, dass ich meinen Traumberuf nicht lernen konnte), ich habe einen tollen Mann geheiratet und meinen Sohn bekommen. Das lag aber garantiert nicht an meinen Eltern!

Als meine Kopfschmerzen begannen und immer unerträglicher wurden, war mein Sohn drei Jahre alt. Als der Tumor entdeckt und ich operiert wurde, war er vier Jahre alt. Jetzt ist er fast neun und ich weiß, dass ich ihm nicht die Mutter bin, die ich ihm gern sein würde. Das liegt an meiner kaum noch vorhandenen Belastbarkeit. Natürlich versuche ich, dass er so normal wie möglich aufwachsen kann, aber seine Kindheit verläuft anders, als wenn ich gesund wäre. Und manchmal, wenn ich kaum noch kann, dann reagiere ich viel gereizter und ungeduldiger und genervter als ich es sonst mache. Und manchmal weine ich dann auch, selten, aber es kommt vor. Und ich weiß, wie unglaublich schrecklich es für meinen Sohn ist, mich weinen zu sehen.

Habe ich wegen all dem ein schlechtes Gewissen? Ja, das habe ich. Und ich versuche täglich, an mir zu arbeiten. Und ich erkläre es meinem Sohn auch, rede mit ihm darüber. Und ich glaube, dass das für ihn sehr wichtig ist. In einer perfekten Welt hätte mein Sohn zwei gesunde Elternteile. In einer perfekten Welt, würden weder Kinder noch Eltern krank werden. Aber wir wissen alle, die Welt ist nicht perfekt.

Kinder sind unglaublich sensibel, Kinder haben die feinsten Antennen. Und mit 15 Jahren steckte Deine Tochter mitten in der Pupertät und eigentlich hätte sie die "Ausraster" haben müssen. Vielleicht hatte sie die ja auch, wie gesagt, das kann ich nicht beurteilen.

Die Mutter einer früheren Freundin hatte ein Herzmuskelentzündung, an der sie fast gestoben wäre, da waren ihre Töchter so um die zehn Jahre alt. Meine Freundin hat mir oft erzählt, dass sie und ihre Schwester fortan mit dem Satz: "Schont Eure Mutter, denkt an ihr Herz!" leben mussten und wie sehr sie das belastet hat.

Ich bin mir sicher, KaSy, dass Du Dein Bestes gegeben und trotz Deiner Erkrankungen immer versucht hast, Deinen Kindern eine gute Mutter zu sein. Es ist normal, dass Deine Kinder Eure Situation anders beurteilen als Du. Hier geht es nicht um Schuldzuweisungen. Und natürlich kann man rückwirkend z.B. die Kindheit nicht mehr ändern. Trotzdem finde ich es wichtig, dass sie aufgearbeitet wird. Keine Ahnung, ob Deine Tochter das mit ihrem Psychotherapeuten gemacht hat, ich kann mir aber vorstellen, dass es Deiner Tochter sehr wichtig war, darüber zu sprechen.

Niemand hat Schuld. Es ist schlimm, was Dir alles passiert ist, es ist schlimm, dass es sich auf Deine Kinder ausgewirkt hat. Aber Du hast daran keine Schuld. Ich habe Dir einfach meine Gedanken und Überlegungen dazu geschrieben. Es ist ein Thema, das mich als Mutter oft beschäftigt. Ich hoffe, Du verstehst, was ich zum Ausdruck bringen wollte.

LG TinaF
« Letzte Änderung: 30. Juni 2014, 08:21:22 von TinaF »
Es passiert nichts umsonst, es hat alles seinen Sinn!

Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #238 am: 30. Juni 2014, 08:54:09 »
Liebe Tina, vielen Dank!
Ich weiß, was Du zum Ausdruck bringen willst.
Das Leben ist wohl so.
Und manchmal darf man es hassen, weil man nicht nur selbst betroffen ist.
Ich wollte immer meine Umgebung davor schützen, und sie wollten mich schützen. Das Reden und Fragen fehlte von beiden Seiten. Man kann es nicht rückgängig machen. Man muss es leben. Jeder von uns.
Und es geht immer weiter, denn eigentlich ist das Leben doch sehr schön, immer wieder.

Ich durfte den kleinen "Buben" schon bald nach seiner Geburt sehen, streicheln, beim Stillen helfen, hochheben fürs Bäuerchen und zum Beruhigen, ich durfte den Griff zeigen, wie man ihn auf dem Bauch hält und ihn wickeln. Gestern durfte der Kleine wie ein Prinz in der (UV-)Sonne liegen - herrlicher Anblick, vor allem, weil er nur die Stoff-"Sonnenbrille" und das Windelhöschen anhatte und wir ihn ausführlich betrachten konnten. Heute gehts nach Hause und ich kaufe vorher den DM leer, bis die Gutscheine alle sind.

Danke und ich denke, wir werden das schon hinbekommen.
KaSy
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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #239 am: 30. Juni 2014, 10:04:49 »
Liebe KaSy,

wir als Mutter oder Eltern sind bemüht das Richtige für unsere Kinder zu tun und gehen davon aus, dass es auch so ist. Aber oft zeigen nachträgliche Reaktionen unserer Kinder, dass es nicht so war.

Ich kann die Panik, das Gefühl von Hilflosigkeit deiner Tochter verstehen. Deine Söhne sind scheinbar von Anfang an anders mit deiner Krankheit und allen Begleiterscheinungen umgegangen. (Mein Sohn geht bei mir damit auch anders um als meine Tochter.)

Dieses Gefühl von Hilflosigkeit habe ich an mir selbst erfahren, als meine Tochter psychisch erkrankte. Als ich nach den unbemerkten Anfängen der Krankheit ihr helfen wollte, sie Hilfe aber nicht akzeptieren wollte. Sodass ich auch weinte, laut wurde oder weglief. Das Zeichen von Überforderung, ob wohl erwachsen und Mutter, bei mir bemerkte und verzweifelte. Einige Jahre hat es gebraucht bis wir es hinbekommen haben.

In der Zwischenzeit bin ich selbst erkrankt. Die psychische Erkrankung meiner Tochter und meine körperlichen Erkrankungen laufen seit 4 Jahren parallel, mit schlimmen Episoden ihrer- und meinerseits.

„… Hätten sie fragen sollen, warum ich so bin? …“, schreibst du. – Sie fragen nicht. Sie sind erschrocken die Mutter so zu sehen. Dann erhalten sie etwas Aufklärung durch die Großeltern und den Hinweis Mama zu schonen. Überforderung pur für Kinder in der Pubertät, auch wenn sie in diesem Alter meinen alles Wissen der Welt zu haben. Sie haben Angst.

Meine Tochter hat heute Angst wegen mir und spricht darüber zum Glück mit ihrem Partner. Und spricht mit mir darüber. Auch sie sagt heute noch manchmal, dass ihr mein ausrasten damals Angst gemacht hat. Nach dem Ausbruch meiner Krankheiten und der Angst die sie nun auf einmal spürten, begannen sie jetzt Fragen zu stellen.

Und die Angst damals bei deiner Tochter überschattet die Dinge die schön waren und gut gelaufen sind.

Deine Tochter ist nun selbst Mama. Und mit aller Euphorie es perfekt machen zu wollen, wird sie erleben, dass das nicht geht. Sie wird mit der Zeit dann endlich verstehen lernen, dass Mütter an Grenzen stoßen die sie selbst nicht aufgebaut haben und es auch nicht immer gelingt diese Grenzen zu überwinden.

Du hast Recht, wir können die Vergangenheit nicht rückwärts bewältigen. Du schreibst: „Ich muss ihr ihre Erinnerung an ihre Kindheit wiedergeben, an die vielen schönen Dinge, Erlebnisse.

Oder muss ich es nicht?

Vielleicht ist gerade die Geburt ihres kleinen Söhnchens der geeignete Ausgangspunkt, im Zusammenhang mit seiner Entwicklung auch ihre Kindheit wieder in ein gutes und schönes Licht zu rücken.
Immer mal wieder.“

Ich denke, du musst mit ihr nicht Vergleiche zu ihrer Kindheit ziehen. Das wird sie von ganz allein machen. Während sie ihr Kindchen genießt und aufwachsen sieht, werden ihr Erlebnisse, Erinnerungen ihrer Kindheit  in den Sinn kommen und sie wird selbst entsprechende Vergleiche ziehen oder Ähnlichkeiten entdecken.
Und du wirst bei Besuchen Ähnlichkeiten zwischen deiner Tochter und ihrem Kind feststellen, so wie du bereits Ähnlichkeiten zwischen dir und deiner Tochter festgestellt hast.
Und vielleicht wird sie in der Zukunft die Fragen stellen, die sie damals nicht stellen konnte.

Deine Frage „Und doch bleibt für mich:  Was macht diese Krankheit aus uns und mit uns und durch andere?!“ möchte ich ergänzen „Was macht die Krankheit … und mit unserer Familie?“

Vielen Dank für deinen ehrlichen Bericht, der vielen hier helfen kann.
Außerdem hat mir dein Bericht eine Frage beantwortet, die ich dir vor Monaten einmal gestellt hatte.

Ich wünsche dir alles Gute und schicke dir eine liebe Umarmung.
krimi


« Letzte Änderung: 30. Juni 2014, 10:40:02 von krimi »
Wer einen Platz im Herzen eines Menschen hat, ist nie allein.
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