Hallo Busdeblume,
es ist immer eine schöne Nachricht zu hören, dass die Therapie relativ gut ertragen wird. Vor allem dass dein Vater optimistisch bleibt und am Leben fest hält, ist sehr wichtig. Ich möchte dir gerne darüber erzählen, wie ich mit dieser Erkrankung konfrontiert wurde und was wir für einen Weg gegangen sind. Vielleicht nützen dir diese Informationen etwas.
Meine Mutter, 53 Jahre aus Hamburg, ist letzten Monat an den Folgen ihrer Erkrankung verstorben (Glioblastom IV, zusätzlich Hirnabzess). Damit umzugehen ist hart, vorallem da ich es noch immer nicht fassen kann, dass sie weg ist und ich sie nie wieder sehen werde. Sie ist im November 2010 erkrankt und hat fast 15 Monate gekämpft.
Der Tumor war Temporo- Occipital lokalisiert, direkt im Sprachzentrum. Aufgefallen war dies durch Sprachstörungen und starken Kieferschmerzen. Nach der MRT wurde sie sofort in die Asklepios Klinik Heidberg in Hamburg überwiesen, wo der Tumor vier Tage später entfernt wurde, Komplett (Also unvollständig, wie immer bei diesem Tumor).
Ich kann mich an den Tag erinnern, als das histopathologische Ergebnis eintraf. Mir wurde kotzübel als ich die Diagnose las. Ich hoffte die ganze Zeit darauf, dass es nicht ein Glio 4 ist. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, mich gedanklich auf das schlimmste einzustellen, was auch gut war, da es mir die Endphase, also die letzten Wochen ein wenig leichter machte, aber immer noch schmerzhaft.
Dann begannen wir, wie es der Goldstandard vorsieht, mit der Radio-Chemo-Therapie nach dem Stupp- Schema. Meine Mutter hat das alles relativ gut vertragen, ein bisschen Übelkeit morgens und Haarausfall durch die Radiotherapie. Als die Bestrahlung durch war wurde einige Wochen pausiert um danach mit den 6 Zyklen Temodal in höherer Dosis zu beginnen. In der Pausenzeit dann ein Kontroll MRT:
Lokalrezidiv temporo-occipital, kleiner Tumorherd ohne vaskularisierung (Gefäßneubildung)
Ein Schock für meinen Vater und mich, insbesondere für meine Mutter,der wir bislang den Ernst ihrer Erkrankung nicht im detail erklären mochten, aus Angst sie psychisch zu belasten.
Neuer OP Termin wurde besprochen, meine Mutter jedoch lehnte ab, da sie der Meinung war, der Tumor werde nicht mehr wachsen.
Einige Wochen später begann sie mit dem 1. von 6 Zyklen Temodal in hochdosis. Im März, also 4 Wochen nach der letzten Bildgebung, erneut Kontroll-MRT:
Stabel Disease, ein Grund zum Feiern. Meine Mutter gewann dadurch sehr viel an Lebensmut. Ihr Zustand blieb unter Temodal bis Ende Juli stabil, was nicht heisst, dass jeder auf Temodal anspricht (Werde ich später drauf eingehen).
Ende Juli dann erneut Kontroll-MRT während des 5. Zyklus Temodal:
starker Tumorprogress an der bekannten Stelle. OP folgte eine Woche später, erneute komplettresektion des Tumors. Man hatte uns nach der OP zu einem Temodal rechallenge geraten, nach dem "one week on, one week off" Schema. Zusätzlich bat ich den Neurochirurgen den Methylierstatus (Sehr wichtig für die Wirksamkeit des Temodals) am Tumorgewebe in der Patho überprüfen zu lassen. Wochen später kam das Ergebnis:
Hypermtheylierung des MGMT-Promoters, also das Temodal wirkt bei meiner Mutter, wie wir schon durch die 4-5 Monate Stabilisierung gesehen haben. Das MGMT-Gen exprimiert ein DNA-Reparatur Enzym, das eine Krebszelle immer vor dem Zelltod bewahrt. Das dieses Gen bei meiner Mutter methyliert war hieß, das es sozusagen inaktiv war und kein DNA Reparatur Enzym exprimiert werden konnte.
Wie du merkst wird das alles sehr Molekularbiologisch, und das ist das entscheidende an der Sache. Leider werden alle Glio 4 Patienten gleich behandelt, aber es gibt sehr viele Details, die die Prognose verbessern bzw. verschlechtern können. (z.B. IDH-1 mutation, p-53 mutation, der Differenzierungsgrad des Tumor usw., was du zum Teil selber alles aus dem Histopathologischen Gutachten entnehmen kannst).
Ich fand es stumpfsinnig das meine Mutter das Temodal noch höher dosiert bekommen sollte, nur um die primäre Resistenz, die der Tumor entwickelt hat, zu umgehen, onwohl ihr MGMT-Status positiv war. Denn schon vor Monaten musste das Temodal aufgrund einer Knochenmarkdepression niedriger dosiert werden, was vielleicht auch der Auslöser für das Rezidiv war.
Wir entschieden uns gegen das Temodal und wechselten zu einem Arzt, den ich wirklich sehr für seinen Therapieansatz schätz. Ich hatte über eine Studie aus Frankreich gelesen, in der Gliom Patienten mit hochdosiertem Vitamin D3 (Alfacalcidol) behandelt wurden. Eine kleine Studie mit 11 Teilnehmern, aber ein Ergebnis, das mich vom Hocker gehauen hat. Alle Patienten hatten einen starken Tumorprogress nach der Standardbehandlung. Bei 3 von 11 Patienten wirkte das Einsalpha in Form eines kompletten Tumorregresses (4, 5 und 7 Jahre überlenzeit).
Wie gesagt, ich fand diesen Arzt, ein Neurologe aus dem Asklepios St. Georg in Hamburg, und ich nahm Kontakt mit ihm auf. Sofort bekamen wir einen Termin und besprachen alles im Detail. Noch nie hab ich eine Arzt gesehen, der sich fast 90 Minuten für das Gespräch genommen hat. Sofort merkten wir auch, dass er auch die Molekularbiologie des Tumors sehr gut verstand (kann man nicht von allen Onkologen behaupten). Er sagte uns auch, dass meine Mutter, obwohl ein Glio 4 immer katastrophal ist, eine besonders schlechte Prognose hat.
Obwohl ich mich wegen des D- Vitamins an ihn wandte, schlug er uns vorerst eine Therapie mit Avastin und Irinotecan vor, da der Resttumorrand von der OP stark vaskularisiert war. Avastin ist ein Angiogenese bzw Vasculogenesehemmer, der die Gefäßneubildung des Tumors unterbricht. Ich hatte im Vorfeld schon viel über Avastin gelesen. Seine kurze wirksamkeit ist belegt, jedoch nur zu Empfehlen, wenn nichts anderes mehr anschlägt. Sie sollte Avastin aber nicht komplett bekommen, wie es normal gemacht wird, sondern nur 1- 2 Zyklen, um die Vasculogenese des Tumors einzudämmen, da seiner Meinung nach viele Medikamente nicht mehr wirken wenn der Tumor stark vascularisert ist.
Nach nur einem Zyklus hat die MRT gezeigt, dass der Tumorrand stark kleiner wurde. Leider waren die Blutwerte meiner Mutter durch einmal Avastin so im Keller, dass sie sich überhaupt nicht mehr davon erholte. Der Arzt wagte dann den Versuch mit Einsalpha (Vitamin-D).
Nach 4 Wochen Kontroll-MRT (September):
Gute Nachricht: Restumorrand unter einsalpha noch dünner geworden
Schlechte Nachricht: Neuer Tumorherd an anderer Stelle (Sehbahn- Occipital)
Das bedeutet, dass der neue Tumor sich tumorbiologisch vom Ursprünglichen unterschied, wahrscheinlich malignisiert.
Sofort begann der Arzt eine neue Therapie zusätzlich zum Vitamin. Hochdosis Tamoxifen bei hypothyroider Stoffwechsellage nach dem Hercbergs-schema.
In laufe der nächsten Wochen unter der Tamoxifen Therapie, die weitaus mit weniger Nebenwirkungen verbunden war als die Chemo, verschlechterte sich der Zustand meiner Mutter. Ihre rechte Gesischtfeldhälfte fiel komplett aus. Ständig stieß und rempelte sie andere Personen draußen an. Ein schlechtes Zeichen, die MRT im November bestätigte dies:
Großes Rezidiv Occipital- Sehbahn
Der Arzt konnt uns nur noch zur OP raten, da er es zu riskant fand sich darauf auszuruhen, dass das Tamoxifen noch wirken könnte. Vier Wochen seien eigentlich zu kurz um
die Wirkung des Tamoxifens zu beurteilen.
Ich mache es jetzt kurz, da es jetzt nur noch bergab ging:
Im Dezember dann die 4. OP (eine hatte ich vergessen= nach der ersten tumorresektion wurde eine wundrevision aufgrung einer staphylokokken infektion durchgeführt)
Nach der OP kurzeitige Besserung, danach Komatöser Zustand aufgrund einer nachfolgenden OP Komplikation: Hirnabzess
Erneute OP: Eiterkapsel wurde entfernt und ordentlich Antbiose
Es war nun vorbei, sie wurde aufgrund des Abzesses als Austherapiert erklärt, da wegen der Antibiose keine andere Therapie möglich war. Nach der 5. OP ging es meiner Mutter kurzeitig Besser, für einige Tage (Sie war ein Wrack, Lebensqualität gleich null, Sprache nicht zu verstehen).
Paar Tage danach (Januar) komplette rechtseitige Lähmung, MRT ergab:
Erneuter Entzündungsprogress, Eiterkapsel verursacht riesige Raumforderung. Zudem, erneutes Tumorrezidiv ca. Daumengroß.
Meine Mutter verfiel in eine Art Koma, der Tag für Tag schlimmer wurde, sie schlief immer mehr und nahm nichts mehr um sich wahr. Ein schrecklicher Anblick. Sie wurde die letzten Wochen auf die Palliativstation gebracht, dort ist sie dann im Februar, also vor ca. 4 wochen verstorben.
Es gibt auch Schulmedizinische Alternativen Busdeblume, wie du siehst. Wenn du Fragen hast, dann meld dich ruhig, ich helfe gern und ich möchte helfen. Ich wünsche deinem Vater nur das Beste. LG