Liebe Lucie,
ich kann Dich und Deine verschiedenen Gedankenrichtungen gut verstehen.
Zu dem möglichen Umgang mit Deinen Kindern wurde hier schon einiges geschrieben - also nur kurz noch etwas dazu von mir: Bei meiner ersten HT-OP waren meine Kinder 10, 12, 14 und sie haben mir allein durch ihre Existenz das Leben gerettet, da ich vor der OP eine enorme Angst hatte, nicht oder völlig verändert aufzuwachen.
... meine Familie will zwar das beste für mich, steht aber nicht so dahinter, dass ich zur INI will. Denn wenn ich nicht damit einverstanden wäre, dass eine weitere OP vielleicht notwendig wäre, müßte ich ja gar nicht erst hingehen.
... weil alle denken, dass ich es schaffe, alle aber die Augen davor verschließen, dass ein HT nunmal kein Schnupfen ist. Einfach gehen, niemanden zur Last fallen. Irgendwie bin ich hier die Stärkste, muß alle noch mit aufrecht halten, habe aber selbst furchtbar Angst.
Die Gefühle im Umgang mit der Familie sind mir durchaus auch nicht fremd. Ich glaube auch oft, in Bezug auf den HT die Stärkste zu sein, aber das hat ganz einfach damit zu tun, dass es für Angehörige verdammt schwer ist, sich in einen Menschen mit einer solchen Diagnose hineinzufühlen, erst recht, wenn dieser bereits Erfahrungen mit diesbezüglichen Therapien hat.
Da hast Du Deiner Familie tatsächlich einiges voraus. Sie wollen Dir helfen, sind dabei aber auf Deine Gedanken und Vorstellungen angewiesen. Wahrscheinlich hast Du Dich irgendwann zweifelnd über eine weitere OP bzw. deren Erfolg geäußert und daran halten sich Deine Verwandten nun fest. Du hast jedoch bereits viele weitere Überlegungen angestellt - und bist ihnen wieder ein Stück voraus.
So entsteht bei Deiner Familie das Gefühl, dass Du stärker bist. Weil Du genauer Bescheid weißt und auf ihre Ratschläge bereits durchdachte Antworten parat hast.
Wie viele Abwägungen Deinerseits dem vorausgingen, können sie nicht wissen. Deine vielen Zweifel, Ängste um so vieles - das bekommen sie vielleicht gar nicht so mit, weil Du es sie evtl. nicht spüren lassen willst.
Vielleicht - und das kann ich sehr gut nachvollziehen - möchtest Du sie Deine Schwäche nicht spüren lassen, weinst Deine Tränen allein, gibst Dich nach außen möglichst normal. Normal sein im Umgang mit einer HT-Diagnose, natürlich ist das stark. Es ist aber auch stark und wichtig für Dich, Deinen Zweifeln und Ängsten Worte zu geben, den Menschen gegenüber, die Du Dir auswählst. Da ich das kaum kann, glaube ich, dass es Dir auch so gehen könnte.
Wenn ich irgendwie versuche, mich in meine Familienangehörigen hineinzuversetzen und mir vorstelle, da würde ihre HT-kranke Tochter/Schwester/Mutter "einfach so" weggehen, ich würde mir erstens enorme Sorgen, zweitens jede Menge Vorwürfe machen und drittens Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um diese Frau zurückzuholen. Ich würde ab nun alles für sie tun, ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, sie vor lauter Angst nicht mehr allein lassen - alles, um dieser Person, um die ich mir auch vorher schon solche Sorgen gemacht habe, zu helfen und wenn ich mich selbst dafür in meinem Leben einschränken müsste.
Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Ich war nie in einer solchen Angehörigen-Lage. Aber davor würde ich mich fürchten ... davor, plötzlich als so krank angesehen zu werden, dass ich zur Mitleidsperson werde.
Es ist überhaupt keine leichte Entscheidung, hier den "richtigen" Weg zu gehen, überhaupt einen Weg zu finden.
Ich weiß auch nicht, ob meine Überlegungen, die ich erst nach langem Hin- und Herdenken nach und nach schreiben konnte, mir selbst helfen würden.
Und erst recht nicht, wie Du sie auffassen könntest.
Ich habe auch gar nicht diese Vorstellung davon, dass ich wirklich nicht mehr leben, sondern nur noch leiden könnte und anderen zur Last fallen würde.
Ich will diese Gedanken in ihrer Konsequenz nicht zulassen.
Ob das falsch ist?
Vielleicht kann das aber sogar eine "brauchbare Strategie" sein ... ?
Ich wünsche Dir die Kraft, den richtigen Weg zu finden!!
Deine KaSy