Liebe sabeth,
es ist gut, dass Du in diesem Forum Deine Fragen so offen und konkret stellst.
Ich selbst hatte vor einer Hirntumoroperation im Frontalbereich die größte Ängste (noch vor der Angst zu sterben) davor, dass sich meine Persönlichkeit verändern würde und ich das nicht merke.
Genau das ist Deinem Mann jetzt passiert!
Nach einer anderen HT-OP hatte ich tatsächlich mit psychischen Belastungen derart zu tun, dass sie sich sowohl auf meine Familie als auch auf meine berufliche Tätigkeit (mit Kindern) auswirkte - mir war das schmerzhaft bewusst. Ich rastete aus und weinte dann schrecklich, weil ich ausgerechnet den Liebsten in der Familie und unter den Kollegen wehgetan hatte. Passierte es bei den Kindern, habe ich mich krankschreiben lassen. Ich wusste, dass ich etwas tun muss und fand nach einer gewissen Zeit der medikamentösen Therapie einen Psychotherapeuten. Mit diesem habe ich mittlerweile über Jahre gemeinsam gearbeitet, um geeignete Strategien in solchen Fällen zu finden .... und anzuwenden. Letzteres ist nicht einfach, da man erst mal bemerken muss, dass es einem anders, "schlecht" geht und dann muss man sich auch noch daran erinnern, dass es überhaupt Strategien gibt und welche nun passt. Ein wichtiger Zwischenschritt war das Aufschreiben eines (von uns so genannten) Werkzeugkastens mit Möglichkeiten der Reaktion, den ich lange auch in der Tasche hatte. Später habe ich mir eine Notfallkarte erstellt, die mich daran erinnern soll, dass ich für den Notfall auch ein Medikament habe. (Selbst das fällt einem in solchen Situationen nicht ein.)
Das kann auf Deinen Mann im Laufe der Zeit zukommen. Er steckt bereits in der ersten Phase fest.
Und hier musst Du ins Spiel kommen!
Du schreibst, dass Dein Mann körperlich keine gravierenden Probleme hat - das ist gut.
Aber die psychischen Veränderungen belasten die ganze Familie, auch das Umfeld. Du musst im Interesse Deiner Kinder und auch Eurer Freunde unbedingt handeln! Jeder Mensch versteht, wenn er jemanden nach einer solchen OP im Rollstuhl sitzen sieht. Aber es ist für die anderen ungleich schwerer, psychische Veränderungen in der Art, wie Du sie beschrieben hast, zu respektieren und zu tolerieren. Mit "gefühlsblind" meinst Du wahrscheinlich ein unbedachtes und dadurch mitunter auch ungerecht verletzendes Verhalten. Erklär so was mal Kindern! Die müssen aber mit ihm umgehen und sind ihm in diesen Situationen "ausgeliefert". Da kann es rasch zu heftigen Auseinandersetzungen kommen. Freunde würden sich sagen, zu dem geh ich nicht mehr hin, wenn er auf meine Hilfe derart reagiert. Auf dem Land ist das besonders schwer, da dort jeder jeden kennt, das kann aber auch zum Vorteil Deines Mannes genutzt werden.
Ich würde an Deiner Stelle zunächst den kürzesten Weg gehen. Das kann sofort der Hausarzt sein, der Dich und /oder ihn betreut. Das können aber auch Eltern, Freunde, Kollegen sein, die ihn bisher gut kannten und von denen er sich etwas sagen lässt. Schildere dieser Person seine und Deine Lage. Ein Außenstehender bewirkt vielleicht mehr! Nutze auch Deinen Hausarzt! Es geht auch um Dich! Sollten die Kinder von einem anderen Arzt betreut werden, ist auch dieser Arzt sowie evtl. ein vertrauter Lehrer ein möglicher Ansprechpartner. Die Lehrer werden rasch bemerken, dass die Kinder anders sind. Sprich mit ihnen, warum es so ist und frage, ob sie Hilfe-Ideen haben. Und sei es eine verlängerte Betreuung der Kinder außerhalb oder bei deren Freunden.
Ich nehme an, dass Deinem Mann zunächst mit Medikamenten geholfen werden könnte. Er würde dann vielleicht erkennen, dass er anders geworden war. Nach und nach müsstet Ihr - je nach Entwicklung - eine Psychotherapie anstreben. Das muss er aber wollen. Du kannst auch indirekt einen gewissen Druck auf ihn ausüben, indem Du sagst, dass ihr gemeinsam dorthin geht. Auch den Kindern könnte es gut tun, kinderpsychologisch betreut zu werden.
Für Dich ist gerade diese Aufgabe sehr sehr schwer! (Es kommt durchaus nicht selten vor, dass sich Frauen in einer solchen anstrengenden Situation von ihren Männern trennen, insbesondere im Interesse der Kinder. Und das musst Du unbedingt abwenden!)
Ich wünsche Dir sehr viel Kraft auf Eurem Weg, für Deinen Mann, für Deine Kinder, für Dich!
Liebe Grüße
KaSy
(s.a. in psychologische Betreuung "Aus dem Tief kommen" von mir)