Liebe Kleeblatt,
ich begrüße Dich herzlich in diesem Forum, wo Du gern all Deine Fragen stellen darfst, die Dir die Sorgen um Deinen Mann eingeben.
Ich selbst bin seit mehr als 22 Jahren Meningeom-Patientin, habe 5 Operationen in relativ gleichmäßigen Abständen hinter mir, bei dreien wurden anaplastische Meningeome entfernt und im Abstand von 11 Jahren wurde zweimal nachbestrahlt.
Eine Prognose wird Dir niemand sagen, da es keine konkreten Prognosen für die Lebenserwartung nach Meningeom-Operationen gibt. Das ist auch gut so, denn Deinem Mann wird es vermutlich nach der OP recht gut gegangen sein, ansonsten hätte man die Bestrahlung nicht begonnen.
Ich habe mich jeweils nach den Operationen innerhalb von wenigen Tagen recht gut gefühlt. Allerdings bin ich meinem ersten Neurochirurgen sehr dankbar, dass er mir damals sagte, dass ich frühstens in einem halben Jahr an ein schrittweises Wiedereinarbeiten denken soll. So konnte ich die Geduld (die man ja überhaupt nicht hat) doch irgendwie aufbringen und habe nach etwa zwei Jahren gemerkt, dass ich wieder völlig fit für Familie, Beruf und alles Schöne bin. Nach der ersten OP habe ich noch 16 Jahre gearbeitet und es erst nach der 4. OP nicht mehr geschafft.
Die Bestrahlungen sind ja dazu da, dass die vom Neurochirurgen nicht gesehenen Tumorzellen in der Umgebung des entfernten Tumors zerstört werden. Bei anaplastischen Meningeomen befinden sich Zellen in einem Bereich von etwa 1 cm um das entfernte Meningeom herum. Man operiert da nicht großzügig, weil der entstehende Schaden größer wäre als der Nutzen. Die Bestrahlung zerstört die sich rasch teilenden Tumorzellen, indem sie im Stadium der Zellteilung, wo sich der DNS-Strang aufteilt, um sich zu verdoppeln, die Verdopplung nicht zulässt. Dadurch wird nicht aus einer Tumorzelle zwei, sondern die potenziellen zwei Tumorzellen werden zerstört.
Die gesunden Zellen teilen sich ja kaum, sie nehmen also weniger Schaden, bzw. sie können sich selbst reparieren, wenn sie Zeit dafür bekommen. Deshalb wird in kleinen Strahlungsdosen ("Fraktionen", fraktioniert) von etwa 2 Gy werktäglich bestrahlt, bis die Gesamtdosis von bis zu 60 Gy in den verschiedenen Bereichen des Zielgebiets erreicht ist.
Die zerstrahlten Zellen werden im Laufe von Monaten vom Gewebe abtransportiert, wobei sie als Fremdkörper wahrgenommen werden und sich die weißen Blutkörperchen dorthin bewegen. Das kann evtl. zu einer Ansammlung von Flüssigkeit in diesem Bereich führen, gegen die mit Cortison vorgegangen werden kann.
Aus dem Beschriebenen kannst Du erkennen, dass das in der OP bereits geärgerte Gehirn nun noch mal Ärger bekommt und sehr arbeiten muss, um das alles zu schaffen.
Wie wirkt sich das auf Deinen Mann aus?
Alles auf einmal geht nicht, also wird er müde werden, falls er mehr von seinem Kopf und Körper verlangt. Er braucht Ruhe, damit sich das Gehirn dieser schweren Arbeit widmen kann.
Es ist möglich, dass die Haare ausfallen, die wachsen aber meist wieder. (Darüber müsste er aufgeklärt worden sein.)
Wenn Cortison erforderlich ist, kann es Schäden hervorrufen, es wirkt aber und kann nach der Bestrahlung langsam wieder abgesetzt werden und die entstandenen Probleme müssen überwacht werden.
Regelmäßig werden die Blutwerte überprüft, denn Blutbahnen sind natürlich im Bestrahlungsbereich. Auch falls hier Verschlechterungen eintreten, ist das später rückläufig.
Normalerweise merkt man selbst von der Bestrahlung direkt überhaupt nichts, sie ist von sehr kurzer Dauer.
Das täuscht eventuell über die enormen Wirkungen der Strahlen hinweg.
Ich selbst habe an den bestrahlten Stellen keine neuen Menigeome gehabt.
Ich hatte noch sehr lange Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, mit der Konzentration, hatte "kognitive" Probleme. Das ist belastend, aber man findet Möglichkeiten, das auszugleichen. Ich habe das hinbekommen mit vielen Merkzetteln, zwei bis drei Kalendern usw.
Ich habe nach der ersten Bestrahlung noch 11 Jahre lang gearbeitet.
Auch wenn Dein Mann das Blödste der häufigsten Hirntumoren hat, ist das nicht einer Lebenserwartungs-Prognose wert.
Er wird sich innerhalb von etwa drei Monaten nach Bestrahlungsende mit einem aktuellen MRT beim Neurochirurgen und den Strahlentherapeuten vorstellen und dann vermutlich lebenslang in größeren Abständen in der Kontrolle bleiben.
Aber es wird ihm vermutlich nach einigen Wochen wieder viel besser und nach ein bis zwei Jahren wieder sehr gut gehen.
Ich wünsche ihm sehr, dass er von Rezidiven verschont bleibt, denn das ist das Ziel dieser Kombination aus OP und Bestrahlung.
Mit den MRT-Kontrollen kann er sich sicher fühlen, dass ein neuer Tumor nicht verpasst wird.
Allerdings werden vor oder nach diesen MRT-Terminen Ängste bei Euch beiden "überschwappen".
Redet Euch dann ein, dass es seiner Sicherheit dient, vielleicht hält man so die Sorgen etwas kleiner.
Alles Gute für Ihn und Dich!
KaSy