Liebe Tumorkollegen,
ich will hier mal einen positiven Bericht über die Behandlung meines Facialisneurinoms liefern. Zum Einen soll das ein wenig Mut machen, aber vor Allem habe ich einen noch nicht ganz selbstverständlichen Weg gewählt.
Tumor: ein Neurinom am N.Facialis, der aus einem 18mm (ca. 3 ml) großen kugeligen "Kopf" und einem ca. 25 mm langen 5mm dünnen (ca. 0,5 ml) "Schwanz" besteht. Zuerst wurde vermutet, dass es zwei Tumore sind, aber es ist jetzt klar, dass es einer war.
Die Ausdehnung des Tumors machte eine chirurgische Entfernung in einer einzigen OP unmöglich. Es wäre also zuerst eine relativ einfache Entfernung des "Kopfes" und ein paar Monate später eine wesentlich schwierigere Entfernung des "Schwanzes" vorstellbar gewesen. Besondes bei der 2. OP hätte ich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgen zurück behalten, also v.a. Gesichtslähmungen und trockenes Auge, evtl. Hör- und Gleichgewichtsprobleme. Und ein Spass ist eine Schädel-OP ja auch nicht gerade.
Für die alleinige Behandlung mit dem Cyberknife (oder dem Gammaknife) war das Volumen schon recht groß und v.a. die Lage ungünstig (s. mein Post vom 31.3.10).
Ich habe mich deshalb für eine Kombination der 1.OP (die mit geringeren Risiken) entschieden, im Zuge welcher die Cyberknife-Behandlung chirurgisch bereits vorbereitet wurde. Letztere ersetzte die 2. OP. Das war besonders günstig, da ja 80% des Tumorvolumens risikoarm entfernt werden konnten, und die übrigen, komplizierten Strukturen nur noch klein und darum gut bestrahlbar waren. Ich denke aber, dass man ähnlich bei vielen von euch auch vorgehen könnte. Erstmal das Volumen klein operieren und dann die gefährlichen Reste bestrahlen.
Meine OP führte Prof. Tonn im Mai 2010 persönlich durch. Dafür musste ich als Kassenpatient selber zahlen, aber es war's wert. Ich bin fest davon überzeugt, dass man die Risiken extrem stark reduziert, wenn man zu einem der Top-Ärzte auf dem Gebiet geht. Tonn ist einer davon und hat seinen Job unglaublich gut gemacht. Ich hatte außer einem schmerzhaften Bluterguss im Mittelohr nicht die Spur irgendwelcher Ausfälle. Vom ersten Tag an waren alle Nervenfunktionen 100%ig erhalten. Entgegen aller Prognosen stellte sich nach ca. 2 Wochen auch mein schon zeitweise eingeschränktes Hören wieder ein. Ich höre also jetzt besser als vor der OP, obwohl das angeblich nicht gehen soll.
Die Cyberknife-Behandlung musste noch den Wechsel meiner Krankenkasse abwarten. Die Techniker KK weigerte sich hier, hätte lieber 25.000 Euro für die Chirurgie als 7.500 Euro für das Cyberknife gezahlt. Nachdem die mich schon einmal haben hängen lassen, habe ich zur Deutschen BKK gewechselt, die problemlos das Cyberknife abrechnet.
Letzte Woche war es dann soweit. Die Behandlung war unangenehm, weil ich während der 75 min meinen Kopf auf seinem harten Untergrund natürlich nicht bewegen durfte. Dadurch entstand eine schmerzhafte Druckstelle, die mich fast zur Unterbrechung der Behandlung gebracht hätte. Man bekommt auch keine Infos über die verbleibende Zeit, damit man gegen Ende nicht zappelig wird. Aber ihr seht schon, wenn ich mich über solchen Kleinkram auslasse, ist's gut gelaufen. Ich war zwei Tage lang benommen, ähnlich wie angetrunken, nur nicht so lustig. Die häufig auftretende Übelkeit mit Erbrechen hatte ich nicht eine Sekunde lang. Inzwischen ist alles wieder normal und es geht mir genauso wie vor der Bestrahlung.
Es bleiben noch zwei ungekläre Punkte. Zunächst scheint es wohl so zu sein, dass der inaktive Tumor innerhalb von ca. 6 Monaten vorübergehend schwellen kann. Dann könnten Symptome auftreten, die aber ziemlich sicher wieder verschwinden. Zum Zweiten ist nicht sichtbar, ob die Bestrahlung gewirkt hat. Sollten Tumorzellen überlebt haben, würde der Tumor irgendwann wieder wachsen. Das wäre gar nicht schön, da bestrahltes Gewebe scheinbar schlecht operierbar ist und auch eine zweite Bestrahlung zu großen Schäden führen würde. Wenn da also wieder etwas zu wachsen beginnt, werde ich sicherlich nicht mehr so ungeschoren davon kommen wie diesmal.
Insgesamt will ich hier also die Kombination von OP und Bestrahlung als Möglichkeit für manche von euch empfehlen. Erkundigt euch bei euren Ärzten, ob das Sinn macht und lest ggfs. darüber nach. Es lohnt sich und hat mir vermutlich den Erhalt eines normalen Lebens ermöglicht.
Liebe Grüße an euch alle,
Andreas