Hallo zusammen,
ich bin auf diese Webseite im Rahmen meiner Recherche über Hirntumore gestossen. Hier ist unsere Geschichte:
Im Alter von 2 Jahren begann unsere Tochter im Oktober/November 2012, 1-2 mal am Tag das linke Auge zu verdrehen und zu schielen. Wenige Tage später fing dann auch das linke Augenlid an zu hängen, erst leicht und dann innerhalb weniger Tage immer mehr, so dass das Lid bis zur Pupille reichte.
Der Kinderarzt hat uns dann im Dezember zu einer Augenklinik überwiesen. Dort wurden die Augen untersucht und man hat uns ein leichtes Schielen bestätigt, bei leichter Weitsichtigkeit. Wir sollten erstmal ein paar Monate abwarten und schauen, ob sich das mit dem Lid wieder legt. Das Schielen würde man dann mit Pflastern zu kurieren versuchen.
Mitte Januar wollten wir nicht mehr abwarten und so haben wir uns eine Überweisung zur Uniklinik geben lassen. In deren Augenklinik wurden wieder die gleichen Tests gemacht, allerdings wurde diesmal auch festegestellt, das auch der Pupillenreflex des linken Auges etwas langsamer ist. Der Arzt hat uns dann zurück zum Kinderarzt geschickt, dieser sollte dann überlegen, ob weitere Untersuchungen angebracht sind. Unser Einwand, warum nicht die Uniklinik direkt die weitere Untersuchung vornimmt, wurde damit begründet, dass ja der Kinderarzt die gesamte Krankengeschichte kennt.
Unser Kinderarzt hatte aufgrund des Symptoms mit der Pupille den Verdacht auf Myosthenia gravis (schwere Muskelschwäche) und hat uns dann wieder zur Uniklinik geschickt, diesmal zur Neurologie. Dort, es war mittlerweile Ende Januar, wurde dann die Muskelschwäche ausgeschlossen, da hier die Pupille eigentlich nie involviert ist. Meine Tochter wurde dann direkt stationär aufgenommen (mit meiner Frau als Begleitperson) und für den nächsten Tag ein MRT angesetzt. Man sagte uns, dass wir viel Glück haben, weil man sonst nicht so schnell einen MRT-Termin bekommt.
Der nächste Tag brachte dann die Hiobsbotschaft! Tumor am Hirnstamm! Unsere Tochter war sonst immer kerngesund, fröhlich, lachte viel und so wissbegierig, ein echter Sonnenschein. Wir haben immer gesagt, wie hätten das perfekte Kind. Die Nachricht hat uns von einem Moment auf den anderen erschüttert. Wir wußten ja nichts über Hirntumore. Wir dachten immer, das trifft doch sonst nur ältere Menschen. Man kann diese GEfühle nicht beschreiben.
Am nächsten Tag hatten wir dann erstmal einen Termin mit dem Chef- und Oberarzt. Sie sagten uns, das MRT zeigt einen klar abgegrenzten Tumor im Bereich des Hirnstammes (ca. 2,5 cm lang und 1 cm dick). Aufgrund der Struktur vermutete man ein sog. Dermoid/Epidermoid, also gutartig. Hierbei handelt es sich um Hautzellen, die in der Embryonalzeit fälschlicherweise im Kopf zu liegen kamen und dann anfingen zu wachsen. Die Heilungschancen sollen sehr gut sein, allerdings lag unser Tumor leicht gekrümmt vor. Ein Teil drückte also auf den Nerv, der die Augenmuskulator steuert, der andere Teil ging etwas um den Hirnstamm herum. Die Ärzte gingen davon aus, dass man mit einer einzigen OP wohl nicht alles entfernen könnte, da man im Kopf nicht um die Ecke herum arbeiten kann. Wir wurden über alle möglichen Risiken aufgeklärt, auch, dass unsere Tochter schlimmstenfalls die OP nicht überleben wird, wenn etwas schiefgeht. Im besten Fall müßten wir mit einer halbseitigen (eventuell vorübergehenden) Gesichtslähmung rechnen.
Die OP wurde für Anfang Februar geplant, wir hatten also eine Woche Wartezeit in der Klinik. ICh habe mir dann auch sofort Urlaub genommen und meine Frau und ich waren dann auch den ganzen Tag bei unserer Tochter und für die Nacht haben wir uns dann im Begleitbett abgewechselt. Trotz aller Hoffnung haben wir auch immer das Schlimmste einkalkuliert und versucht, unserer Tochter den Klinikaufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Wir haben viel gespielt und geknuddelt, ihre beste Freundin kam nahezu jeden Tag zu Besuch und man hat gemerkt, wie gut ihr das getan hat. Das war das einzigste, was wir beeinflussen konnten. Es waren wirklich schöne Tage, trotz allem. Der Tag der OP war am schlimmsten. Den Morgen über haben wir ausgiebig gekuschelt, ich glaube, auch wenn man es nicht wahrhaben wollte, so hat man sich doch ein wenig verabschiedet. Wir wußten ja nicht, was kommen wird.
Glücklicherweise verlief die OP ohne Komplikationen. Alles verlief wie besprochen. Der Tumor konnte zu 80% entfernt werden, der Teil am Hirnstamm war aber nicht zugänglich von der gewählten Ausgangsposition hinter dem linken Ohr. Die Operateure waren auch sehr optimistisch. Unsere Tochter lag einen Tag auf der Intensivstation, hatte auch Schmerzen und wurde auch nachts mehrmals wach. Sie bekam dann immer Schmerzmittel und 10 Minuten später wurde sie auch wieder ruhig und schlief weiter. Tags darauf besserte sich der Zustand dann immer mehr. Sie konnte schon lächeln, wollte einen Keks essen und auch schon Trinken mit Strohhalm. Wir konnten dann auch sehen, dass sie wie vor der OP war. Keine Gesichtslähmung, keinerlei Nebenwirkungen. Drei Tage später rannte sie schon durch das Krankenhaus und konnte kaum gebremst werden. Wir waren sehr erleichtert und dankbar. Die Neurochirurgen haben tolle Arbeit geleistet.
Die Ärzte wollten sich aber nicht weiter äußern und sagten, sie wollten jetzt erstmal die Analyse der Gewebeproben abwarten und dann die Nachbehandlung planen. Wir mußten ja sowieso noch im Krankenhaus bleiben, die OP war erst ein paar Tage her. Nach dem Wochenende dann der nächste Termin beim Chefarzt und Zeit für die nächste Horrormeldung. Man hat sich bzgl. Dermoid wohl geirrt, es sei doch ein schnell wachsender, bösartiger Tumor, vermutlich Glioblastom, der auch schon in den betroffenen Augennerv hineingewachsen sei. Man würde jetzt den Rest des Tumors am Hirnstamm erstmal nicht operieren, sondern übergeben zum Kinderonkologen, der die weitere Behandlung planen würde. Wieder waren wir geschockt. Ein Auf und Ab der Gefühle. Wir haben uns nach der OP so für unsere Tochter gefreut, dass wohl alles überstanden sei, und dann kommt so eine Nachricht und haut einen wieder um. Trotz allem war unsere Tochter putzmunter und man konnte ihr nichts anmerken, abgesehen von der Naht hinter dem Ohr und dem Auge mit dem hängenden Lid (da der Nerv angeschlagen ist, braucht es hier Zeit zum regenieren, sagten die Ärzte, es kann aber auch sein, dass hier überhaupt keine Besserung eintritt).
Wir haben dann auch am nächsten Tag mit dem Kinderonkologen gesprochen und haben auch einen guten Eindruck von ihm. Er meinte, die Gewebeproben sind noch nicht hinreichend analysiert worden und wir müßten noch abwarten, zu welchem Ergebnis das Referenzzentrum kommt. Erst dann könne man sicher sagen, um welchen (bösartigen) Tumor es sich handelt.
Wir müßten also auf jeden Fall mit einer Chemotherapie rechnen und zusätzlich mit einer Strahlentherapie. Das Ganze macht uns natürlich jetzt sehr viel Angst, denn ich habe gelesen, dass Strahlentherapie bei kleinen Kindern eigentlich nicht gemacht wird. Das gibt jetzt auch das Gefühl, dass es sehr schlecht um unsere Tochter steht, wenn man diese Behandlung schon in Betracht zieht. Ich habe auch schon sehr viel über Glioblastome gelesen und mache mir da nichts vor. Bei Erwachsenen sind die Aussichten auf lange Sicht sehr sehr schlecht. Der Kinderarzt sagte uns aber, dass es bei kleinen Kindern ganz andere Aussichten gäbe und man dies nicht mit Erwachsenen vergleichen könne. Er meinte, für die nächsten 5 Jahre gäbe es eine Übelebenswahrscheinlichkeit von 40-50%, wenn es ein Glioblastom ist. Beruhigen kann uns diese Aussage nicht. Wir haben große Angst, unser Kind zu verlieren. Vor dem Kind lassen wir uns das nicht anmerken und versuchen natürlich, alles normal erscheinen zu lassen. Was sollen wir auch anderes tun.
Da wir nun auf die endgültigen Analyseergebnisse warten müssen, haben wir unsere Tochter zum Wochenende erstmal nach Hause geholt. Die Ärzte sehen kein größeres Risiko, unsere Tochter ist ja munter und fröhlich und wir denken, dass es nach 2,5 Wochen Krankenhausaufenthalt bestimmt gut für sie ist, erstmal nach Hause zu kommen (Vor der Entlassung wurde nochmals ein MRT vom Kopf und vom Spinalkanal gemacht, uns liegen aber noch keine Ergebnisse vor). Die gewohnte Umgebung und ihr Zimmer, damit sie auch wirklich gut erholt in die folgende Chemotherapie kommt. Heute bin ich auch wieder arbeiten, weil erst im Laufe der Woche Ergebnisse erwartet werden und wir wissen ja nicht, wann wir meinen Urlaub noch brauchen werden im Folge der Krankheit (auch wenn es im Moment sehr schwer ist, zur Arbeit zu fahren und Frau und Kind zu Hause "im Stich" zu lassen).
Die Chemo startet frühestens nächsten Montag, denken wir. Meine Frau und ich sind der Meinung, dass wir die Zeit bis dahin nutzen wollen, um die Zeit für unsere Tochter zu Hause so schön wie möglich zu machen. Jeder Tag zählt, habe ich gelesen und so wollen wir es auch handhaben. Wir wissen ja nicht, wie die Chemo anschlägt und wie es unsere Tochter dann gehen wird. Vorhersagen kann man mit dieser Diagnose nicht mehr viel. Hinzu kommt, dass seit 2 Tagen unsere Tochter morgens so ein geschwollenes linkes Augenlid hat, das Auge ist am Morgen fast zu und nur noch einen kleinen Spalt offen. Tagsüber bessert es sich leicht (halb offen knapp über der Pupille). Die Ärzte haben sich dazu noch nicht geäußert. Als Laie vermute ich ein Ödem in Folge der Operation (liegt jetzt 2 Wochen zurück). Vielleicht sollte unsere Tochter nachts den Kopf erhöht lagern, damit sich nicht so viel Flüssigkeit einlagert. Dazu paßt, dass es sich tagsüber bessert, wenn sie viel steht und rumläuft. Wir sind immer noch der Meiung, dass sie keine Schmerzen hat, sonst würde sie nicht so unbeschwert sein. Seit sie wieder zu Hause hat, spricht sie sehr viel und scheint einfach erstmal glücklich zu sein. So haben wir in diesen schlechten Zeiten wenigstens einen kleinen Lichtblick. Jetzt warten wir gespannt auf die Analyseergebnisse...
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