Hallo,
lange habe ich hier nicht mehr geschrieben.
Mein Vater war die letzten Wochen auf der Palliativ-Station. Es ging ihm relativ gut, er wurde sehr gut betreut und er schien irgendwie in sich zu ruhen. Aus einem schwierigen Menschen war ein nahezu heiterer geworden, der sich über jeden Besuch freute, alle anlachte und von den Schwestern "Sonnenschein" genannt wurde. Ich habe ihn selten so ausgeglichen erlebt. Die Sprachstörungen sind aber schlimmer geworden und er erzählte mir nur unverständliche Sachen, was ihn scheinbar nicht störte.
Letzten Freitag wurde er endlich ins Hospiz verlegt, in der selben Stadt. Im ZImmer war er nochmal gestürzt, mußte genäht werden. Es ging ihm danach nicht gut. Samstags war ich bei ihm, er lag nahezu teilnahmslos im Bett, war schläfrig und konnte nicht mehr selber essen. Es war eine drastische Verschlechterung. Ich zeigte ihm Bilder von meiner Familie, die er anschaute, er sagte ein paar Worte, dann nahm er mich in den Arm und schlief ein.
Gestern abend um halb neun kam der Anruf, es ginge ihm schlecht. Ich fuhr ins Hospiz. Sie hatten ein zusätzliches Bett in sein Zimmer gestellt. Er atmete rasselnd durch den Mund, mit viel Mühe, konnte nicht mehr schlucken und husten, keuchte und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Es war schrecklich, ihn so zu sehen. Er bekam Morphin gegen die Schmerzen, Tavor und andere Medikamente. Ich blieb bei ihm bis um ein Uhr nachts, dann konnte ich nicht mehr. Er quälte sich scheinbar so, es war kaum auszuhalten. Kurz nach zwei dann der nächste Anruf, mein Vater ist gestorben.
Ich kann es immer noch nicht fassen, so schnell, so unerwartet. Ich weinte die ganze Nacht und machte mir Vorwürfe, nicht länger geblieben zu sein. Aber vielleicht hat er nur darauf gewartet, dass ich gehe. Denn nachdem ich gegangen war, wurde seine Atmung nämlich ruhiger und 40 min später war er tot.
Die Organisation der Beerdigung geht an meine Grenzen.
Heute war ich noch lange beim ihm, er sah so entspannt und friedlich aus, fast so, als ob er lächeln würde. Mitarbeiter vom Hospiz und ein Psychologe haben sich sehr viel Zeit genommen und lange mit mir gesprochen. Im Raum der Stille habe ich einen Stein beschriftet, meinem Vater gewidmet und in eine Schale gelegt. In drei Monaten wird es einen Gedenkgottesdienst für alle in dieser Zeit Verstorbenen geben.
So schrecklich es ist, ich bin auch ein bißchen erleichtert, denn das, wovor ich am meisten Angst hatte, ist passiert. Er mußte nicht lange leiden und konnte so gut wie schmerzfrei sein.
Nun habe ich keine Eltern mehr. Ein großer Berg an Organisation und Arbeit wartet, aber ich werde unterstützt und muß das nicht allein schaffen.
Es hat gut getan, hier zu schreiben und ich wünsche allen Betroffenen viel Kraft für ihren Weg.
Liebe Grüße, Pica