HirnTumor-Forum

Autor Thema: Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf  (Gelesen 15544 mal)

Offline KaSy

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37. Hirntumor-Informationstag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf

Tagesordnung:

1. Chancen und Grenzen der operativen Therapie bösartiger Hirntumoren
Prof. Dr. med. Michael Sabel

Neurochirurgische Klinik
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf

2. Sinn ergänzender und alternativer Verfahren
Prof. Dr. med. Karsten Münstedt

Frauenklinik
Ortenau-Klinikum Offenburg-Gengenbach
Ebertplatz 12
77654 Offenburg

3. Höchste Präzision in der Strahlentherapie
Prof. Dr. Dr. Brigitta Baumert

MVZ für Strahlentherapie und Neurochirurgie
MediClinic Bonn GmbH
Villenstraße 8
53129 Bonn

4. Aktuelle Therapie der Meningeome
Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Buhl

Neurochirurgische Klinik
Städtisches Klinikum Solingen
Gotenstraße 1
42653 Solingen

5. Psychoonkologische Hilfen für Hirntumorbetroffene
Prof. Dr. Dipl.-Psych. Volker Tschuschke

Studiengang Psychotherapiewissenschaft
Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin
Columbiadamm 10
12101 Berlin

6. Aktuelle klinische Studien und Immuntherapie
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ghazaleh Tabatabai

Zentrum für Neurologie & Neurochirurgie
Universitätsklinikum Tübingen
Hoppe-Seyler-Straße 3
72076 Tübingen

7. Therapie epileptischer Anfälle bei Hirntumoren
Prof. Dr. med. Jörg Wellmer

Ruhr-Epileptologie
Knappschaftskrankenhaus Bochum
In der Schornau 23-25
44892 Bochum

8. Möglichkeiten der Chemotherapie
Priv.-Doz. Dr. med. Marcus Czabanka

Klinik für Neurochirurgie mit Arbeitsbereich Pädiatrische Neurochirurgie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

KaSy
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:52:55 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline KaSy

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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #1 am: 03. Dezember 2015, 23:11:13 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf

1. Chancen und Grenzen der operativen Therapie bösartiger Hirntumoren
Prof. Dr. med. Michael Sabel

Neurochirurgische Klinik
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf

In den letzten Jahren gab es große Fortschritte und bewiesene Verbesserungen in der Therapie von Hirntumoren. Die verbesserte Diagnostik und viel bessere Operationsmethoden führen zu einem deutlich verlängerten Überleben mit einer deutlich besseren Überlebensqualität.

Gliome heißen Gliome, weil sie sich aus den „Glia“, den Stützzellen des Gehirns entwickeln. Astrozytome und Oligodendrogliome können sich zu Glioblastomen (GBM) entwickeln, die das schnellste Wachstum aufweisen.

Als Routine-Diagnostik wird eine Magnet-Resonanz-Therapie (MRT) ohne und mit Kontrastmittel (KM) durchgeführt. Wenn sich im Tumor keine KM-Anreicherung findet, handelt es sich um einen Tumor mit dem WHO-Grad II.
Es gibt weitere Möglichkeiten, um den Tumor annähernd 100%-ig zu diagnostizieren.

Bei GBM besteht das Problem des infiltrativen (in das Gehirn eindringenden) Wachstums. Deshalb ist keine vollständige Resektion (operative Entfernung) ohne Schäden für den Patienten möglich. Aber die Operation hilft nachweislich, um zunächst die optimale Grundlage für weitere Therapien und für eine bessere Lebensqualität zu schaffen.

Große Raumforderungen (Tumoren) müssen operiert werden. Langfristige Studien mit sehr vielen Pattienten in Norwegen haben nachgewiesen, dass eine Operation besser ist als nur eine Biopsie.

Es gibt die intraoperative Möglichkeit der Fluoreszenzmethode 5 ALA, die jedoch nur bei Tumoren der WHO-Grade III und IV möglich ist.

Eine komplette Resektion der KM anreichernden Tumoren löst nicht das Problem der Tumorzellen in den Randbereichen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit man bei der Operation noch aggressiver vorgehen kann, aber trotzdem die Sicherheit des Patienten nicht gefährdet.   

Wichtig ist eine sehr präzise OP-Diagnostik, aber während der OP kann sich das Gehirn ein wenig  verschieben. Deswegen gibt es die intraoperativen Möglichkeiten, eine teilweise Wach-OP (z.B. für das Sprechen) durchzuführen bzw. das Gehirn elektronisch zu stimulieren (z.B. für Bewegungen). Durch die so hervorgerufenen Reaktionen des Patienten kann der Operateur feststellen, wie weit man bei der Resektion der Tumorzellen gehen kann, ohne wichtige Bereiche zu zerstören, die für die Lebensqualität bedeutsam sind.

Operationsfolgen sind vorübergehende neurologische Defizite (z.B. Sprache, Bewegung), aber auch länger (mehr als drei Monate) anhaltende permanente (dauerhafte) Defizite. Möglich sind auch Schlaganfälle und deren Folgen während der OP.

Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

Genetische Faktoren (MGMT-/ IDH1-Mutationen, …) beeinflussen bei den GBM das längere Überleben, es wird jedoch noch nicht immer genetisch genau therapiert.

Ein Gesichtsfeldausfall auf einem Auge bleibt zwar bestehen, aber man kann damit leben.

Eine Durchtrennung des Rückenmarks ist irreversibel, sie führt zu einer Lähmung und ist für den Patienten eine Katastrophe!

Wenn im FET-PET keine Stoffwechsel-Aktivität sichtbar ist, ist keine Operation erforderlich.

Es muss kein MRT mehr durchgeführt werden, wenn ein Patient mit seiner tumorbedingten Lebenssituation abgeschlossen hat und nicht mehr an der Fortsetzung von weiteren Therapien interessiert ist.

Methadon = Cannabis fördert das Ansprechen der Chemotherapie. Es sind jedoch keine Aussagen zur Wirksamkeit möglich. Es stellt sich die Frage, ob man Hirntumor-Patienten mit Drogen behandeln darf. Wenn die Möglichkeiten der Schulmedizin ausgeschöpft sind, dann wäre das vielleicht zu akzeptieren, aber dann steht die Frage nach der Dosierungsempfehlung.
Nur Drogen allein helfen nicht. Sie müssen mit einer Hochdosis-Chemotherapie kombiniert werden. 
 
CUSP9 ist ein Medikamenten-Cocktail, für dessen Anwendung noch keine Studienergebnisse vorliegen. Es ist derzeit für GBM-Patienten eine letzte Möglichkeit.

Die Nano-Partikel-Therapie ist ein für den Patienten sehr aufwändiges Verfahren, bei dem diese Teilchen in den Tumor eingebracht werden. Problematisch ist, dass danach keine MRT mehr möglich ist. Man muss sich auf die anderen Verfahren zur Tumorkontrolle beschränken.

Um bei der Operation optimal resezieren zu können, muss man vorher gründlich und individuell  mit dem Patienten darüber sprechen, was ihm für seine Lebensqualität wichtig ist. Was empfindet der Patient als Hilfe und wie weit würde er Schäden akzeptieren. Dabei spielt das Verhältnis zwischen Neurochirurgen (NC) und Patient eine bedeutende Rolle, denn der NC muss über die Risiken und deren Folgen für die Lebensqualität ausführlich aufklären und dabei die akute Situation des Patienten mit dessen Angst berücksichtigen.

In der Rezidivsituation muss sehr viel mehr getan werden, man muss „alle Register ziehen“ und es besteht noch viel mehr Gesprächsbedarf.   

In den Tagungsunterlagen befinden sich Auszüge aus den Internetseiten der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.  www.hirntumorhilfe.de zu folgenden Themen:
- Intraoperatives Sprachmonitoring
- Operation mit 5-Aminolävulinsäure (5-ALA)
- Navigierte Hirnstimulation
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:53:09 von KaSy »
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Offline KaSy

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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #2 am: 03. Dezember 2015, 23:18:05 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf

2. Sinn ergänzender und alternativer Verfahren
Prof. Dr. med. Karsten Münstedt

Frauenklinik
Ortenau-Klinikum Offenburg-Gengenbach
Ebertplatz 12
77654 Offenburg

Der Sinn ergänzender und alternativer Verfahren ergibt sich daraus, dass die konventionelle onkologische Behandlung von Tumoren verschiedene Probleme beinhaltet. Die schulmedizinischen Maßnahmen sind nicht hundertprozentig sicher und erfolgreich und sie können unerwünschte Nebenwirkungen haben. Daraus ergibt sich der Wunsch der Patienten nach zusätzlichen Ansätzen und Maßnahmen, mit denen sie einen eigenen Beitrag zur Bekämpfung ihrer Krankheit leisten können.

Diese zusätzlichen Maßnahmen werden unter der Abkürzung CAM (Complementary and Alternative Medicine) zusammengefasst. Dabei steht das „C“ für komplementäre Maßnahmen, die gemeinsam mit der konventionellen Therapie und in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Das „A“ steht für alternative Maßnahmen, also für die alleinige Anwendung nicht wissenschaftlich nachgewiesener Methoden bei Ausschluss der fachärztlichen Behandlung. 

Folien aus den Tagungsunterlagen:

Folie „Einige Fakten“
- Bis zu 90 % aller Tumorpatienten nutzen diverse Methoden parallel zur konventionellen Therapie. - Damit ist CAM die am häufigsten angewandte Tumorbehandlung.
- Seriöse Forschung zum Thema ist unzureichend.
- Seriöse Forschung zu Hirntumoren faktisch nicht existent.

aus einer Folie:
Bei der CAM werden vier Gruppen unterschieden:

A: Maßnahmen, die direkt gegen den Tumor wirken sollen und die schulmedizinischen Krebskonzepte ablehnen:
- Hamers neue Germanische Medizin
- Geistheilung
- Fernheilung
- Dr. Hulda Clark Therapie
- Homöopathie (Wurster)
- TCM (Antroposophische Medizin)

B: Maßnahmen, die direkt gegen den Tumor wirken sollen und die schulmedizinischen Krebskonzepte bejahen:
- Galvantherapie
- Di Bella Multi´therapie
- Dr. Rath Vitamine
- Galavit
- Laetrile
- Dr. Coy Diät
- Ukrain

C: Supportive (unterstützende) Verfahren, die die schulmedizinischen Krebskonzepte ablehnen:
- Homöopathie (Wurster)
- TCM (Antroposophische Medizin)

D:  Supportive (unterstützende) Verfahren, die die schulmedizinischen Krebskonzepte bejahen:
Komplementärmedizin

Folie: „Interaktionen zwischen dem CAM-Therapeutikum und konventioneller Therapie“
--- Kaum erforscht:
- Beispiele Johanniskraut – Metabolismus von Irinotecan – Mathijssen et al 2002
- Soja, Knoblauch, Ginko bilaba, Echinacin, Baldrian, Phytoöstrogene und antihormonelle Therapie
--- Übersicht in Cassileth und Lucarelli: „Herb-Drug Interactions in Onkology“
--- CAM-Anwender haben signifikant häufiger pathologische Leberwerterhöhungen – unterstreicht Problematik und Bedeutung der CAM-Anwendung (Ahn et al. 2004) 

aus der Folie: „Zusammenfassung“
Methoden der alternativen und komplementären Medizin bergen diverse Risiken und Probleme.
Alternativmedizin ist abzulehnen.

Methoden der komplementären Medizin müssen nach wissenschaftlichen Kriterien an die jeweilige therapeutische Situation angepasst werden, wenn sowohl Wirksamkeit als auch  Sicherheit gewährleistet werden sollen.

Diagnose - Operation/CAM 1 – Chemotherapie/CAM 2 – Bestrahlung/CAM 3 – Hormone/CAM 4 – Nachsorge/CAM 5

Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

Zur ketogenen Diät (eine kohlenhydratfreie Ernährung) während der Chemotherapie gibt es Studien, deren Ergebnisse umstritten sind. Es kann auch unter ketogener Diät zu einem Tumorwachstum kommen.

Gegen Übelkeit hilft Ingwer.

Vitamine sollte man in Form von Gemüse und Obst zu sich nehmen, davon kann man gar nicht zu viel essen. Bei der Einnahme von Vitaminpräparaten kann es jedoch zu Überdosierungen kommen.

Aprikosenkerne enthalten zwar das Vitamin B 17, die Einnahme der Aprikosenkerne ist jedoch gegen Tumoren nicht wirksam. Wegen des Gehalts an Blausäure sind sogar Todesfälle vorgekommen.

Beim Heilfasten während der Chemotherapie ist die Verträglichkeit individuell unterschiedlich. Jedoch ist die dadurch entstandene Gewichtsabnahme schädlich, da besonders auch Muskelmasse abgebaut wird, wodurch der Körper zusätzlich geschwächt wird. Wenn während der Chemotherapie gefastet wird, dann nie lange.

Die „TOP 3“ der Komplementärmedizin sind:
- Sport
- gesunde, ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse
- mit dem Hausarzt besprochene und durch Laboruntersuchungen bestätigte Ergänzung nicht ausreichend vorhandener Vitamine und Mineralstoffe

(Kursiv gedruckte Textteile von KaSy)
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:53:30 von KaSy »
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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #3 am: 03. Dezember 2015, 23:26:16 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf

3. Höchste Präzision in der Strahlentherapie
Prof. Dr. Dr. Brigitta Baumert

MVZ für Strahlentherapie und Neurochirurgie
MediClinic Bonn GmbH
Villenstraße 8
53129 Bonn

Das Prinzip der Radiotherapie (= Strahlentherapie)

Verschiedene Strahlenarten, insbesondere Röntgenstrahlen, zerstören den Doppelstrang der DNA*. Normale Zellen regenerieren sich, aber Tumorzellen können sich nur schlecht reparieren. Über einen Bestrahlungszeitraum von sechs Wochen können sich gesunde Zellen besser selbst reparieren.

(* DNA (engl. für deoxyribonucleic acid), dt.: DNS für Desoxyribonukleinsäure) ist eine im Zellkern jeder Zelle enthaltene chemische Verbindung als Träger der Erbinformation. Tumorzellen teilen sich besonders häufig. Diese Zellteilung wird durch die Auftrennung der in Form einer Doppelhelix vorkommenden DNA eingeleitet. In dieser Situation sind die schädlichen Strahlen am wirksamsten. Im weiteren Verlauf der Zellteilung muss sich nämlich der Zellkern teilen und jede Hälfte muss ihren halben DNA-Doppelstrang kopieren, um aus einer alten zwei neue Zellen zu bilden. Ist das halbe DNA-Original jedoch durch die Strahlen beschädigt, kann es nicht gelingen, eine vollständige DNA-Kopie zu erzeugen und die Bildung der neuen Zellen ist unterbrochen. Werden gesunde Zellen während ihrer Teilung von den Strahlen getroffen, werden auch sie dabei gestört. Es gibt aber ausreichend gesunde Zellen mit den gleichen Aufgaben in der direkten Umgebung, die die Möglichkeit der korrekten Teilung behalten und nach einem angemessenen Zeitraum die zerstörten Zellen ersetzen. Tumorzellen sind einfacher gebaut, sind dadurch in der Lage, sich rascher zu teilen, aber auch leichter zu zerstören als die im Bestrahlungsfeld befindlichen gesunden Zellen.)

Die Vorbereitung der Bestrahlung eines Hirntumorpatienten

- Anfertigung der Bestrahlungsmaske
- Planungs-CT zur Feststellung der Lage des Tumors mit einem Sicherheitssaum von 1-2 cm
- Bestimmung der Strahlungsfelder und der Richtungen, aus denen bestrahlt werden wird, wobei der Tumor im Hochdosisgebiet liegt. Die Umgebung des Tumors befindet sich im Niedrigdosisgebiet, wo sich die gesunden Zellen befinden, die entweder nicht geschädigt werden oder Schäden reparieren können.
- Bestrahlt wird nach der Operation die Stelle, wo der Tumor war, mit einem Sicherheitssaum von 2 cm, dort aber millimetergenau. (Der Sicherheitsbereich ist bei Tumoren mit einer höheren Wachstumsrate erforderlich, da in der Operation zwar der sichtbare Tumor entfernt wurde, man aber davon ausgehen sollte, dass in der Tumorumgebung bereits einzelne Tumorzellen vorhanden sind, die sich weiter teilen und damit zu einem Rezidiv führen würden. Auch hier trifft es zu, dass die Tumorzellen stärker geschädigt werden und die in diesem Bereich vorhandenen gesunden Zellen in der Lage sind , sich nach angemessener Zeit selbst zu reparieren.)
- Mit zusätzlichen diagnostischen Möglichkeiten, z.B. FET-PET, kann man Tumorzellen sichtbar machen, auch welche, die sich evtl. nicht in dieser direkten Umgebung des operierten Tumors befinden.
(Das FET-PET zeigt die Zellen, in denen tumortypische Stoffwechsel-Aktivitäten stattfinden.) 
- Bei bestimmten Hirntumoren (u.a. Glioblastomen) ist eine Kombination mit der Chemotherapie erfolgreicher.
- Die Bestrahlung wird über mehrere Wochen durchgeführt, um den Erholungseffekt für die gesunden Zellen zu ermöglichen.

Bestrahlungstechniken und Präzision

Unter Präzision versteht man in der Bestrahlungstherapie, dass im Tumor eine tödliche Höchstdosis erreicht wird, während die Umgebung eine deutlich geringere Dosis abbekommt. Dazu sind im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte mehrere Techniken und Geräte entwickelt und in Anwendung gebracht worden.

3D-CRT = Dreidimensional-konformale Bestrahlungstechnik (Man nutzt Aufnahmen eines Computertomographen, um den Tumor als Zielgebiet der Bestrahlung dreidimensional darzustellen. Um bei jedem der etwa dreißig Bestrahlungstermine genau die gleiche Situation herzustellen, wird der Kopf des Patienten entweder mit Schrauben oder mit einer Bestrahlungsmaske am Tisch fixiert, auf dem der Patient während der Bestrahlung liegt.)

Linearbeschleuniger
Gamma-Knife
Cyber-Knife

Protonentherapie:
Photonenstrahlen, die aus Röntgenstrahlen entstehen, gehen durch den Kopf hindurch, während sich Protonenstrahlen im Tumor konzentrieren und die dahinter liegenden Bereiche nicht treffen.
(Meine Meinung: Photonen gehören wie Röntgenstrahlen zu den Bereichen des Lichts, während es sich bei Protonen um Teilchen mit einer Masse handelt. Um Tumoren zu zerstören oder zumindest zu verkleinern, die nicht operiert werden konnten, ist diese Teilchenstrahlung geeignet. Die Photonenstrahlen sind für die Bestrahlung nach einer erfolgten Operation geeignet, um vereinzelte Restzellen in der Tumorumgebung zu zerstören.) KaSy   

IMRT = Intensitätsmodulierte Strahlentherapie; Nach einer präzisen Bildgebung wird die Strahlungsintensität für die verschiedenen Bereiche einzeln berechnet, was bei Bestrahlungen nahe von Risikostrukturen erforderlich ist, um diese weitestmöglich zu schonen.


Re-Bestrahlung
Eine erneute Bestrahlung ist unter bestimmten Bedingungen möglich und sinnvoll.

Zukunft
- Verbesserung des Ergebnisses der Bestrahlung durch den Einsatz von Medikamenten
- noch bessere Abstimmung der Bestrahlung auf die Tumorform
- Abstimmung der Bestrahlung auf das Tumorwachstum, auf dessen Aggressivität

Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

Eine Rebestrahlung im gleichen Gebiet mag ein zweites Mal möglich sein, bei einem dritten Mal ist das Risiko für dauerhafte Schäden am gesunden Gewebe zu hoch.

Jod-Seeds werden während der Operation in den Tumor eingebracht und strahlen von innen auf die Restzellen des Tumors. Sie verbleiben in der Regel im Gewebe. Das ist eine lokale Bestrahlung.

Nachwirkungen der Bestrahlung können Wochen bis Monate dauern, es handelt sich dabei um Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Lustlosigkeit, Vergesslichkeit und ähnliche Probleme.

Das erste MRT nach der Bestrahlung sollte erst nach etwa drei Monaten erfolgen. (Zuvor ist es schwierig, die Unterschiede zwischen eventuellem Resttumor und den Abbaugebieten zu erkennen.)

Wenn Rezidive trotz Operation, Bestrahlung und Chemotherapie auftreten, kann es auch daran liegen, dass sich die Tumorzellen genetisch verändert haben.

Ein PET ist keine Standardtherapie.

Ein MRT ist eine Standardtherapie.

Gleichzeitige Bestrahlung und Chemotherapie ist bei Glioblastomen Standard.

Bestrahlungen hinter dem Auge sind sinnvoll, sie werden mit Photonenstrahlen durchgeführt, Protonenstrahlen bringen keinen großen Vorteil.

Bei Patienten über 50 Jahren besteht nahezu kein höheres Risiko.

Haarausfall ist bei Hirntumoren fast immer eine Bestrahlungsfolge, jedoch wachsen die Haare meist nach. Nach einer Rebestrahlung wachsen sie eher nicht nach.

Cannabis gibt es in den Niederlanden auf ärztliches Rezept, es hilft als Tee gegen Übelkeit und Appetitlosigkeit. In Deutschland muss man es privat erwerben. (Diese Frage hat mit der Bestrahlung und deren Folgen eher wenig zu tun, sondern bezieht sich auf die bei Glioblastomen gleichzeitig stattfindende Chemotherapie.)KaSy

Sind Photonen oder Protonen besser? Meist sind Photonen gut genug. Es laufen Studien.

(Kursiv gedruckte Textteile von KaSy)

In den Tagungsunterlagen ist ein Auszug aus der Zeitschrift der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.  „Brainstorm“ mit dem Titel „Warum Strahlentherapie“ enthalten.
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:53:51 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline KaSy

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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #4 am: 03. Dezember 2015, 23:49:45 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf

4. Aktuelle Therapie der Meningeome
Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Buhl

Neurochirurgische Klinik
Städtisches Klinikum Solingen
Gotenstraße 1
42653 Solingen

Allgemeines

Meningeome gehen von den Deckzellen in der Dura Mater (harte Hirnhaut) aus und eine komplette Entfernung ist relativ gut möglich.
Meningeome kommen bei Frauen etwa 2,3 mal so häufig vor wie bei den Männern.
Besonders häufig treten sie bei Patienten im Alter von 50 bis 60 Jahren auf. Auch bei deutlich älteren Betroffenen sind Operationen eventuell noch sinnvoll, das ist von den Begleiterkrankungen abhängig.
Etwa 15 % der Meningeome bilden Rezidive.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Meningeome in drei Grade eingeteilt, in denen sie mit unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen:
WHO I   : 89 % aller Menineome;  Sie werden als „benigne“ bezeichnet.
WHO II  :   9 %  Sie werden als „atypisch“ bezeichnet.
WHO III :   2 %  Sie werden als „anaplastisch“ bezeichnet.

Operative Techniken

In der Operation werden Meningeome zunächst von innen durch Absaugen verkleinert, danach wird es von außen nach und nach entfernt.
Man nutzt die Technik der Neuronavigation (computergestütztes Operationsverfahren, bei der die Diagnostik in die Operation per Computer einbezogen wird).
Bei kleinen Meningeomen ist es möglich, eventuell nur zu beobachten, bei großen Meningeomen ist eine Operation erforderlich.
Oft hat man Zeit für eine OP-Planung.
Es kommen jedoch auch eingeblutete Meningeome vor, bei denen rasch gehandelt werden muss.
Bei einem Auftreten multipler Meningeome könnte unter bestimmten Bedingungen das Krankheitsbild einer Neurofibromatose Typ II vorliegen.
Meningeome nehmen im MRT das Kontrastmittel gleichmäßig auf.

Resektionsgrad nach Simpson“ (von 1957)
Entscheidend für den Erfolg der Operation ist das erreichte Ausmaß der Entfernung des Meningeoms.
(Es sind die folgenden fünf Grade von Grad I für die bestmögliche Entfernung bis Grad V für das schlechtest mögliche Ergebnis.):
(aus der Folie des Vortrages)
Simpson I   : Resektion der Ansatzstelle (Komplette makroskopische Tumorentfernung mit anhängender Hirnhaut und des betroffenen Anteils des Schädelknochens)
Simpson II   : Koagulation der Ansatzstelle (Komplette makroskopische Tumorentfernung mit anhängender Hirnhaut durch Erhitzen)
Simpson III  : Entfernung des Meningeoms (Komplette makroskopische Tumorentfernung ohne anhängende Hirnhaut und Knochenanteile)
Simpson IV  : subtotale Entfernung (teilweise makroskopische Tumorentfernung ohne Entfernung der anhängenden Hirnhaut und Knochenanteile)
Simpson V   : Biopsie, Shunt (einfache druckentlastende Maßnahmen durch die Ableitung des Hirnwassers durch einen Shunt bzw. die Teilentnahme von Tumorteilen durch eine Biopsie)

Diagnostik

In der Regel genügt das MRT.
Es gibt auch die Möglichkeiten der MR Spektroskopie (Kernspinresonanzspektroskopie) sowie einer Nuklearmedizinischen Diagnostik.

Rezidive

Rezidive sind schwieriger zu operieren.
 - wegen Vernarbungen durch die Voroperationen
 - wegen eines infiltrativen Wachstums
 - …
In der Regel schließt sich an die Re-OP eine Strahlentherapie an.

Weitere Aussagen

Ehe ein Meningeom diagnostiziert wird, hat der Patient oft eine sehr lange Suche nach der richtigen Diagnose hinter sich. Die Symptome sind derart unspezifisch, dass die konsultierten Fachärzte eine CT oder MRT nicht für erforderlich halten.

Meningeome wachsen verdrängend.

Eine „Trigeminus-Neuralgie“ äußert sich durch extremste Schmerzen im Gesicht. Sie kann jahrelang ohne Diagnose bleiben. Hier könnte die Ursache ein Meningeom sein.

Wichtig sind regelmäßige Kontrollen nach der Meningeom-Entfernung, da auch nach WHO I Rezidive auftreten können.

Zu den OP-Techniken gehört die Embolisation, das ist die Verödung blutversorgender Gefäße, falls diese die Operation stören und zu hohen Blutverlusten führen würden. Wenn sich Meningeome am Sinus Sagittalis befinden, muss bei der OP darauf geachtet werden, dass diese Vene erhalten bleibt, da es sonst zu einer Blutung im Gehirn und damit zu einem Schlaganfall kommen würde.

Bei Patienten im Alter von über 70 Jahren treten bei Meningeom-Operationen etwas mehr Komplikationen und eine leicht erhöhte Sterblichkeit auf.

Gamma-Knife (Methode der Einzeitbestrahlung) ist eine Alternative zur Operation bei kleinen Meningeomen. (siehe auch Frage in der Podiumsdiskussion!)

Die Strahlentherapie ist indiziert:
- bei atypischen Meningeomen (WHO II)
- bei anaplastischen Meningeomen (WHO III)
- bei Rezidiven
- bei inkomplett entfernten Meningeomen
- bei inoperablen Meningeomen (siehe auch Vortrag 3 zur Strahlentherapie von Prof. Baumert)

Eine sinnvolle Chemotherapie gibt es bis jetzt nicht.
Versuche mit den folgenden Mitteln zeigten kaum Erfolge:
- Litalir (Hydroxyurea)
- Interferon (IFN alpha)
- Somatostatin (Sandostatin LAR)
- Temodal
(Quelle: Chamberlain MC, Barnholtz-Sloan JS; Medical treatment of recurrent menigeomas; Expert Rev Neurother 11; 1425-1432 (2011) )


Abschluss-Aussage:
Wenn Sie erfahren, dass Sie einen Hirntumor haben:
Sie sind stärker als Sie dachten.
Sie werden mehr geliebt, als Sie dachten.


Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

Eine Liquorfistel* kann durch die Operation entstehen. Zur Entlastung kann eine Lumbalpunktion* erfolgen oder es wird eine Drainage* für etwa 10 Tage gelegt, um der Liquorfistel Zeit zum Abheilen zu verschaffen und gleichzeitig das Hirn von Hirndruck zu entlasten.
*Eine Liquorfistel ist eine Öffnung / ein Gang, durch den das Hirnwasser = Liquor durch die Hirnhaut dringt, was man an einer weichen Beule über der betroffenen Stelle bemerkt.
* Eine Lumbalpunktion ist die Entnahme von Liquor aus dem Rückenmark, etwa in Hüfthöhe.
* Eine Drainage („externe Ventrikeldrainage“) wird gelegt, indem ein Schlauch oder eine dünne Nadel durch die Schädeldecke geführt wird, durch die der Liquor nach außen abließen kann. Da die Gefahr des Eindringens von Keimen besteht, ist das nur eine vorüber gehende Maßnahme. Ist die Druckentlastung für längere Zeit erforderlich, wird der Liquor über einen Schlauch („Cerebral-Shunt“) in den Bauchraum geleitet.


Mit Palacos wird eine Art Knochenzement bezeichnet. Es wird rasch warm und lässt sich gut formen, um einen passenden Knochenersatz während der Operation herzustellen.
Die Dura muss auch ersetzt werden. (Das kann mit körpereigenem Gewebe geschehen. Seit 1994 gibt es ein synthetisches Materiali für den Ersatz der Dura=Hirnhaut, das innerhalb weniger Wochen von körpereigenen Zellen um- und durchwachsen wird.)

Histologisch gibt es mehr als zehn verschiedene Arten der Meningeome. (Damit sind die verschiedenen Arten der Zellveränderungen usw. gemeint.)

Nach vergeblicher Diagnosesuche sollte ein Arzt ein MRT anordnen.

Gammaknife ist als Primärtherapie möglich. Falls das Meningeom dann aber doch wächst, ist es für den Neurochirurgen ein Problem. Mit konventioneller Bestrahlung erzielt man eher Rezidivfreiheit! (Letzteres kann ich persönlich nach zweimaliger konventioneller Bestrahlung an zwei verschiedenen Stellen bestätigen. KaSy)

Die Abstände der MRT-Kontrollen sollten bei WHO II / III drei bis sechs Monate betragen. Bei WHO I genügen bald Abstände von einem Jahr.

Ursachen für Hirntumoren sind auch nach weltweiten Studien und Untersuchungen unbekannt.

Endokrinologische Untersuchungen (des Hormonstatus) sind zum Nachweis von Meningeomen nicht sinnvoll. (Sie sind eher bei Hypophysentumoren geeignet.)

Probleme mit dem Kaumuskel kann es durch eine Trennung des Kaumuskels in der Operation geben. Das ist ein vorübergehendes Problem, denn der Muskel wächst wieder zusammen. 

Sehverschlechterungen können entstehen, wenn das Meningeom am oder nahe dem Sehnerv ist/war.

(Kursiv gedruckte Textteile von KaSy)

Die Tagungsunterlagen enthalten Folien aus dem Vortrag, die ich im Text verwendet habe.
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:54:14 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #5 am: 04. Dezember 2015, 23:53:12 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24. Oktober 2015 in Düsseldorf

5. Psychoonkologische Hilfen für Hirntumorbetroffene
Prof. Dr. Dipl.-Psych. Volker Tschuschke

Studiengang Psychotherapiewissenschaft
Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin
Columbiadamm 10
12101 Berlin

Die Psychoonkologie hat das Ziel, durch psychologische, soziale, ... Hilfe, Begleitung, Beratung die Lebensqualität der Krebspatienten zu verbessern. Es geht darum, die Angst, die Verzweiflung und die Gefahr von krankheitsbedingtem Stress und Depressionen zu verringern.
Der Stress kann schädliche Auswirkungen auf das Immunsystem und das Hormonsystem haben. Eine Depression verringert die Aktivität, den Mut, die Hoffnung und damit den Lebenswillen des Patienten.
Insgesamt geht es bei der psychoonkologischen Unterstützung um eine Verlängerung der Überlebenszeit.   

Strategien des Patienten zum Umgang und zur Bewältigung von Krisen

ungünstige Strategien:
abwarten
vermeiden
grübeln
sozialer Rückzug
Wunschdenken
Ablenkung von der Krankheit


hilfreiche Strategien:
Akzeptanz
Problemanalyse
Auflehnung gegen das Schicksal
Optimismus
Selbstkontrolle
Informationssuche
Suche von emotionaler Unterstützung
Eigeninitiative
Altruismus („Ich werde gebraucht!“)
Ziele haben
Lebenswille
Kampfgeist


Studien auf dem Gebiet der Psychoonkologie

- Gute Studien finden signifikante Zusammenhänge für Überlebenschancen und Lebensqualität.
Die Methoden der Studien sind sehr mitentscheidend für deren Ergebnisse.
Studien, die nur mit Fragebögen arbeiten, sind schlecht.
Gerade wenn es um das Verhalten, Denken, … geht, sind Gespräche für Studien besonders wichtig.

- Die Psyche, z.B. das aktive Bewältigungsverhalten und sinnvolle Strategien, ist mitentscheidend für die Krankheitsbeherrschung und das Überleben. Depressive Patienten haben deutlich schlechtere Überlebenszeiten, ihnen muss gegen die Depression geholfen werden.

Wo erhält man psychoonkologische Hilfe?

https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/adressen/psychoonkologen.php


Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

Wechselseitige Wirkungen zwischen Psyche und Krankheit (z.B.Tumor) gibt es.
Beispielsweise kann man mit besseren psychischen Strategien eine bessere Immunität erlangen.
Es gibt aber keine psychischen Ursachen für Tumoren!

Außer Gesprächstherapien gibt es verschiedene andere Therapiemöglichkeiten. Man muss herausfinden, welcher Patient auf welche Therapie anspricht. Das ist ganz individuell, was jemandem hilft.

Gegen Fatique ist Bewegung besonders gut!
Mangelnde Bewegung kann eventuell zu einigen Krebsarten führen, nicht aber zu Hirntumoren!

Altruismus im Sinne von „Ich werde gebraucht.“; „Ich bin für andere wichtig.“ weckt Kampfgeist auch gegen Krebs.

Es liegen Studien für die psychische Beteiligung bei der Immunabwehr und der Krankheitsbewältigung vor.

Profitieren depressive Patienten von Antidepressiva?
Bei Akutzuständen ja, aber nicht dauerhaft, da diese Mittel auch unerwünschte Wirkungen haben.
Bei Hirntumorpatienten sind Ursachen für die Depression wie Wut, Angst, usw. vorhanden, die verarbeitet werden müssen.
Antidepressiva können die Ursachen evtl. verdecken.

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In den Tagungsunterlagen befinden sich Auszüge aus den Internetseiten der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.  www.hirntumorhilfe.de zum Thema des Vortrags:

„Psychoonkologische Unterstützung bedeutet, der Seele von Tumorpatienten und Angehörigen Aufmerksamkeit zu widmen, ohne dabei den Körper und das soziale Umfeld einer Person aus den Augen zu verlieren. Ziel der psychoonkologischen Unterstützung ist bdas Schaffen eines ganzheitlichen individuellen Gleichgewichts. Sicherlich beschäftigen sich die einzelnen Personen dabei mit unterschiedlichen Fragen, aber jeder wird durch die Diagnose in ein Chaos gestürzt. Die Welt steht plötzlich Kopf und es ist Teil der Verarbeitung, den Boden wieder zu finden. Die Psychoonkologie bietet für alle Betroffenen, egal ob Patient oder Angehöriger, Unterstützung an.

In der Regel basieren die psychoonkologischen Interverntionen auf dem Grundgedanken, dass es wichtig ist, Verluste wahrzunehmen, ihnen Raum zu geben und damit leben zu lernen, jedoch gleichzeitig das Erhaltene, Unveränderte, das noch immer Machbare nicht aus den Augen zu verlieren. Das heißt, das übergeordnete Ziel besteht darin, die durch Krankheit und Behandlung entstehende Belastung lindern zu helfen, die Betroffenen in der Auseinandersetzung mit der Krankheit und deren Folgen zu unterstützen, psychischen Fehlentwicklungen wie eine Chronifizierung der Belastungen mit ihren nachteiligen seelischen und sozialen Folgen vorzubeugen sowie gemeinsam mit den Betroffenen neue Perspektiven in der veränderten Lebenssituation zu entwickeln.

Ein wichtiges Merkmal der Psychoonkologie ist die hohe Individualität der Behandlung, welche auch maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg hat. Was der einzelne Betroffene für sein Gleichgewicht, für das Lindern seines Seelenfeldes braucht, das weiß zunächst nur er selbst.“
(Oft weiß er es in seiner Situation nicht. Es ist ein bedeutender Schritt, dass ihm immerhin bewusst wird, dass er Hilfe benötigt. Um herauszufinden, was er braucht, benötigt er (z.B.) psychoonkologische Hilfe von außen.  KaSy)
„Jeder Patient befindet sich in einer ganz individuellen Lebenssituation und damit beim Inanspruchnehmen psychoonkologischer Hilfe an einem anderen Punkt – hat spezielle Bedürfnisse, Vorstellungen, Ziele. Daher sucht jeder Betroffene den Kontakt zur psychoonkologischen Beratung mit anderen Voraussetzungen, Sorgen und Wünschen.

Die Art und Häufigkeit psychoonkologischer Interventionen richtet sich dabei immer nach den Bedürfnissen und Ressourcen des Unterstützung suchenden Betroffenen. Jeder Mensch verfügt über individuelle Ressourcen, d.h. Verarbeitungs- und Bewältigungsfähigkeiten, mit denen er auf Anforderungen und schwere Situationen reagiert und dies in seinem bisherigen Leben auch getan hat. Tiefe Lebenskrisen blockieren jedoch nicht selten den Zugang zu diesen Verarbeitungsfähigkeiten, so dass es zum Überschreiten des individuellen Anpassungsvermögens kommt und häufig eine akute Belastungsreaktion hervorgerufen wird.

Die Gegenwart eines verlässlichen, strukturierenden Betreuers ist in diesen Situationen hilfreich zu Entdeckung der individuellen Ressourcen und bietet die Gelegenheit zur Aussprache und Klärung des individuellen Krankheitskontextes sowie der bestehenden medizinischen Probleme. Als mögliche Formen der Unterstützung können hier Begleitung, Beratung und gegebenenfalls Behandlung in Anspruch genommen werden:

Begleitung
- Beistehen und Dabeisein in schwierigen Situationen
- Gespräche, in denen vorwiegend Geschehnisse des Alltags betrachtet werden
- wesentliche Elemente sind die physische Anwesenheit, d.h. die Gegenwart der Begleiter und ggf. deren konkrete Hilfestellungen

Beratung
- sachliche Informationen und Strukturierungshilfen stehen im Vordergrund
- z.B. zu sozialrechtlich zustehenden Hilfen und deren Beantragung, wie auch die Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen, aber auch zu Fragen des Umgangs mit Ärzten, Pflegepersonal, Familie, Freunden und Kollegen

Behandlung
- Themen sind vorrangig innere Konflikte
- Elemente sind die gemeinsame Erarbeitung von Lösungswegen und dadurch die Aktivierung des Selbsthilfepotentials sowie das Verbalisieren von Gefühlen und Problemen im Gespräch
- Ziele könnten sein: Fördern des Ausdrucks von Bedürfnissen und Gefühlen, Erarbeitung eines neuen Krankheits- und Lebensverständnisses

Psychoonkologische Unterstützung kann auf verschiedene Art und Weise bzw. in verschiedenen Versorgungssektoren erfolgen:

stationär
- Akutklinken
- Rehabilitationskliniken
- Palliativstationen
- Hospize

ambulant
- psychosoziale Beratungsstellen (an Kliniken bzw. Gesundheitsämtern angesiedelt)
- psychotherapeutische Praxen
- ambulante Rehabilitationskliniken

schnittstellenübergreifend
- regionale Patienten- bzw. Selbsthilfegruppen
- „Brückenteams“ der integrierten Versorgung
- ambulante Hospizdienste
- kooperative, psychosoziale Beratungsstellen
- Sorgentelefon der Deutschen Hirntumorhilfe“
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:54:36 von KaSy »
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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #6 am: 07. Dezember 2015, 22:11:49 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24. Oktober 2015 in Düsseldorf

6. Aktuelle klinische Studien und Immuntherapie
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ghazaleh Tabatabai

Zentrum für Neurologie & Neurochirurgie
Universitätsklinikum Tübingen
Hoppe-Seyler-Straße 3
72076 Tübingen

Warum klinische Studien?

Klinische Studien werden durchgeführt, um aktuelle Therapien sowie Therapie-Algorithmen zu verbessern. Sie sind erforderlich, um die Zulassung von Therapien für bestimmte Indikationen zu erhalten und um Innovationen weiterzuverbreiten.

Auswahl einiger vorgestellter Studien
EORTC 26053, EORTC 26101, EF 14, EORTC 1410, NOA-10, NOA-12, CINC280X2204, GAPVAC101, NOA-16

In diesen Studien geht es u.a. um
- verschiedene Temodal-Strahlentherapie-Kombinationen bei Gliomen ohne 1p/19q Kodelation
- für den vereinfachten Zugang zu Avastin um den Nachweis, für wen es am besten geeignet ist
- um die Tumor-Treating-Fields-Therapie
- um die Frage, ob MRT oder FET-PET zu Berechnung der Strahlungsfelder besser geeignet ist
- darum, ob eine Rebestrahlung bei Gliom-Rezidiven besser wirkt, wenn sie mit einem Medikament kombiniert wird
- um die Immunantwort, die Machbarkeit und die Sicherheit einer Immuntherapie, bei der Patienten vor der ersten Therapie mit individuell hergestellten
   Eiweißen geimpft werden
- Angekündigt wurde eine Studie zu dem Medikament „Trabectidin“ gegen WHO II- und WHO III-Meningeome


Im Zusammenhang mit der Problematik der Ablehnung von Avastin beschwor Prof. Tabatabai die Patienten nicht aufzugeben, auch nach dem 2. oder 3. Widerspruch nicht, sondern wirklich alles zu tun, um die Verschreibung mit dem Arzt gemeinsam sowie persönlich mit der Krankenkasse durchzusetzen.

Die Frage nach der Vererbbarkeit von Hirntumoren beantwortete sie mit einem klaren NEIN.

aus den Tagungsunterlagen: (fachwissenschaftlicher Bericht von Anfang 2012!)

Immuntherapie bei Gliomen
(Quelle: Herold-Mende C., Dictus C: Immuntherapeutische Konzepte zur Behandlung von Hirntumoren: ein Revival? Psych & Neurol 1/2012

„Prinzipiell unterscheidet man zwischen der sogenannten passiven und der aktiven Immuntherapie. Unter der passiven Immuntherapie versteht man vor allem die Gabe von Antikörpern und Zytokinen (1). Dagegen ist es das Ziel der aktiven Immuntherapie, durch eine Impfung eine Abwehrreaktion des Immunsystems gegen den Tumor bzw. die Tumorzellen auszulösen. Bei Gliompatienten werden derzeit vor allem zwei Arten von Vakzinierungstherapien erprobt:
- die Verwendung von patienteneigenen dendritischen Zellen (Dcs) (2), die entweder mit einem Lysat (3) des Patiententumors oder tumorspezifischen Peptiden (4) beladen werden und
- die direkte Verwendung von Peptiden
     Worterklärungen:
     (1) Zytokine: Proteine, die Wachstum und Differenzierung von Zellen regulieren
     (2) dendritische Zellen (DCs): spezialisierte Form weißer Blutkörperchen, die eine Schlüsselfunktion bei der Aktivierung der Immunantwort einnehmen
     (3) Lysat: Produkt der Auflösung von Zellen
     (4) Peptid: kurzes Proteinbruchstück aus Aminosäuren

Erste Daten zu Vakzinierungstherapien in Gliomen stehen uns ausschließlich aus Phase-I- und -II-Studien zur Verfügung, sodass die nachstehend dargestellten Ergebnisse noch keine endgültigen Rückschlüsse auf eine Wirksamkeit zulassen. Ebenso müssen sie vor dem Hintergrund eines möglicherweise hoch selektierten Patientenkollektivs (junges Patientenalter, guter Karnofsky-Performance-Index u.a.) und überwiegend kleiner Fallzahlen in den jeweiligen Studien betrachtet werden.

a) DC-Vakzine beladen mit autologem Tumorlysat
In der Mehrzahl der publizierten Studien wurden autologe Dcs mit dem Tumorlysat der jeweiligen Patienten beladen. Sie wurden überwiegend in die Haut, gelegentlich auch unter die Haut verabreicht. Die Anzahl der Impfungen variierte zwischen 1 und 10 Anwendungen – unabhängig von der Verfügbarkeit von eingefrorenem Tumormaterial. Behandelt wurden primäre und rezidivierte anaplastische Gliome und Glioblastome. Mehrere Studien berichten über Patienten mit einer vorübergehenden Stabilisierung der Erkrankung und/oder einer verlängerten Überlebenszeit.

Im Hinblick auf die Integration der Immuntherapie in die derzeitige Standardtherapie des Glioblastoms bestehend aus einer möglichst vollständigen Operation gefolgt von einer Strahlen- und Chemotherapie sind insbesondere die Ergebnisse einer Studie von Interesse, in der eine Verlängerung des Gesamtüberlebens in jenem Therapiearm beobachtet wurde, in dem die DC-Vakzine in Kombination mit einer Chemotherapie verabreicht wurden. Das Zwei-Jahres-Überleben lag bei 42 %, während die alleinige Impfung und die alleinige Chemotherapie mit jeweils 8 % deutlich schlechter abschnitten.

b) DC-Vakzine beladen mit Peptiden
Alternativ zur Beladung mit Tumorlysat wurden DCs in einigen Phase-I-Studien mit kurzen Proteinbruchstücken, sogenannten Peptiden, gepulst. Einer der hier verfolgten Ansätze bestand darin, dass Tumorzellen eines Patienten kurzzeitig in Kultur genommen wurden, um die auf ihrer Oberfläche befindlichen Peptide abzulösen und in ihrer Gesamtheit zur Beladung von Dcs zu verwenden. Im zweiten Ansatz wurden autologe Dcs mit einem ausgewählten Peptid gepulst, das auf einer Glioblastom-spezifischen Variante des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFRvIII) zu finden ist. Diese Form der Impfung wurde ebenfalls in die Haut und insgesamt dreimal verabreicht. Auch in diesen Studien konnte die Sicherheit in Form geringer Nebenwirkungen bestätigt und eine bezogen auf das Glioblastom verbesserte Überlebenszeit beobachtet werden.

c) Peptidvakzine
Neben der Verwendung von Dcs als professionelle Antigen-präsentierende Zellen wurde in einigen Studien ausgewählte Peptide direkt zur Impfung in Kombination mit verschiedenen Immunstimulanzien verwendet. Während in einer Studie wiederum das Glioblastom-spezifische Peptid  EGFRvIII verwendet wurde, wurden in zwei weiteren Studien mehrere Peptide im Rahmen eines personalisierten Ansatzes verwendet. Hierzu wurde zunächst ein Set aus 25 bzw. 14 Peptiden definiert, für die zuvor eine Überexpression* und Tumorspezifität im Glioblastom nachgewiesen worden war. Die endgültige Auswahl von insgesamt vier Impfpeptiden erfolgte basierend auf vorbestehenden Immunantworten gegen die Zielstrukturen in den jeweiligen Patienten. Auch hier konnten in allen drei Studien die Sicherheit der Therapie bestätigt und verlängerte Überlebenszeiten  beobachtet werden, was eine weiterführende Testung dieser Ansätze nahelegt. Darüber hinaus wurde in der Studie, in der alleinig das EGFRvIII-spezifische Peptid verwendet wurde, eine ganz wesentliche Beobachtung gemacht: In den Rezidivtumoren fast aller so behandelter Patienten war EGFRvIII nicht mehr nachweisbar, obwohl diese spezifische Variante zuvor quasi homogen im Primärtumor zu finden war.
        * Überexpression: stark erhöhte Ausprägung eines Genes in einer Zelle

Fazit und Ausblick in die Praxis
nach den oben geschilderten vielversprechenden Studienergebnissen der letzten Jahre und dem wachsenden grundlagenwissenschaftlichen Verständnis rücken immuntherapeutische Ansätze zur Behandlung der bis heute als therapiefraktär geltenden malignen Gliome wieder in den wissenschaftlichen Fokus. Bevor sie allerdings den Weg in den klinischen Alltag finden, ist zunächst eine Wirksamkeitstestung im Rahmen multizentrischer Phase-III-Studien erforderlich.“
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:55:05 von KaSy »
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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #7 am: 08. Dezember 2015, 22:42:12 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24. Oktober 2015 in Düsseldorf

7. Therapie epileptischer Anfälle bei Hirntumoren
Prof. Dr. med. Jörg Wellmer

Ruhr-Epileptologie
Knappschaftskrankenhaus Bochum
In der Schornau 23-25
44892 Bochum

Hirntumoren können oft die Ursache für epileptische Anfälle sein.
Ein erster epileptischer Anfall kann oft ein Auslöser für die Suche nach einem Hirntumor sein.
Die Anti-Hirntumor-Therapie kann anti-epileptisch wirken.

Wie sehen epileptische Anfälle aus?
Außer einem Grand-mal, der mit Bewusstseinsverlust einhergeht, länger als nur wenige Minuten dauert und als lebensgefährlicher Zustand in die Hände eines Notfallmediziners gehört, gibt es zahlreiche andere Anfallsarten:
Diese sind z.T. von der Lage des Hirntumors abhängig.
Prof. Dr. Wellmer demonstrierte selbst einige Anfallsarten:
- einfach-partieller motorischer Anfall (z.B. nur die rechte Hand und die rechte Gesichtshälfte sind betroffen)
- einfach-partieller aphasischer Anfall (z.B ein Wort fehlt, es kann auch nicht umschrieben werden)
- Schläfenlappenanfall (Innehalten, keine Reaktion für einige Sekunden bis wenige Minuten, nichts Mitbekommen von der Außenwelt)

Die Folgen einer Epilepsie sind für den Patienten sowie für die Angehörigen gravierend:
- keine Kraftfahrzeug-Eignung
- möglicherweise Berufsverlust
- ständiges Leben mit der Möglichkeit des plötzlichen Kontrollverlustes
- erhöhte Verletzungsgefahr

Mit dem Hirntumor und der Epilepsie haben der Patient und die Angehörigen zwei große Probleme.

Antiepileptika
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von etwa 22 Medikamenten, diese Anzahl wird in etwa so bleiben.
Welches das richtige Mittel ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es sind etwa 20 Bedingungen, die der Arzt abwägen sollte, um das richtige Mittel zu finden, u.a.:
- Wirksamkeit
- Nebenwirkungen
- Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
- Einnahmeart
- Schnelligkeit der Wirkung bei Beginn der langsamen Steigerung („Einschleichen“)
- Schnelligkeit der Wirkung im Akutfall
- …
Die anti-epileptische Medikation ist immer eine individuelle Therapiekonstellation.

Meist ist Levetiracetam (Keppra) das Mittel des ersten Versuchs, gefolgt von Valproat, usw.

Möglicherweise könnte es irgendwann Chemotherapeutika geben, die anfallsreduzierend wirken, das ist aber überhaupt noch nicht aktuell.

Cortison wirkt zeitweise anfallsreduzierend, aber nur, weil es die Ödeme verringert, die sich um den Tumor bilden und die Anfallsregionen berühren.

Sind die epileptogene Zone und der Tumor deckungsgleich? 
Leider trifft dies nicht immer zu. Es gibt die folgenden Möglichkeiten:
- Ein kleiner Teil der epileptogenen Zone befindet sich im Tumor.
- Der Tumor und die epileptogene Zone sind deckungsgleich.
- Die epileptogene Zone ist woanders.
Deswegen führen Neurochirurgische Hirntumor-Operationen nicht unbedingt zur Anfallsfreiheit.
Der Epileptologe kann mitunter aus der Art des Anfalls erkennen, wo im Hirn die Anfallsursache ist.

Schlussfolgerungen
1. Wenn eine Hirntumor-Operation bei einer vorliegenden Epilepsie vorgesehen ist, sollte der Epileptologe unbedingt mitplanen.
2. Epilepsien können medikamentös behandelt werden.
3. Falls beides nicht ausreichend wirkt, ist eine Epilepsie-Operation möglich.

Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

Wenn jemand einen Hirntumor hat, aber keinen Anfall, so ist kein antiepileptisches Medikament zu geben!

Wenn nach einem Anfall eine Hirntumor-Operation erfolgte, kann dann die Narbe Anfallsauslöser sein? Sollen die Medikamente weiter genommen werden oder nicht?
Das kann nur individuell mit dem Arzt abgeklärt werden.

Patienten mit einer Psychose werden nicht primär mit Keppra behandelt, da es eine psychose-steigernde Wirkung haben kann.

Ein Epileptiker mit einer Depression kann gleichzeitig mit Antiepileptika und Antidepressiva behandelt werden, da beide Arten meist kombinierbar sind.

Langzeitschäden durch Antiepileptika gibt es nicht. Erhöhte Gamma-GT-Werte der Leber bedeuten nur, dass das Medikament abgebaut wird. Hier sind Werte von bis zu 100 U/l (Einheiten pro Liter) unbedenklich, bei Werten von über 400 sieht es anders aus.

Wenn das Blutbild während der Einnahme von Antiepileptika schlechter wird, es dem Patienten aber gut geht, gibt es keinen Anlass, ein Medikament zu reduzieren oder wegzulassen.

Wenn die im Beipackzettel angegebene Höchstdosis weit überschritten wird, ist das kein Grund zur Besorgnis. Der Arzt darf diese Dosis so lange steigern, wie es vom Patienten vertragen wird und wirksam ist. (Er verglich es mit einem Kochrezept, dessen Gewürzangaben man ja auch nach Geschmack so lange verändert, wie es noch schmeckt.)


In den Tagungsunterlagen befindet sich ein Auszug aus den Internetseiten der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.  www.hirntumorhilfe.de zu folgendem Thema:
Epileptische Anfälle bei Hirntumorpatienten
zu den Unterthemen: fokale Anfälle, einfach-fokale Anfälle, komplex-fokale Anfälle, Status komplex-fokaler Anfälle, sekundärer generalisierter Anfall, Grand-mal-Status sowie:

Verhalten als Augenzeuge bei einem epileptischen Anfall
- Ruhe bewahren und auf die Uhr schauen, um die Anfallsdauer zu bestimmen
- falls sich ein Anfall ankündigt, dem Patienten helfen, z.B. beim Hinlegen auf ein Sofa oder auf den Boden
- gefährliche Gegenstände aus der unmittelbaren Umgebung entfernen
- Betroffenen möglichst aus einer Gefahrenzone, z.B. Fahrbahn, Treppe, o.ä. entfernen
- den Betroffenen nicht mit Gewalt festhalten!
- möglichst rasch stabile Seitenlage herbeiführen
- weiche Gegenstände unter den Kopf oder sich heftig bewegende Extremitäten schieben
- Kleidung lockern (Hemdkragen, Krawatte)
- Unterkiefer nach vorne ziehen und durch Kopfseitenlagerung für Abfluss von Speichel / Blut aus dem Mund sorgen (nach der Verkrampfungsphase kann es    durch Erschlaffung der Muskulatur des Zungengrundes, der dann nach hinten fällt, zum Ersticken kommen) 
- Notfalldienst rufen, wenn der Anfall länger als üblich dauert oder wenn sich ein Anfall an den anderen anschließt
- so lange beim Betroffenen bleiben, bis der Anfall vorüber ist und Klarheit besteht, wie er weiter versorgt wird“
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:55:28 von KaSy »
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Re:Berichte vom 37. HT-Info-Tag am 24.Oktober 2015 in Düsseldorf
« Antwort #8 am: 08. Januar 2016, 22:04:36 »
37. Hirntumor-Informationstag am 24. Oktober 2015 in Düsseldorf

8. Möglichkeiten der Chemotherapie

Priv.-Doz. Dr. med. Marcus Czabanka
Klinik für Neurochirurgie mit Arbeitsbereich Pädiatrische Neurochirurgie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin


Vorbemerkungen:

Die Chemotherapie soll die Zellteilung im Tumor reduzieren, um den Tumor kontrollieren zu können.
Das Ziel der Chemotherapie ist nicht die Entfernung des Tumors!
Chemotherapeutika, die zur Kontrolle von Glioblastomen eingesetzt werden, werden nach den biologischen / genetischen Voraussetzungen des Patienten ausgewählt, individuell zugeordnet oder sogar speziell hergestellt.


Biologische / genetische Voraussetzungen:

- MGMT (6-Hydroxy-Methyl-Guanin-Methyltransferase) ist ein Enzym, das die von einer Therapie hervorgerufenen Schäden repariert. Wenn es bei dem Patienten vorhanden ist, so wirkt es der Chemotherapie entgegen, die Tumorzellen sind also gegen die Chemotherapeutika resistent. Eine Chemotherapie würde schlechtere Aussichten auf Erfolg haben. In diesem Fall wirkt die Strahlentherapie besser allein.
Sollte aber nachgewiesen werden können, dass das Reparaturenzym MGMT nicht vorhanden ist, dann kann man davon ausgehen, dass die chemotherapeutisch behandelten Tumorzellen nicht repariert werden und die Chemotherapie besser wirkt.
(Der Begriff „methyliert“ wird für den Fall verwendet, dass das MGMT fehlt.)

- IDH1/2-Mutation  Wenn diese „Isocitratdehydrogenase“-Gen-Mutationen in den Tumorgenen vorhanden sind, kann man davon ausgehen, dass die Chemotherapie besser wirkt.

- 1p/19q-Mutation  Das bedeutet, dass auf den DNS-Strängen der Tumorzellen gleichzeitig die Allele auf den Chromosomen 1 und 19 fehlen. Wenn diese Mutation festgestellt werden kann, kann man davon ausgehen, dass die Chemotherapie besser wirkt.


Eine Analyse der Tumorzellen ist also nach der Operation des Tumors erforderlich, um die genetischen Marker festzustellen. Davon ausgehend wird die weitere Therapie so festgelegt, dass sie bestmöglich wirkt, ohne den Patienten unnötig mit Nebenwirkungen der Chemo- und/oder der Strahlentherapie zu belasten. Dabei spielt die Einstufung der Hirntumoren in die Grade I bis IV keine Rolle mehr. Es werden individuell angepasste verschiedene Varianten der nach der Operation folgenden Behandlung mit Chemotherapie (relativ hochdosiertes Temodal) und/oder Strahlentherapie festgelegt.
Für die Bestrahlung müssen die Patienten ein Zentrum der Strahlentherapie aufsuchen. In Abhängigkeit vom Gesundheitszustand muss das nicht unbedingt stationär, sondern kann auch täglich ambulant erfolgen.
Die Chemotherapie kann zu Hause durchgeführt werden. Der Patentschutz für Temodal läuft aus, so dass Generika (wirkstoffgleiche Medikamente) produziert werden dürfen, die für die Krankenkassen preiswerter sind.


Chemotherapie in der Primärsituation:

Mit PCV werden die drei Substanzen Procarbazin, Lomustin und Vincristin  bezeichnet, die jede  toxische Wirkungen haben. Demzufolge haben sie auch mehr belastende Nebenwirkungen, wodurch die Häufigkeit der Therapieabbrüche steigt bzw. man die Dosis anpassen muss. Es ist eine von den Patienten schwer zu tolerierende Chemotherapie.

Weihrauch / Boswellia serrata H 15 hat eine gewisse tumorhemmende Wirkung. Auf jeden Fall reduziert es die Ödeme, die sich infolge der Therapien um den Tumor herum bilden. Allerdings ist es sehr teuer. Man muss mit einer monatlichen Zuzahlung von etwa 100 Euro rechnen. Man muss es in einer hohen Dosierung anwenden. Hinzu kommt der gewöhnungsbedürftige Geschmack, den es verursacht.


Chemotherapie in der Rezidiv-Situation:

Bei Rezidiven ist die Therapie schwierig, da viele problematische Möglichkeiten zusammenkommen können.
Die Voraussetzung ist stets eine Operation.

BCNU  (Bis-Chlorethyl-NitrosoUrea)
Es wird während der Operation in den Tumor eingesetzt (als „wafer“ implantiert) und gibt das Medikament über längere Zeit direkt an den Tumor ab. Von Vorteil ist, dass das Medikament nicht in den Blutkreislauf gelangt. Ein Risiko besteht darin, dass sich die Wundheilung verzögert. Ein weiteres Risiko ist, dass eine Schwellung im Hirn entstehen kann, die zu einer klinischen Verschlechterung des Zustandes des Patienten führt. Der Einsatz dieser Methode bleibt fraglich, da die Vorteile eher gering sind.

Temodal = Temozolomid kann in der Rezidivtherapie in einer relativ geringen Dosis, kombiniert mit einem Schmerzmittel, täglich eingenommen werden. Es ist wenig toxisch. Bei einer „relativen Tumorfreiheit“ kann ein relativ langes Überleben erreicht werden.
In einer etwas höheren Dosis (jedoch geringer als bei der Anwendung in der Primärtherapie) kann Temodal in Zyklen nach Schemata genommen werden, die an die Situation angepasst werden.

Avastin = Bevacizumab hat eine relativ gute Wirkung. Es ist derzeit das beste Rezidiv-Medikament. Es wird in Form von Infusionen alle 14 Tage gegeben. Es hat eine hohe Toxizität! Dadurch gibt es häufige Komplikationen wie Darmdurchbrüche, Wundheilungsstörungen, Lungenembolien und viele weitere schädliche Nebenwirkungen.

PCV wird auch in der Rezidivtherapie angewendet.

Valproat wird in der Rezidivtherapie dann genutzt, wenn eine Epilepsie vorliegt. Es wirkt auch etwas tumorhemmend. Wichtig ist, dass es als Epilepsiemedikament den Temodal-Spiegel nicht beeinflusst. Als alleiniges Chemotherapeutikum ist es weniger geeignet, da die Dosierung für diesen Zweck unklar ist. Es führt zu einer Gewichtszunahme.


Zusammenfassung:

Durch die Bestimmung individueller biologischer / genetischer Marker wird die bessere Wirksamkeit und Verträglichkeit der Chemotherapie ermöglicht. Es geht dabei nicht um neue Substanzen.


* siehe auch meinen Bericht über den Vortrag von Prof. Dr. med. Michael Platten auf dem 34. Hirntumorinformationstag:
http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,9267.msg649270.html#msg649270
 

Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:

- Der MGMT-Status kann auch nachträglich aus der Gewebeprobe des Tumors bestimmt werden.

- Ändern kann sich der MGMT-Status im Laufe der Therapie möglicherweise, Nachweise dafür gibt es derzeit nicht.

- Avastin wird vielfach gut vertragen, aber wenn es Nebenwirkungen gibt, dann sind es sehr schwere Nebenwirkungen.

- Wenn Weihrauch genommen wird, ist es als Dauertherapie erforderlich. Es fördert die Ödemreduktion. Es verringert die Notwendigkeit, Cortison mit dessen Nebenwirkungen zu nehmen. Auf den Tumor wirkt es jedoch eher nicht.

- Überlebenszeiten kann man nicht nennen! Die Anzahl der Monate oder Jahre sind von zu vielen akuten und künftigen Einflüssen abhängig.


In den Tagungsunterlagen ist ein Auszug aus der Zeitschrift der Deutschen Hirntumorhilfe e.V.  „Brainstorm“ mit dem Titel „Warum Chemotherapie“ enthalten.
« Letzte Änderung: 29. September 2019, 01:56:13 von KaSy »
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Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

 



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