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Autor Thema: Therapie der Defizite nach der Hirn-Operation  (Gelesen 24182 mal)

sewo

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Therapie der Defizite nach der Hirn-Operation
« am: 27. Dezember 2010, 17:42:43 »
Hallo, liebe Leute

Auch ich werde mich mal kurz "vorstellen", bzw. über mich erzählen - es ist mein erstes Mal in diesem Forum! :-)

Ich bin 26 Jahre alt und habe (laut Ärzten) vermutlich schon seid Kindheit oder Jugend einen gutartigen und seltenen Hirntumor "DNT" gehabt - wer ihn nicht kennt: "Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor" (http://de.wikipedia.org/wiki/Dysembryoplastischer_neuroepithelialer_Tumor)). So eine Diagnose ist natürlich erstmal ein ziemlicher Schock, aber alles in Allem habe ich natürlich im Detail extrem Glück gehabt - die Geschichte ist für einen Tumor ziemlich gutartig und durch die sehr langsame Entwicklung geht das Hirn dem Ding wohl auch von Natur aus "etwas aus dem Weg".

Ich habe vor gut einem Monat eine Hirn-OP gehabt, wo die Sache entfernt wurde (linke Schläfenseite). Derzeit bin ich noch in der Reha, aber es geht mir wirklich verhältnismässig wieder recht gut (natürlich schon noch gut entfernt vom "fit sein" - aber die Ärzte sind auf jedenfall der Meinung, es wäre sehr gut bei mir gelaufen). Ich habe dort einige Tests in Bezug auf Defizite des Hirns durch die OP gemacht, die grösstenteils auch eigentlich gut gelaufen sind.

In dem Zusammenhang: Logik funktioniert bei mir ohne Probleme, Körperlich ist nichts eingeschränkt und psychisch fühle ich mich auch nicht mehr so belastet, wie vorher (Beruf, etc. sind für mich in den letzten zwei Jahren extrem anstrengend geworden). Fachlich funktioniert alles eigentlich recht gut - z.B. Programmierung (bin Informatiker), etc. behersche ich eigentlich noch wie vorher.

Meine momentanen Defizite beschränken sich auf das "Merken", was für mich momentan sozusagen noch nicht so gut läuft, wie vorher (die Erinnerung von Gesprächen, etc. kommt mir oft etwas "dunkel" vor). Dazu ist die Konzentration, insb. wenn ich versuche, Bücher zu lesen oder Filme zu schauen auch leider nicht wirklich gut und oft auch die Erinnerung an Begriffe/Namen (die Begriffe selbst kenne ich eigentlich noch gut, komme aber oft nicht auf den Titel - muss ihn dann nachschlagen/nachfragen o.ä. - danach ist er auch wieder OK. Verben und Adjektive sind komischerweise alle ohne Probleme).

Meine Frage an die, die Erfahrungen mit solchen Operationen und entsprechenden, anschliessenden Defiziten haben, wäre natürlich, wie man am besten für die Hirnregeneration trainiert - vielleicht wisst Ihr, wie man am besten wieder in einen anständigen Zustand kommt. :-) Würde mich freuen, von Euch etwas zu lesen!

In diesem Sinne: Viele Grüsse!

Offline Löwenzahn

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Re:Therapie der Defizite nach der Hirn-Operation
« Antwort #1 am: 27. Dezember 2010, 18:27:48 »
Hallo sewo,
habe gerade deinen Beitrag gelesen, herzlich willkommen.
Deine OP liegt wirklich noch nicht lange zurück und du darfst meiner Ansicht nach wirklich stolz auf dich sein, was schon alles so geht.
Ich bin jetzt ca 1,5 Jahre nach meiner OP fast wieder auf "normaler Leistung", wenn man davon absieht, dass ich doch etwas langsamer und mit mehr Päuschen arbeiten muss.
Mit der Konzentration und Merkfähigkeit muss man sich nach meine Erfahrungen einfach Zeit lassen, auch wenn es schwer fällt. Bei mir merkte ich die Fortschritte nicht von Woche zu Woche, sondern von Monat zu Monat und nach ca 1 Jahr war ich dann recht zurfrieden mit mir.
Allerdings muss man etwas dafür tun. Ich war ca 4 Monate 1 mal wöchentlich im Hirnleistungstraining für die Konzentration, die Ausdauer, die Merkfähigkeit und vor allem das Rechnen.
Das Hirnleistungstraining bekam ich über Ergotherapie rezeptiert. Ideal wäre auch, laut meiner Reha, neuropsychologisches Hirnleistungstraining, aber das war meiner Krankenkasse zu teuer.
Im Training bekommt man von dem Therapeuten auch viele wertvolle Tips für den Alltag zum selbst trainieren, wie z. B. Computerspiele, unterwegs sein in riesigen Einkaufcentern mit Aufgaben usw. und dann heißt es wirklich Geduld, Geduld und nochmal Geduld mit sich selbst.
Ich möchte dir Mut machen dies anzugehen und an dich selbst zu glauben. Wenn ich meinen Therapeuten in der Reha geglaubt hätte, wäre ich nicht mehr in meinen Beruf als Erzieherin zurückgekommen. Aber man schafft mehr wie man denkt, wenn man an sich glaubt. Dann kann man auch seine eigenen Grenzen finden. Aber überfordere dich nicht. gehe es langsam an.
Ich wünsche dir viel Kraft und Energie und Entspannungsmomente.
Löwenzahn

Offline KaSy

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Re:Therapie der Defizite nach der Hirn-Operation
« Antwort #2 am: 27. Dezember 2010, 21:26:16 »
Guten Tag, sewo,
es scheint nicht von der Art des Hirntumors abzuhängen, dass man solche Probleme nach der OP hat wie Du sie beschreibst.
Nach meinen OP hatte/ habe ich auch damit zu tun.
Allerdings wurde mir kein Hirnleistungstraining verordnet.

Ich habe mir im Alltag und im Beruf (Lehrerin) mit Merkzetteln für alle Gelegenheiten geholfen, von denen ich mich nach und nach löste, indem ich versuchte, ohne sie auszukommen.

Termine schreibe ich zu Hause auf zwei verschiedene Kalender - durch das zweimalige Notieren habe ich eine größere Chance, sie mir zu merken und muss meist nicht mehr auf diese Kalender schauen.

Die Konzentrationsprobleme habe ich auch.
- Gesprächsinhalte, die mir wichtig sind, notiere ich, um sie nicht zu vergessen.
- Beim Lesen lese ich oft die gleiche Seite noch einmal oder nochmal ... und entscheide evtl., ob das wichtig ist, was ich gerade erfassen möchte.
- Ich muss auch beim Abschreiben von Zahlen mitunter zweimal hinschauen, dann gelingt es aber problemlos.
- Das Lesen von Büchern ersetze ich, wenn  ich Zeit und Kraft habe, manchmal durch Hörbücher, wo man sich die gleichen Stellen auch wiederholt vorlesen lassen kann. Im Alltag gelingt mir das aber kaum, da ich dabei "gern" einschlafe.

Meine normalen Tätigkeiten belasten mich also auch mehr als zuvor, was sich durch rascheres Ermüden bzw. psychische unerwünschte Reaktionen bemerkbar macht. Ich versuche zu lernen, da richtig zu reagieren, z.B. rechtzeitig Pausen einzulegen, mich in gewissen Situationen zurückzuhalten, ... Hierfür nutze ich allerdings seit einigen Jahren eine Psychotherapie.

- Sport ist für eine höhere physische und auch psychische Belastbarkeit auf jeden Fall gut. Man sollte sich eine Sportart auswählen, die einem Spaß macht, damit man sich dazu nicht zwingen muss. Da hast Du in der Reha aber bestimmt eine reiche Auswahl erfahren dürfen.

- Was mich mehr und mehr stört, ist das Verwechseln von Buchstaben beim Tippen oder auch beim normalen Schreiben. Da hilft nur, nochmal konzentriert zu lesen.

- Ich komme auch mitunter nicht auf die passenden Begriffe zu den Dingen, die ich meine, oder sage etwas anderes als ich will. Ich denke, dass ich es bemerke, aber wie oft ich es nicht bemerke, weiß ich nicht. Das ist ein wenig blöd. Das Lösen von Rätseln verschiedener Arten, wo man sich u.a. im Wortfinden, aber auch in der Logik oder Strategie übt, kann dagegen hilfreich sein. Das tue ich fast täglich, dann genügen dafür kurze Zeiten.


Zum Zeitraum muss ich allerdings sagen, dass ich nach einem halben Jahr erst wieder in meinen Beruf einsteigen durfte und die Beeinträchtigungen insgesamt etwa ein Jahr lang hatte, bevor ich im Nachhinein sagen konnte, dass ich mich wieder fühlte wie vorher. (Das war zumindest nach meinen ersten beiden OP so.) Ich hatte wie Du keine sonstigen Ausfälle vor oder durch die OP.
Also geh es langsam an! Du hast noch jede Menge Zeit in Deinem Leben, Dir alles wieder zuzumuten. Die Belastungen in der Reha scheinen groß zu sein, der Alltag mit Beruf ist mit größeren, bzw. anderen Belastungen verbunden. 

Ich wünsche Dir, dass Du Dein Leben und Deinen Beruf wieder mit aller Kraft und Freude ausüben kannst, aber lass Dir dafür bitte etwas Zeit!
KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

 



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