Hallo zusammen,
bei meinem Vater (69) wurde ein anaplastisches Astrozytom III diagnostiziert.
Am 10. Mai 2005 bemerkt meine Mutter plötzlich, daß mein Vater ihr keine Antwort mehr gibt und auch sonst nicht reagiert. Mit einem angeblichen Schlaganfall wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Er bekommt eine Infusion (Lyse), auf die er mit einem epileptischen Anfall reagiert. Am nächsten Tag wird bei CCT eine Einblutung festgestellt. Da der Infarkt eine atypische Lage hat und zur genauen Abklärung der Einblutung soll in 4 Wochen ein MRT mit Kontrastmittel durchgeführt werden. Kein Arzt kann uns sagen, was der Auslöser des Schlaganfalls war: mein Vater raucht nicht, hat keinen hohen Blutdruck, keine erhöhten Cholesterinwerte, hat viel Bewegung an der frischen Luft (Hobbygärtner!)
Mein Vater spricht allmählich wieder, es stellen sich jedoch beträchtliche Gedächtnislücken heraus.
Mit der Medikation Aggrenox, Simvastatin, Blopress und Tegretal wird er entlassen.
Auf der anschließenden Reha bessert sich das Gedächtis meines Vaters wieder. Kurz vor seiner geplanten Entlassung hat er am 25.Juni wieder einen Anfall: er setzt sich hin und spricht und reagiert nicht mehr. Glücklicherweise ist meine Mutter anwesend und verständigt sofort einen Arzt. Mein Vater bekommt eine Infusion (laut Arzt wie bei einem erneuten Schlaganfall). Nach einem Blick in die Krankenakte sind sich die Ärzte nicht sicher, ob es sich um einen zweiten Schlaganfall oder um einen Gehirntumor handelt. Und das ist der Moment, wo meine Mutter zum ersten Mal mit der Tatsache konfrontiert wird, daß es sich um einen Gehirntumor handeln könnte! Schon in der Nacht wird mein Vater unruhig, im weiteren redet er irgendwelche Wörter, etwas später imerhin verständliche, aber unzusammenhängende Wörter, er rutscht schließlich auf den Knien sein Zimmer ab und versucht alles zu putzen!
Als er sich beruhigt hat, wird ein MRT mit Kontrastmittel angefertigt: es werden mehrere „Raumforderungen“ festgestellt, daher wird mein Vater sofort zurück ins Krankenhaus verlegt. Erst im Laufe einer Woche bessert sich sein Sprachvermögen und sein Gedächtnis wieder. Meine Mutter „wohnt“ während dieser Zeit bei meinem Vater im Krankenhaus (auf Grund des Ärztestreiks waren Betten frei!). Hier äußert eine Ärztin zu ersten Mal, daß der Schlaganfall evtl, gar kein Schlaganfall war, sondern daß sich der Tumor bemerkbar gemacht hat. Der Termin für eine Gewebentnahme verzögert sich auf Grund des Ärztestreiks auf den 03.07.2006. 4 Tage nach dem Eingriff wird mein Vater endlich nach Hause entlassen. Für die Besprechung des Ergebnisses (der Befund lautete bereits am 07.07.2006 auf AAIII!) bekommt mein Vater einen Termin am 17.07.2006 (es ist noch immer Ärztestreik).
Über unseren Hausarzt kommen wir schon früher an den Befund (3 betroffene Stellen, nicht zu operieren) und erkundigen uns nach geeigneten Behandlungsmöglichkeiten. Als meine Mutter am 17.07.2006 die Anfrage von der Klinik erhält, ob der Termin nicht vielleicht verschoben werden kann (es ist ja noch immer Ärztestreik!) stehen für uns schon der Onkologe und das Strahleninstitut fest, die die weitere Behandlung durchführen werden. Wir wollen nicht, daß mein Vater Stunden seiner noch verbleibenden Zeit mit Warten auf die Bestrahlung verbringt. Meine Mutter (sie hat mittlerweile die Betreuung für meinen Vater) und ich nehmen den Termin trotzdem war. Nachdem wir fast eine Stunde von einer Anmeldung zur andern geschickt werden und endlich die dritte Akte für meinen Vater angelegt worden ist, bekommt der Arzt erst mal unseren Unmut über die Klinik zu hören. Der Arzt empfielt uns dann von sich aus, die Behandlung nicht in der Klinik sondern außerhalb durchzuführen!!
Mittlerweile hat mein Vater eine Bestrahlungsserie von 30 Bestrahlungen mit gleichzeitiger Gabe von Temodal 100 hinter sich. Die gleichzeitige Gabe eines Mittels gegen das Erbrechen muß sich meine Mutter allerdings durch die Androhung, den Onkologen zu wechseln, erkämpfen. Am 01.09.2006 hat mein Vater wieder einen Anfall: er setzt sich auf eine Bank und ist nicht ansprechbar. Nach ca 20 Minuten redet er wieder, zuerst unverständlich, dann deutlicher. Der Notarzt sieht wenig Sinn darin, meinen Vater ins Krankenhaus einzuweisen: er habe zu Hause die bessere Fürsorge. Also erhält mein Vater nur eine erhöhte Dosis Cortison.
Mein Vater nimmt noch immer die Medikamente, wie sie vom Krankenhaus festgelegt worden sind:
Simvahexal 20mg (0-0-1-0), Blopress 4mg (1-0-0-0), Tegretal 200mg (1-0-2-0), Haldol Janssen 5mg (1-1-1-1), Eunerpan 50mg (1-1-1-1), dazu Cortison. Keiner der Ärzte traut sich, an der Medikation der Klinik etwas zu ändern. Mein Vater hat jedoch nur noch Stuhlgang, wenn meine Mutter ihm Abführmittel gibt und zusätzlich einen Einlauf!! Durch die Medikamente ist er ständig müde und reagiert sehr langsam. Er redet immer weniger, je weniger er redet, desto undeutlicher wird es. An so manchen Sachen, die man zu ihm sagt, kann man aber erkennen, daß er klar denkt.
Ist es „normal“ bei einem AA III so mit Medikamenten vollgestopft zu werden? Warum Medikamente gegen Bluthochdruck und Cholesterin, wenn die Werte angeblich in Ordnung sind? Was nehmen denn andere Betroffene, um „das Gehirn ruhig zu stellen“? Oder hat das gar keinen Sinn dieses ganze Zeug zu nehmen, weil ein Anfall so oder so kommt?
Hat jemand eine Idee, wie wir die Verdauung meines Vaters in den Griff kriegen können? Joghurt und Vollkornsemmeln mag er nicht (hier schafft er es, seine Abneigung sehr klar zum Ausdruck zu bringen). Wir möchten schließlich nicht, daß er wegen dieses Problems wieder ins Krankenhaus muß.
Wie kann ich meiner Mutter beibringen, meinen Vater nicht wie ein kleines Kind zu behandeln? Sie meint es nur gut und wahrscheinlich merkt sie gar nicht, daß sie, wenn sie mit meinem Vater spricht, diesen Unterton in der Stimme hat, so wie wenn man mit einem Kind redet. Sie ist selbst mit den Nerven fertig und stellt immer wieder die Frage: Warum?
Ich erwarte nicht, auf meine Fragen Antworten zu bekommen, aber es tut bestimmt ganz gut, sich mit jemandem, der auch betroffen ist, unterhalten zu können.
Vielleicht ermuntert mein Bericht auch irgendjemanden, für die Kleinigkeiten weiter zukämpfen. Wenn es nur das Mittel gegen das Erbrechen ist oder die Wahl eines Strahleninstituts, wo der Patient nicht nur ein brauner Aktendeckel ist, sondern noch einen Namen hat....