Junior Mitglied
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Liebe Leute,
gestern war also wieder der große Tag.
Um 05:00 Uhr morgens saß ich mit meinem Mann
im Auto Richtung Heidelberg zwecks MRT-Kontolle und
Therapiemöglichkeiten. Um 10 Uhr parkten wir vor der Uniklinik
Keine 15 Minuten später lag ich in der Röhre und dachte zufrieden:
"Super, das flutscht ja wir am Schnürchen hier!"(wie Ihr wisst, hasse ich ja Warten wie die Pest )
Kurz darauf saß ich in der neuroonkologischen Abteilung, in der mich
eine kleine Oberärztin mittleren Alters empfing.
"Joa, die sieht kompetent aus", dachte ich und wir folgten ihr ins kleine Sprechzimmer.
Ärztin: "Frau M., ich habe mich in Ihre Sache hineingelesen und mein Kollege berichtete mir, dass Sie sich für eine Therapie mit Temodal entschieden haben."
Ich: "Richtig!"
Mein Mann: "Hat sich der Tumor denn verändert?"
Ärztin (klickt ihren Rechner an): "Das kann ich noch nicht sagen. Der Befund ist noch nicht im System. Kann aber jeden Moment kommen. Sie nehmen jetzt Keppra ein, stimmt das?"
Ich: "Ja, das stimmt."
Ärztin: "Aber in einer sehr geringen Dosis?!"
Ich: "Ja, dreimal täglich 250mg. Ich habe seit der ersten Erhöhung von 250 auf 500mg am Abend ganz extreme Geräusche im Kopf gehabt. Wenn ich drei Mal am Tag 250 mg nehme, geht das besser."
Ärztin: "Sowas habe ich noch nie gehört. Wir sollten die Dosis erhöhen."
Gatte und ich schauen uns vertändnislos an.
Ich: "Aber mit einer hohen Dosis klappert es in meinem Kopf."
Ärztin (zweifelnder Blick): "Beschreiben Sie das mal genauer!"
Ich: "Es ist, als hätte ich einen alten Diaprojektor im Gehirn, der die Dias alle paar Sekunden wechselt."
Arztin (latent genervt): "Also, das höre ich zum ersten Mal. Das liegt höchstens an der niedrigen Dosis. Außerdem müssen wir hier mal zu Potte kommen. Können Sie mit den Geräuschen leben oder nicht?"
Ich (leicht verwirrt): "Ja, mit drei Mal am Tag 250mg komme ich klar."
Ärztin: "Dann lassen wir die Dosis erstmal so."
Ich (immer kleiner werdend in meinem Sitz): "Gut!"
Ärztin: "Kommen wir nun zur Chemotherapie. Temodal ist in der Regel gut vertäglich. Sie nehmen das Medikament ein Jahr lang ein. Ich erstelle Ihnen eine Zyklus-Plan an dem Sie sich genau halten. Ein Mal wöchentlich brauchen wir ihr Blutbild. Das muss uns Ihr Hausarzt faxen. Und das muss laufen. Die Rezepte schicken wir Ihnen zu und alle drei Monate kontollieren wir."
Gatte: "Kann meine Frau denn dann sofort mit der Chemo anfangen?"
Ärztin (nun sichtlich gereizt): "Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, wie das läuft. Wir nehmen jetzt nochmal Blut ab, und messen die Körperoberfläche. Anhand dieser Werte bestimmen wir die Dosis. Sie werden dann gleich aufgerufen."
Mein Mann und ich nehmen im Wartebereich Platz. Ich fühle mich elend und will nur noch nach Hause.
Ich (skeptisch): "Du, ich glaub, ich find die doof."
Gatte: "Ich auch. Hat die keine Lust, oder was?"
Ich: "Frustrierend ist das! Ich fühl mich, als sei ich ein Hypochonder, der sich Geräusche im Kopf zusammenfantasiert."
Gatte: "Egal, Püpp. Wir ziehen das jetzt hier durch. Wichtig ist, dass Du therapiert wirst."
Ich (seufzend): "Ja!"
Eine Schwester kommt, nimmt mir Blut ab, stellt mich auf die Waage und misst meine Größe.
Kurze Zeit später bittet uns dieses empathielose Wesen erneut in ihr Sprechzimmer.
Ärztin: "So, ich habe Ihnen jetzt einen Zyklusplan erstellt. Sie beginnen Dienstag mit der ersten Einnahme. Eine Stunde vorher nehmen Sie MCP-Tropfen gegen die Übelkeit. Dann nehmen Sie das Medikament und frühstücken frühestens eineinhalb Stunden später."
Ich: "Gut. Was soll ich tun, wenn ich mich kurz nach Einnahme übergebe?"
Ärztin: "Sie übergeben sich nicht!"
"Ah ja, das ist ja gut zu wissen, dass dieser weibliche Oberfeldwebel sogar schon meinem Magen sagt, wie er sich zu benehmen hat!", denke ich mittlerweile stinksauer.
Gatte (freundlich): "Sind die MRT-Bilder denn jetzt im Ihrem System?"
Ärztin (stöhnend): "Also, wissen Sie, ich habe Ihnen das doch eben schon erklärt. Sie sollten schon etwas Geduld mitbringen. Außerdem ist es jetzt völlig egal, ob der Tumor schon einen Millimeter gewachsen gewachsen ist, oder nicht."
Gatte (superfreundlich): "Es sollte gar nicht so ungeduldig klingen, wie Sie es jetzt vielleicht empfunden haben. Es war lediglich eine Frage."
Die Ärztin nickt nur und schaut nochmal in ihren Rechner: "Der Befund ist noch nicht da. Das kann auch noch dauern, aber wenn es unbedingt sein muss, rufe ich Sie heute Nachmittag auch noch an."
Ich (mittlerweile völlig erschöpft): "Nein, es reicht auch, wenn wir den Bericht schriftlich erhalten. Allerdings habe ich noch eine Frage zu den Rezepten. Melde ich mich, wenn ich ein neues brauche?"
Die Ärztin schaut mich an, als habe sie an einer geistigen Behinderung meinerseits keinen Zweifel mehr: "Haaach, ich habe Ihnen doch eben erklärt, wie das läuft. Sie bekommen von mir jetzt ein Rezept für den ersten Monat. Ihr Arzt faxt uns die Blutwerte. Wenn alles gut ist, schicke ich Ihnen ein weiteres Rezept für 2 Monate. Danach erhalten Sie pro Quartal ein Rezept. Dreimonatige MRT-Kontollen bleiben!"
Ich will nix mehr fragen.
Ich will hier nicht mehr sitzen.
Ich will nur noch hier raus!!!!
Auf der Rückfahrt benutze ich ganz oft das böse "F"-Wort, um mich abzureagieren.
Was ist, wenn ich mit dieser Dame gar nicht klarkommen will? Darf ich innerhalb einer Klinik den Wunsch nach einem Arztwechsel äußern?
Meine ganze Euphorie zum Thema Uniklinik Heidelberg hat diese Emotionsbremse bei mir zu nichte gemacht....
Oder stelle ich mich grad einfach nur dämlich an?
Freue mich wie immer über Eure Antworten.
Liebe Grüße,
Meike