HirnTumor-Forum

Autor Thema: Wenn der Alltag zum Alptraum wird...Vorstellung cujo (Betroffener)  (Gelesen 10712 mal)

Offline cujo

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Hallo liebe/s User/Forum!

Kurz zu meiner Person, bin 25 Jahre alt männlich und Student.

Vor 5 Jahren (2007) wurde bei mir wegen Prüfungsangst eine MRT hinsichtlich der Hirnströme gemacht.
Was dabei rauskam war eine undefinierbare Raumforderung was sich, so meine ich zumindest inzwischen auf "Verdacht auf ein niedriggradiges Gliom, interthalamische Raumforderung 3.Ventrikel" geändert hat.

Nachdem mir von den Ärzten einschl. meiner Hausärztin (die ich für sehr kompetent halte!) mitgeteilt wurde, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, es sei wahrscheinlich nur ein Zyste die irgendwannmal austrocknet oder im schlimmsten Falle "nur" ein gutartiger Tumor, aber man wüsste es nicht genau, machte ich mir wirklich 5 Jahre lang keine ernsthaften Gedanken mehr darüber.
Vorallem nachdem mir gesagt wurde, dass manchmal "irgendwas" auf solchen Aufnahmen "gefunden" wird was aber garnix ist, waren sämtliche Ansätze negativer Gedanken hinfort.
Mir war klar da ist was,wenn überhaupt, aber nix böses, also kann ich damit leben, so wie jede/r andere auch.
Genau dieser Umstand hat sich jetzt richtig krass geändert und ist ins komplette Gegenteil umgeschlagen.

Wieso auch immer ist mir der Gedanke vor ein paar Tagen gekommen(weil ich mir in letzter Zeit öfters über Krebs Gedanken mache, da ich ziemlich viel Pech habe was das Thema Gesundheit angeht), dass doch ein gutartiger Tumor zu einem bösartigen Tumor entarten kann.
All die Jahre dachte ich gutartig heisst es ist und bleibt gutartig und stellt keinerlei Gefahr dar ausser der Gefahr auf andere Gehirnareale zu drücken und ließ mich wohl von dem wort "gut" in die beruhigte Irre führen..

Wie jede/r andere bediente ich das Internet und mir blieb fast das Herz stehen...nachdem ich mich jetzt in das Thema eingelsen habe und hier im Forum einiges über das Thema gelesen habe sind meine Alltagsgedanken fast nurnoch (90%) von diesem Thema bestimmt.

Für mich persönlich erscheint es aufeinmal wie ein vorzeitiges Todesurteil, ich meine, obwohl ich absolut keinerlei Symptomatik aufweise (Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen) oder gar einen festen Befund hinsichtlich eines Tumors habe, aber jedoch weiß dass dieses "Teil" vor 2 jahren von 9 auf 11 mm gewachsen ist, prägen mich nurnoch diese Gedanken.
Inzwischen spiele ich ernsthaft mit dem Gedanken mich "unters Messer zu legen" , obwohl die Lage sehr ungünstig ist und bis auf diese einmalige 2 mm Zunahme keine Kontrastmittelaufnahme oder Größenzunahme erfolgt ist, also keine Indikation für eine OP besteht, außer der Psychischen Last.
Es macht mich aufeinmal so fertig, dass da etwas ist und keiner mir sagen kann was genau das ist und ob es meine Lebenserwartung (drastisch) verkürzen könnte.

Wie geht man mit dem Gedanken um, sehr wahrscheinlich eine tickende Zeitbombe im Kopf zu haben von der man  nicht weiß wie lange man sie schon hat und wann sie "explodiert"?
Die Ärzte versuchen meiner Meinung nach solche Umstände oder Gedanken zu relativieren oder verhamlosen, weil sie nicht direkt davon betroffen sind, oder sonst nix für einen tun können.

Daher meine Frage an euch: wie geht ihr damit um, oder kennt ihr Betroffene? Was sind eure Tipps bzw Ratschläge?


Vielen Dank im Voraus für eure Antworten
« Letzte Änderung: 06. Februar 2012, 07:40:31 von fips2 »

Offline TinaF

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Re:Wenn der Alltag zum Alptraum wird...
« Antwort #1 am: 29. Januar 2012, 10:17:07 »
Hallo cujo,

herzlich willkommen bei uns im Forum. Ich hoffe, dass Du hier Antworten auf Deine Fragen bekommst und Dich gut aufgehoben fühlst.

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hast Du kein aktuelles MRT, oder? Woher und von wann stammt dieser
Zitat
"Verdacht auf ein niedriggradiges Gliom, interthalamische Raumforderung 3.Ventrikel"
?

Wenn Du kein aktuelles MRT hast, würde ich eines machen lassen und mir dazu die Meinungen von mindestens zwei Neurochirurgen einholen. Wenn Du aktuelle Aufnahmen hast, dann würde ich diese ebenfalls weiteren Neurochirurgen vorlegen. Lass Dir alle bisherigen Aufnahmen und Befunde aushändigen, zu den weiteren Gesprächen nimmt Du nur Kopien mit. Gehe auch nicht allein zu den Arztgesprächen, sondern nimm eine Person Deines Vertrauens mit. Das ist eine große Hilfe in einer solch belastenden Situation und außerdem hören vier Ohren mehr als zwei. Alle Fragen, die Dir durch den Kopf schwirren, solltest Du ab sofort aufschreiben und den Fragezettel natürlich auch zu den Gesprächen mitnehmen.

Ich kann verstehen, dass Du Angst hast und Deine Gedanken im Moment nur noch um diese "Zeitbombe" kreisen. Deshalb ist es so wichtig, dass Du erst mal abklären lässt, ob Du wirklich eine Zeitbombe in Deinem Kopf hast.

Alles Gute für Dich!

LG TinaF
Es passiert nichts umsonst, es hat alles seinen Sinn!

Offline KaSy

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Re:Wenn der Alltag zum Alptraum wird...
« Antwort #2 am: 29. Januar 2012, 13:59:04 »
Lieber cujo,

ich kann es gut verstehen, dass nach einer 5-jährigen Verdrängungsphase doch das hochkommt - und mit großer Macht - was da wirklich in Deinem Kopf ist.

Mich wundert aber, dass Du ausgerechnet nach dem Lesen in diesem Forum von einer "tickenden Zeitbombe", von "Todesurteil", von "Explosion" schreibst. Du bist ins Internet und in dieses Forum gegangen, um Deine plötzlich aufgekommenen Ängste zu bestätigen und nicht um sie zu beruhigen.  

Versuche doch einmal, unter diesen Aspekten zu lesen:
Wer hat schon lange einen oder mehere Hirntumore und lebt nicht nur immer noch, sondern lebt auch recht gut damit, arbeitet sogar selbstverständlich.
Was schreiben die Betroffenen über ihr Aufwachen und ihre Gefühle nach einer Hirntumoroperation?
Suche nicht nach den schlimmstmöglichen Erwartungen, sondern nach den guten Aussichten.

Dein Hirntumor war als gutartig eingestuft worden. Das bedeutet, dass er nicht in Blutgefäße eingewachsen ist, recht langsam an Größe zunimmt, keine Metastasen bildet, klar umgrenzt ist.
Ob die Stelle gut erreichbar ist, kann Dir NUR ein Neurochirurg sagen.
Dass auch ein gutartiger Hirntumor (HT) an Größe zunimmt, ist vielleicht neu für Dich. Das Problem im Gehirn ist für einen gutartigen HT der Platzmangel, der dort herrscht und die Wichtigkeit all dessen, was sich im Gehirn befindet. Er wächst bei Dir langsam und verdrängt zunächst das Gehirn. Dieses toleriert das eine Zeitlang, aber irgendwann ist Schluss. Dann werden die Funktionen beeinträchtigt, die vom HT weggeschoben werden. Das ist bei Dir noch nicht passiert. Aber irgendwann könnte es passieren.

Du bist kein Akutfall, was den HT betrifft, aber ein Akutfall, was Deine Ängste betrifft.

Also tu das, was TinaF Dir empfohlen hat:
1. aktuelles MRT als Vergleich zu denen von 2007 und 2009
2. zum Neurochirurg gehen und rundum beraten lassen, Zweitmeinung, falls die erste nicht reicht, Wissen anhäufen über den HT, mögliche Folgen des HT und der OP, weitere Therapienotwendigkeiten / -möglichkeiten, zeitliche Erfassung, was wie schnell geschehen kann/ sollte
3. Mit diesem Wissen Deine Ängste sortieren und unbedingt psychotherapeutische Betreuung suchen, bevor Dich die zur Zeit  übertriebene Angst handlungsunfähig macht

Geh bloß nicht davon aus, dass Dein Leben plötzlich mit einem Schlag zu Ende ist, dazu gibt es hier viel zu viele, die den Statistiken zum Trotz und dank der immer weiter entwickelten Möglichkeiten der HT-Therapien weiterleben!

Schau voraus, setze Deine Intelligenz ein, um dem Tumor zu trotzen und nicht, um ihm klein beizugeben! Du bist stärker!

Dein Glas ist halb voll! oder noch voller! Jedenfalls nicht schon halb leer.

KaSy
« Letzte Änderung: 29. Januar 2012, 20:12:58 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline krimi

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Re:Wenn der Alltag zum Alptraum wird...
« Antwort #3 am: 29. Januar 2012, 14:45:45 »
Hallo cujo,

du wurdest schon gut begrüßt und hier aufgenommen.
Dem möchte ich mich anschließen.

TinaF und KaSy haben dich auf’s Beste beraten und dir Tipps gegeben.

Mir ist da noch etwas in deinem Bericht aufgefallen. Du schreibst, dass vor 5 Jahren der Tumor diagnostiziert und als gutartig eingestuft wurde.
Dann schreibst du:
Zitat
... so meine ich zumindest inzwischen auf "Verdacht auf ein niedriggradiges Gliom, interthalamische Raumforderung 3.Ventrikel" geändert hat.
Ist das deine eigene Diagnose?

Weiter schreibst du:
 
Zitat
Für mich persönlich erscheint es aufeinmal wie ein vorzeitiges Todesurteil, ich meine, obwohl ich absolut keinerlei Symptomatik aufweise (Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen) oder gar einen festen Befund hinsichtlich eines Tumors habe, aber jedoch weiß dass dieses "Teil" vor 2 jahren von 9 auf 11 mm gewachsen ist, prägen mich nurnoch diese Gedanken. …. Für mich persönlich erscheint es aufeinmal wie ein vorzeitiges Todesurteil, ich meine, obwohl ich absolut keinerlei Symptomatik aufweise (Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen) oder gar einen festen Befund hinsichtlich eines Tumors habe, aber jedoch weiß dass dieses "Teil" vor 2 jahren von 9 auf 11 mm gewachsen ist, prägen mich nurnoch diese Gedanken.

Also doch keinen festen Befund hinsichtlich eines Tumores?

Auch schreibst du: 
Zitat
… machte ich mir wirklich 5 Jahre lang keine ernsthaften Gedanken mehr darüber.
Woher weißt du, dass vor 2 Jahren der Tumor um 2mm gewachsen ist und kein Kontrastmittel aufgenommen hat? Du erwähnst nicht, ob noch einmal ein neues MRT gemacht wurde.

cujo, stell keine eigenen Diagnosen auf die dich eher verängstigen und auch keine Bestätigung deines Verdachts liefern.  Für Diagnose sind die Ärzte zuständig.

Dem Rat von KaSy an dich kann ich mich nur anschließen:
Zitat
Suche nicht nach den schlimmstmöglichen Erwartungen, sondern nach den guten Aussichten.

Dazu gehört das erneute Aufsuchen eines Neurologen oder Neurochirurgen zwecks eines neuen MRTs.

Alles was ich hier schreibe ist lieb gemeinter Rat von mir und den anderen Schreibern.

Einen schönen Sonntag wünscht dir

krimi

Wer einen Platz im Herzen eines Menschen hat, ist nie allein.
______________

http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,6956.msg50233.html#msg50233

Offline cujo

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Re:Wenn der Alltag zum Alptraum wird...
« Antwort #4 am: 30. Januar 2012, 03:31:32 »
Vielen Dank für eure hilfreichen Antworten und der netten Begrüßung!

@ TinaF:

Doch ich habe eine aktuelle MRT Aufnahme. Jedes Jahr wird eine Aufnahme angefertigt und anschließend muss ich mit den Bildern in die Uni-Klinik (Neuro). Für meinen nächsten Termin in der Klinik, werde ich auf jedenfall das machen was du geschrieben hast -Danke!



@ KaSy:

Da muss ich dir vollkommen Recht geben, ich vermute es liegt in der Natur des Menschen, oder zumindest in meiner Natur, bei solchen Angelegenheiten das "worst case" Szenario in Gedanken durchzugehen bzw zu vermuten.
Meine Extreme Angst ist jetzt aufgetreten, da ich erfahren habe das gutartige HT in bösartige mutieren können sprich, anfangen könnten doch Metastasen zu bilden und das umliegende Gewebe zu infiltrieren.
Trotz der Angst sind deine Ratschläge sehr hilfreich und zeigen mir die ersten richtigen Ansätze - Danke!



@ Krimi

Nein, ich habe mich nicht selbst diagnostiziert.
Am Anfang (2007) wurde die erste von vier oder evtl fünf Aufnahmen (letzte Oktober 2011 - immer jährlich) gemacht.
Da wurde mir gesagt man hätte etwas gefunden, man könne allerdings nicht sagen was es sei.
Man hat mir was von Zysten erzählt die kleiner werden und austrocknen, oder das bei MRT Aufnahmen manchmal "Funde" gemacht werden die in Wirklichkeit nichts sind.
Jenes hat sich geändert da die Ärzte inzwischen hiervon reden:

Der letzte Befund von 2011 lautet:
"Rechtfertigende Indikation: Bekannte interthalamische Raumforderung 3.Ventrikel, Verdacht auf niedriggradiges Gliom, Kontrolle."

Zusammenfassung:

"Konstante Darstellung der vorwiegend zystischen Läsion interthalamisch, keine Progredienz, keine Schrankenstärung sowie weiterhin kein Nachweis einer Liquorzirkulationsstörung."

Wenn du wissen willst was im Befund selbst steht kann ich es noch posten, ca 8-9 Sätze.

Dass der Tumor um 2mm gewachsen ist hatte ich damals (2009 oder 2010) in einem Befund gelesen.

Ich werde auf jedenfall einen weitern Neurochirurgen aufsuchen - Danke!

______________________________________________________________________________________

Randbemerkung:
das einzige was bisher immer gemacht wird ist neben den Bildern, die Kontrolle in der Uni-Klinik auf Funktionsstörungen (= 3 Minuten) und das Abwarten (der Ärzte), ob sich irgendwas verändert.
« Letzte Änderung: 30. Januar 2012, 03:35:32 von cujo »

Offline Bea

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Re:Wenn der Alltag zum Alptraum wird...
« Antwort #5 am: 01. Februar 2012, 20:29:00 »
Hallo und auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum, cujo!

Ich mag mal auf deine Frage eingehen, wie man mit der Diagnose umgeht.

Mein Astro (niedriggradiges Gliom) wurde vor 6 Jahren diagnostiziert und nach einigen unterschiedlichen Meinungen teiloperiert. So wollte ich es!
Meine Symptome: alle die, die eine Schwangere auch haben könnte: Schwindel, Übelkeit, Erbrechen etc.

Bei meiner Mutter wurde ein Glio IV daraus und sie verstarb vor vielen Jahren.

Und nun mein Umgang mit der Krankheit: meinem "Untermieter" habe ich gekündigt, aber er geht nicht. Also muss ich ihm den Kampf ansagen. Mit allen Mitteln die die Humanmedizin und die alternative Medizin hergibt.

Was ich nicht machen darf ist mich verblenden. Wenn ich ihm zu viel Aufmerksamkeit schenke und nur noch an ihn denke, dann laufe ich wahrscheinlich vor den nächsten Bus.

Das Leben ist lebensgefährlich, aber es ist auch eine herausforderung und das, was wir daraus machen.
Es geht mir nicht immer gut; Rentnerin wollte ich nie sein, meine Selbständigkeit nie eingeschränkt wissen und die Suche nach den richtigen Worten war mir immer fremd.
Heute lebe ich nicht nur mit diesem Einschränkungen aber ich habe auch gelernt, dass ich ein liebenswerter und für manche Menschen ein wichtiger Mensch bin. Ich WILL Lebensqualität und ich mag die Dinge sehen wie sie sind.

Geh mal davon aus, dass hinter jedem Weg etwas Gutes steht!

Bei deinem Arzt solltest du unbefangen deine Ängste ansprechen. Sie sind sehr legitim und müssen berücksichtigt werden.

Ich wünsche dir einen Weg den Blick auf das zu lenken, was dir wirklich wichtig ist.

Alles Liebe,
Bea

Offline cujo

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Re:Wenn der Alltag zum Alptraum wird...
« Antwort #6 am: 06. Februar 2012, 02:47:38 »
Hallo Bea,

vielen Dank für deine Antwort, ich bin erstaunt über deinen Umgang mit solch einer Diagnose, das gibt mir viel Mut, danke!

Grüße

 



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